Matwej wird immer ungeduldiger, mit viele Getöse versucht er, die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf sich zu lenken. „Willst du den Zeichentrickfilm über die Ballerina schauen?“ fragt sie, als er anfängt, am Teegeschirr zu spielen. – „Nein, nicht den Ballerina-Film, nimm die Ritterhelden-DVD“, insistiert sein Vater.

 

Die Ritterhelden bekommt Matwej auf Russisch zu sehen. Es ist die Muttersprache von Vitalii Kolomiiets – und die Sprache, in der sich die Familie in den eigenen vier Wänden unterhält. Ukrainisch wurde quasi vom Lehrplan gestrichen. „Zu wenig verbreitet“, sagt Olga Denysenko. Deutsch lernt Matwej in der Kita, die er seit einem Jahr besucht. Auf diese Weise, hoffen seine Eltern, soll er irgendwann zwei Sprachen perfekt beherrschen.

Eine eigene Welt in der Fremde

Seine Stelle bei der Firma Confitech fand Vitalii Kolomiiets im Internet. Olga las seinen Lebenslauf Korrektur und bereitete ihn auf das Vorstellungsgespräch vor. Sein Abteilungsleiter spricht Ukrainisch, mit dem Geschäftsführer redet Vitalii Kolomiiets Deutsch – was immer besser klappt. Der feste Job habe ihm die Eingewöhnung sehr erleichtert, sagt er, und dass er die geregelten Arbeitszeiten geradezu als Luxus empfinde. „In Kiew durfte niemand nach Hause, bevor nicht die ganze Arbeit für den Tag erledigt war“, erzählt Vitalii Kolomiiets. „Und wenn der Chef anrief, musste man springen – auch an Sonntagen oder an Feiertagen.“ Dafür habe es Bonusprämien für die besonders fleißigen Beschäftigten gegeben. Diese Motivation fehle den deutschen Arbeitnehmern.

Entgegen den Erwartungen ist ausgerechnet seine Frau Olga diejenige, die unter starkem Heimweh leidet. „Vitalii versteht gar nicht, wovon ich rede“, sagt sie. Im August waren sie für zwei Wochen in Kiew – insgesamt zum vierten Mal, seit sie in Deutschland wohnen. „Ihm ist es zu viel“, sagt Olga Denysenko, „mir ist es zu wenig.“ Während er sich mittlerweile in der Region Stuttgart „wie Fisch im Wasser“ fühle, werde sie mit den Schwaben nicht richtig warm. Was zur Folge hat, dass das Paar trotz der ursprünglichen Integrationsbereitschaft mittlerweile hauptsächlich russischsprachige Freunde hat. „Ich baue mir in dieser Welt meine eigene“, sagt Olga Denysenko.