Nach den abendlichen Terminen beim Rotkreuz begann Helmut Kress auf dem Nachhauseweg Abstecher zum Schwulentreff am Neckarufer zu machen – oft mehrmals die Woche. „In Tübingen hatten alle öffentlichen Klos Löcher in den Wänden“, erinnert sich Helmut Kress. „Wenn du nicht beobachtet werden wolltest, hast du Toilettenpapier nass gemacht und davor geklebt.“ Alles habe im Verborgenen stattfinden müssen, „du konntest ja niemanden mit nach Hause nehmen“. So ließ sich der 15-Jährige auf einen älteren Freund ein, der ihn mit dem Auto von der Lehrstelle abholte und in ein abgelegenes Gartenhäuschen in der Umgebung entführte.

 

Ein zweideutiger Liebesbrief an einen jungen Mann wurde Helmut Kress zum Verhängnis. Er hatte ihn in der Schublade seines Schreibtisches im Stadtplanungsamt liegen lassen, wo er entdeckt und bis an die Rathausspitze weitergeleitet wurde. Der Tübinger Oberbürgermeister Hans Gmelin erstattete höchstpersönlich Anzeige gegen den Zeichnerlehrling. „Nach dem Inhalt des Briefes könnte ein strafbare Handlung gem. §175 StGB beabsichtigt gewesen sein“, schreibt Gmelin an die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Tübingen. Den Brief, so führt er weiterhin aus, habe er der Landeskriminalhauptstelle übergeben.

Seine Lehrstelle hat Helmut Kress damals verloren, seinen Mut nicht. Er wurde Damenschneider, kellnerte nebenher und war bald Dauergast im Pub 13, einem schwulen Privatclub in der Tübinger Belthlestraße. In den Fotoalben und Zeitungsartikeln, die Helmut Kress auf dem Stammtisch in seiner Weinstube aufblättert, stecken Geschichten, die Bücher füllen könnten. Helmut Kress auf Rollerblades mit weißem Tangahöschen in einem Reutlinger Rotlichtlokal namens Jaguar. Kress als Rettungssanitäter bei der Bundeswehr oder als Kellner im Café Möhring am Kurfürstendamm.

Seine große Liebe Günther wurde umgebracht

Mit seiner großen Liebe Günther, einem Gourmetkoch, machte er im fränkischen Bad Windsheim ein Restaurant samt Hotel auf. Sie waren ein Erfolgspaar – das Haus gut besucht, die Küche überall gepriesen. „Es ging uns so gut und dann passierte es“, sagt Kress und schiebt einen Stapel Pressetexte über den Tisch. „Bluttat in der Kurstadt“, „Hotelier mit Schere erstochen.“ Ein Raubmord an seinem Partner, der Täter erhielt lebenslänglich. „Ich habe alles verloren“, sagt Helmut Kress und schaut auf sein Hündchen Schnecke, das friedlich neben ihm schlummert. „Ein Glück, dass ich in Tübingen die Weinstube übernehmen konnte und der Laden gut lief.“

Hinter Kress leuchten Plastikäpfel in Rot, Gelb und Grün, sie hängen über dem Tresen. Den Trinkspruch an der Wand hat er restaurieren lassen: „Ein fröhlich Gemüt, ein edler Wein, die sollen hier immer beisammen sein.“ Das Lokal ist sein Zuhause geworden, in den Etagen darüber wohnt er. „Ich würde mir wünschen, dass meine Vorstrafe gelöscht wird“, sagt der Kneipier und hofft, dass das Gesetz möglichst bald ins Kabinett eingebracht wird. Nicht ums Finanzielle geht es ihm dabei, versichert Kress, sondern um ein wichtiges Zeichen, das endlich gesetzt werde: Was einst als Recht galt, sei Unrecht gewesen.

Mehrmals die Woche ging Helmut Kress zum Schwulentreffpunkt am Neckarufer

Nach den abendlichen Terminen beim Rotkreuz begann Helmut Kress auf dem Nachhauseweg Abstecher zum Schwulentreff am Neckarufer zu machen – oft mehrmals die Woche. „In Tübingen hatten alle öffentlichen Klos Löcher in den Wänden“, erinnert sich Helmut Kress. „Wenn du nicht beobachtet werden wolltest, hast du Toilettenpapier nass gemacht und davor geklebt.“ Alles habe im Verborgenen stattfinden müssen, „du konntest ja niemanden mit nach Hause nehmen“. So ließ sich der 15-Jährige auf einen älteren Freund ein, der ihn mit dem Auto von der Lehrstelle abholte und in ein abgelegenes Gartenhäuschen in der Umgebung entführte.

Ein zweideutiger Liebesbrief an einen jungen Mann wurde Helmut Kress zum Verhängnis. Er hatte ihn in der Schublade seines Schreibtisches im Stadtplanungsamt liegen lassen, wo er entdeckt und bis an die Rathausspitze weitergeleitet wurde. Der Tübinger Oberbürgermeister Hans Gmelin erstattete höchstpersönlich Anzeige gegen den Zeichnerlehrling. „Nach dem Inhalt des Briefes könnte ein strafbare Handlung gem. §175 StGB beabsichtigt gewesen sein“, schreibt Gmelin an die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Tübingen. Den Brief, so führt er weiterhin aus, habe er der Landeskriminalhauptstelle übergeben.

Seine Lehrstelle hat Helmut Kress damals verloren, seinen Mut nicht. Er wurde Damenschneider, kellnerte nebenher und war bald Dauergast im Pub 13, einem schwulen Privatclub in der Tübinger Belthlestraße. In den Fotoalben und Zeitungsartikeln, die Helmut Kress auf dem Stammtisch in seiner Weinstube aufblättert, stecken Geschichten, die Bücher füllen könnten. Helmut Kress auf Rollerblades mit weißem Tangahöschen in einem Reutlinger Rotlichtlokal namens Jaguar. Kress als Rettungssanitäter bei der Bundeswehr oder als Kellner im Café Möhring am Kurfürstendamm.

Seine große Liebe Günther wurde umgebracht

Mit seiner großen Liebe Günther, einem Gourmetkoch, machte er im fränkischen Bad Windsheim ein Restaurant samt Hotel auf. Sie waren ein Erfolgspaar – das Haus gut besucht, die Küche überall gepriesen. „Es ging uns so gut und dann passierte es“, sagt Kress und schiebt einen Stapel Pressetexte über den Tisch. „Bluttat in der Kurstadt“, „Hotelier mit Schere erstochen.“ Ein Raubmord an seinem Partner, der Täter erhielt lebenslänglich. „Ich habe alles verloren“, sagt Helmut Kress und schaut auf sein Hündchen Schnecke, das friedlich neben ihm schlummert. „Ein Glück, dass ich in Tübingen die Weinstube übernehmen konnte und der Laden gut lief.“

Hinter Kress leuchten Plastikäpfel in Rot, Gelb und Grün, sie hängen über dem Tresen. Den Trinkspruch an der Wand hat er restaurieren lassen: „Ein fröhlich Gemüt, ein edler Wein, die sollen hier immer beisammen sein.“ Das Lokal ist sein Zuhause geworden, in den Etagen darüber wohnt er. „Ich würde mir wünschen, dass meine Vorstrafe gelöscht wird“, sagt der Kneipier und hofft, dass das Gesetz möglichst bald ins Kabinett eingebracht wird. Nicht ums Finanzielle geht es ihm dabei, versichert Kress, sondern um ein wichtiges Zeichen, das endlich gesetzt werde: Was einst als Recht galt, sei Unrecht gewesen.