Reportage: Akiko Lachenmann (alm)

Alle drei Kinder besuchen jeden Samstag bis 16 Uhr die Japanische Schule in Stuttgart. Schließlich werden sie irgendwann wieder nach Japan zurückkehren und sollten dann in der Lage sein, die gefürchtete Aufnahmeprüfung für die Universität zu bestehen. Kei zeigt sein Übungsheft, mit dem er japanische Schriftzeichen paukt. Er muss jedes Zeichen etliche Male nachzeichnen, Strich für Strich, und zwar in der richtigen Reihenfolge. Die sogenannten Kanjis bestehen aus bis zu 64 Strichen. Um eine Zeitung lesen zu können, müssen Japaner 3000 Zeichen beherrschen, zum Lesen von Literatur sogar 5000.

 

Für seine Comics reichen Kei die 1500 Kanjis, die er bereits beherrscht. In seinem Bücherregel reihen sich Mangas von Doraemon aneinander, die er sich im letzten Japan-Urlaub vom Taschengeld besorgt hat. Doraemon ist ein blauer Roboter, der aussieht wie eine Katze ohne Ohren und aus der Zukunft in die Gegenwart gereist ist, um einem tollpatschigen Jungen beizustehen. Die Figur ist in Asien so bekannt wie Micky Maus im Westen.

Viel zum Lesen kommt Kei allerdings nicht. Er und sein Bruder Kaoru spielen Klavier und fahren zweimal pro Woche zum Kendo-Training bei einem japanischen Lehrer. Kendo (übersetzt: der Weg des Schwerts) ist eine moderne Form des Schwertkampfs, wie ihn die Samurai gelehrt haben, und gehört neben Sumo und Baseball zu den beliebtesten Sportarten in Japan. Kei zeigt verlegen auf die Pokale, die sein älterer Bruder Kaoru bereits gewonnen hat.

Japanisch überfordert selbst Google

Als die Familie vor drei Jahren in Echterdingen ankam, sprach mit Ausnahme von Shin keiner besonders gut Englisch, geschweige denn Deutsch. Während die Kinder sofort in einen durchgetakteten Alltag aus Schule und Hobbys eintauchten und Shin rasch seiner neuen beruflichen Aufgabe nachkommen musste, blieb es Sawako überlassen, das Heim einzurichten. Das hieß konkret: einen Telefonanbieter finden, Waschmaschine und Trockner besorgen und sich durch Gebrauchsanweisungen kämpfen. „Ich musste Wort für Wort nachschlagen“, erzählt Sawako. Der Google-Übersetzer war keine rechte Hilfe. „Gibt man deutsche Sätze ein, spuckt er nur Unsinn aus.“ Japanisch ist offenbar selbst für Google-Programmierer ein Buch mit sieben Siegeln.

Im Supermarkt half ihr eine japanische Bekannte durch die Mehlsorten und Buttertypen. Die meisten Zutaten aber besorgt sie ohnehin auf dem Wochenmarkt und im asiatischen Supermarkt. Dort fand sie fast alles, was sie zum Kochen benötigt. Nur kein Natto. Das sind fermentierte Sojabohnen, die lange Fäden ziehen und einen strengen Geruch haben. Diese Art Superfood, mit dem Japaner von Kindesbeinen an gefüttert werden, ist selbst für hiesige Fans der japanischen Küche kaum zu ertragen. „Ich mache Natto in der Joghurtmaschine“, erzählt Sawako Ishikura. Die dafür notwendigen Bakterienkulturen lagert sie in kleinen Tüten im Kühlschrank.

Hanas Alltag ähnelt am meisten dem einer deutschen Jugendlichen. In ihrem Zimmer deutet nichts auf ihre Herkunft hin, bis auf einen japanischen Text an ihrer Wand, den sie über ein Sportevent verfasst hat. Sie könne sich vorstellen, Journalistin zu werden, sagt sie. Abends schaut sie Nachrichten im Kinderkanal Kika – gemeinsam mit ihrem Vater, der sonst kaum Gelegenheit hat, Deutsch zu lernen. Sie plaudert von ihrer Liebe zum Ballett, von der festen Zahnspange, die sie neuerdings trägt. Nur den für Japaner typischen gesenkten Blick hat sie nicht abgelegt. Längerer Blickkontakt wird als aggressiv empfunden, ein gesenkter Blick soll dagegen von Respekt zeugen.

Beim letzten Heimatbesuch hat Hana ihre alte Grundschule besucht, wo sie begeistert empfangen wurde. Ob sie Unterschiede festgestellt habe zwischen der japanischen und der deutschen Schule? Sie braucht eine Weile, bis sie damit rausrückt: „In Japan ist es etwas ruhiger im Unterricht.“

Klavier und Kendo

Alle drei Kinder besuchen jeden Samstag bis 16 Uhr die Japanische Schule in Stuttgart. Schließlich werden sie irgendwann wieder nach Japan zurückkehren und sollten dann in der Lage sein, die gefürchtete Aufnahmeprüfung für die Universität zu bestehen. Kei zeigt sein Übungsheft, mit dem er japanische Schriftzeichen paukt. Er muss jedes Zeichen etliche Male nachzeichnen, Strich für Strich, und zwar in der richtigen Reihenfolge. Die sogenannten Kanjis bestehen aus bis zu 64 Strichen. Um eine Zeitung lesen zu können, müssen Japaner 3000 Zeichen beherrschen, zum Lesen von Literatur sogar 5000.

Für seine Comics reichen Kei die 1500 Kanjis, die er bereits beherrscht. In seinem Bücherregel reihen sich Mangas von Doraemon aneinander, die er sich im letzten Japan-Urlaub vom Taschengeld besorgt hat. Doraemon ist ein blauer Roboter, der aussieht wie eine Katze ohne Ohren und aus der Zukunft in die Gegenwart gereist ist, um einem tollpatschigen Jungen beizustehen. Die Figur ist in Asien so bekannt wie Micky Maus im Westen.

Viel zum Lesen kommt Kei allerdings nicht. Er und sein Bruder Kaoru spielen Klavier und fahren zweimal pro Woche zum Kendo-Training bei einem japanischen Lehrer. Kendo (übersetzt: der Weg des Schwerts) ist eine moderne Form des Schwertkampfs, wie ihn die Samurai gelehrt haben, und gehört neben Sumo und Baseball zu den beliebtesten Sportarten in Japan. Kei zeigt verlegen auf die Pokale, die sein älterer Bruder Kaoru bereits gewonnen hat.

Japanisch überfordert selbst Google

Als die Familie vor drei Jahren in Echterdingen ankam, sprach mit Ausnahme von Shin keiner besonders gut Englisch, geschweige denn Deutsch. Während die Kinder sofort in einen durchgetakteten Alltag aus Schule und Hobbys eintauchten und Shin rasch seiner neuen beruflichen Aufgabe nachkommen musste, blieb es Sawako überlassen, das Heim einzurichten. Das hieß konkret: einen Telefonanbieter finden, Waschmaschine und Trockner besorgen und sich durch Gebrauchsanweisungen kämpfen. „Ich musste Wort für Wort nachschlagen“, erzählt Sawako. Der Google-Übersetzer war keine rechte Hilfe. „Gibt man deutsche Sätze ein, spuckt er nur Unsinn aus.“ Japanisch ist offenbar selbst für Google-Programmierer ein Buch mit sieben Siegeln.

Im Supermarkt half ihr eine japanische Bekannte durch die Mehlsorten und Buttertypen. Die meisten Zutaten aber besorgt sie ohnehin auf dem Wochenmarkt und im asiatischen Supermarkt. Dort fand sie fast alles, was sie zum Kochen benötigt. Nur kein Natto. Das sind fermentierte Sojabohnen, die lange Fäden ziehen und einen strengen Geruch haben. Diese Art Superfood, mit dem Japaner von Kindesbeinen an gefüttert werden, ist selbst für hiesige Fans der japanischen Küche kaum zu ertragen. „Ich mache Natto in der Joghurtmaschine“, erzählt Sawako Ishikura. Die dafür notwendigen Bakterienkulturen lagert sie in kleinen Tüten im Kühlschrank.

Ausgerechnet in Deutschland musste Sawako lernen, wie man Maki-Sushi rollt, die in schwarzem Algenpapier eingerollten und mit Fisch und Gemüse belegten Reisschlangen, die am Ende aufgeschnitten werden. „In Japan gibt es sie in bester Qualität an jeder Tankstelle.“ Die Maki-Rollen, die der Rewe in Echterdingen eines Tages eingeführt hat, waren für die Ishikuras kein Genuss. „Sie erinnerten mich an Oshizushi“, erzählt Shin – an gepresste Reisbällchen. „Doch seit ein Chinese dort angestellt ist, hat der Reis die richtige Dichte.“

Ein Kranich für den Frieden

Obwohl sich Sawako von allen Familienmitgliedern mit der Verständigung noch am schwersten tut, ist es ihr gelungen, eine erfüllende Arbeit zu finden. An einer deutschen Grundschule gibt sie Kurse in Origami. Die Papierfaltkunst kommt ohne Sprache aus. Am begehrtesten ist der Kranich, ein Symbol für Gesundheit und Frieder seit dem Abwurf der Atombombe über Hiroshima. Zudem unterrichtet Sawako Japanisch an der Volkshochschule Echterdingen – und nimmt selbst an einem Deutschkurs an der Volkshochschule Musberg teil.

Wahrscheinlich hat sich der Alltag am wenigsten für Vater Shin geändert, obwohl die Familie ja seinetwegen nach Deutschland gezogen ist. Als Führungskraft bei Kyocera hatte er schon in Japan späte Feierabende und viele Geschäftsreisen. Allerdings registriert er am deutschen Standort feine Unterschiede in der Firmenorganisation. In Japan habe alles genau seine Ordnung. „Es gibt keinen Raum für Verwirrung oder Fehler“, erklärt Shin. Das bedeutet allerdings für die Mitarbeiter einen höheren Stresspegel. Auch musste Shin in Japan an viel mehr Meetings teilnehmen, weil das dort von einem Manager erwartet wird. „In Deutschland kann ich freier arbeiten, ich habe mehr Zeit für mein Geschäftsfeld, vermisse aber manchmal die klare Linie.“

So unterschiedlich ihre Erfahrungen sind: Die Ishikuras wollen in Deutschland bleiben, so lange wie möglich. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: „Wegen der größeren Freiheit und der Bildungschancen“, sagen die Eltern. „Wegen Kika und wegen dem Leberkäs“, sagen die Kinder.