Weil er CDs, DVDs und Platten vervielfältigt hat, ist ein 61-Jähriger aus Reichenbach jetzt zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der Schaden für Warner, Sony und Co soll in die Millionen gehen.

Reichenbach/Stuttgart - Im „seit Jahrzehnten umfangreichsten Fall von Produktpiraterie“ am Landgericht Stuttgart, so der Vorsitzende Richter der 11. Großen Wirtschaftsstrafkammer, Roderich Martis, ist am Freitag das Urteil gesprochen worden. Die Verhandlung endete mit einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren für den Angeklagten. Der 61-jährige Reichenbacher wurde für schuldig befunden, zwischen Juni 2012 und September 2016 gewerbsmäßig insgesamt rund 1,4 Millionen CDs, DVDs und Schallplatten illegal vervielfältigt zu haben.

 

Gericht folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft

Mit dem Strafmaß folgte die Kammer der Forderung der Staatsanwaltschaft. Deren Vertreter Eike Fesefeldt skizzierte in seinem Plädoyer noch einmal das „Geschäftssystem“, das der Angeklagte mit „seiner Art kleinen Ich-AG“ verfolgt habe. Demzufolge reiste der Reichenbacher durch die halbe Welt – beispielsweise nach Singapur, Japan, Schweden oder Polen – auf der Suche nach Aufnahmen von Musikern und Bands wie Bob Dylan, Bruce Springsteen, Frank Zappa, den Beatles, Rolling Stones oder U 2. Dann beauftragte er zwei in Sachsen und in Warschau ansässige Firmen mit der Pressung von Vinyl-Schallplatten, CDs und DVDs. Dazu lud der Raubkopierer die Songs und Konzertausschnitte als digitale Datei auf einen Server. Die beiden Firmen ließ er in betrügerischer Absicht in dem Glauben, im Besitz der erforderlichen Lizenzen zu sein.

In den vier Jahren waren dies insgesamt 53 Aufträge, wobei die Bestellungen schwankten. Die Größenordnung reichte von rund 1000 bis hin zu in einem Fall von rund 81 000 Exemplaren. Seine Ware pflegte der 61-Jährige in bar zu bezahlen. Damit wollte der Angeklagte nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft seine kriminellen Handlungen verschleiern. So fand sich vor zwei Jahren bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reichenbach keine Buchhaltung. Der 61-Jährige hatte keine Steuern abgeführt und übergab die Platten an seine Abnehmer teils direkt auf Supermarktparkplätzen in Deutschland.

Richter: „Wie beim Drogenhandel“

Dabei vermied er es „panisch“, so Eike Fesefeldt, bei Abnehmern aus dem benachbarten Ausland die Grenze zu überqueren, um nicht vom Zoll erwischt zu werden. „Das ist ja wie beim Drogenhandel“, sagte Roderich Martis mit Blick auf das konspirative Gebaren des Angeklagten. An weiter entfernte Kunden, beispielsweise in Spanien, versandte der Reichenbacher die Medienträger in Paketen. Die Abnehmer boten die Ware dann in Plattenläden oder im Internet weiter an.

Die Fahnder kamen dem Reichenbacher schließlich durch Recherchen eines privaten Musik-Fahnders im Auftrag von geprellten Plattenfirmen auf die Schliche. Ohne es genau beziffern zu können, sprach die Nebenklägerin in dem Verfahren von einem Lizenzschaden in Millionenhöhe, die Firmen wie Warner, Universal oder Sony in diesem Fall durch Urheberrechtsverletzungen entstanden seien.

Bei dem 61-Jährigen besteht Fluchtgefahr

Der Verteidiger sah dies freilich anders. Bei der vervielfältigten Musik habe es sich im Wesentlichen um Bootlegs gehandelt. Solche nicht autorisierten Mitschnitte zielten vor allem auf Liebhaber. Das normale Geschäft der Plattenlabel würde dadurch nicht beeinträchtigt, so der Anwalt.

Freilich ohne dies beweisen zu können, geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte seit rund 25 Jahren sein kriminelles „Geschäft“ betrieben hat. In den letzten rund fünf Jahren hat er 305 000 Euro durch Überweisungen eingenommen. Dabei sind die Barerlöse nicht eingerechnet, die der Reichenbacher nach Ansicht des Gerichts ebenfalls erzielt haben muss. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig. Wegen Fluchtgefahr bleibt der 61-Jährige aber weiter in Haft.