Ein Anhänger der Reichsbürgerbewegung hat sich wegen einer gefährlichen Situation bei einer Polizeikontrolle in Korb vor Gericht verantworten müssen. Er hatte sich geweigert, seinen Führerschein vorzuzeigen und einen Polizisten mit dem Auto mitgeschleift. Der schoss daraufhin auf die Reifen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Eigentlich hätte die Verkehrskontrolle an jenem 19. August des vergangenen Jahres an der Matreier Straße in Korb eine reine Routineangelegenheit sein sollen. Doch bei der Überprüfung eines 61-Jährigen eskalierte die Situation derart, dass ein Schuss fiel und ein 35-jähriger Polizeihauptmeister um seine Gesundheit fürchten musste. Der Autofahrer ist dafür jetzt vor dem Waiblinger Amtsgericht zur Verantwortung gezogen worden.

 

Mann will Dokumente nicht vorzeigen

Als er den Mann aufgefordert habe, Ausweis und Führerschein vorzuzeigen, habe sich der 61-Jährige geweigert und entgegnet, dass er dies nicht tun müsse, schilderte der Polizeihauptmeister im Zeugenstand vor Gericht. Auch der mehrfachen Aufforderung, aus dem Fahrzeug auszusteigen, sei er nicht nachgekommen. Stattdessen habe er kurz einen gelben Zettel von innen an die Scheibe gehalten, dessen Inhalt er aber nicht richtig habe erfassen können. Als gutes Zureden offenkundig nichts half, habe er versucht, die Fahrertür zu öffnen, was ihm nach einigem Hin und her auch gelungen sei. Da er befürchtete, dass der Mann mit dem Auto flüchten würde, versuchte der Polizist, den Fahrzeugschlüssel abzuziehen – und da gab der Mann Gas.

Ein paar Meter sei er mitgeschleift worden, bevor er seinen Oberkörper noch gerade so aus dem Auto habe befreien können, sagte der Polizist – und, dass er es durchaus mit der Angst zu tun bekam. Er habe dann einen Schuss auf einen Hinterreifen des Wagens gefeuert, um diesen zu stoppen. Erst da hielt der Mann an. Aussteigen hingegen wollte er immer noch nicht. Gemeinsam mit einem 44-jährigen Kollegen musste der 35-Jährige den 61-Jährigen gewaltsam aus dem Fahrzeug ziehen, eine Autoscheibe ging dabei zu Bruch.

Wie sich herausstellte, gehört der Mann der sogenannten Reichsbürgerbewegung an. Diese weigert sich, die Bundesrepublik Deutschland, ihre Gesetze und Staatsautoritäten anzuerkennen. Auch einer Ladung zur Gerichtsverhandlung kam der wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung Angeklagte zunächst nicht nach. Zur Sicherung der Hauptverhandlung wurde er deshalb in Haft genommen.

Der Prozess konnte am Mittwoch im Waiblinger Amtsgericht durchgeführt werden – allerdings unter Sicherheitsvorkehrungen. Ein Mann, der sich beharrlich einer Ausweiskontrolle verweigerte und lautstark gegen Polizisten sowie den Amtsgerichtsdirektor Michael Kirbach pöbelte, wurde als Zuschauer ausgesperrt.

Angeklagter räumt Fehler ein

Bei dem Angeklagten haben die zehn Tage Haft hingegen offenkundig Eindruck hinterlassen. Er räumte nicht nur den Vorfall weitgehend ein, sondern auch, dass er einen Fehler gemacht habe. Allerdings habe er nicht flüchten oder gar einen Menschen in Gefahr bringen wollen, sondern versucht, sich der ihm angedrohten Gewalt zu entziehen, betonte er.

Die Richterin Daniela Bidell verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von vier Monaten auf Bewährung. Zwar sei nicht ersichtlich, dass der Angeklagte den Polizisten habe vorsätzlich verletzen wollen, er habe dies aber billigend in Kauf genommen. Zu seinen Gunsten sei sein Geständnis zu werten und die Tatsache, dass er mit dem Gesetz bisher nicht in Konflikt geraten sei. Als Bewährungsauflage muss er 100 Tage gemeinnützige Arbeit ableisten.

Der betroffene Polizist kann über die gefährliche Aktion auch heute nur den Kopf schütteln: „Er hatte einen gültigen Führerschein gehabt. Hätte er ihn vorgezeigt, hätte er unbehelligt weiterfahren dürfen.“

Die Reichsbürgerbewegung

Gruppierung
Die Reichsbürgerbewegung ist ein Sammelsurium von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen. Sie entstand in den 1980er-Jahren und tritt seit etwa 2010 verstärkt in Erscheinung. In Baden-Württemberg soll es rund 650 Personen geben, die sich selbst selbst als „Reichsbürger“, „Reichsregierung“ oder „Staatsangehörige des Freistaates Preußen“ bezeichnen, bundesweit zwischen 4500 und 5000 Anhänger.

Ideologie
Reichsbürger gehen davon aus, dass das Deutsche Reich völkerrechtlich fortbesteht, da die Weimarer Reichsverfassung weder von den Nationalsozialisten noch von den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs abgeschafft worden sei. Sie leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und erkennen deren Gesetze und Behörden nicht an.