In der Reihe „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ des Sindelfinger Stadtmuseums und des Stadtarchivs geht der Blick auf den Juli 1942 und den Umgang mit Zwangsarbeitern als Spiegel der NS-Rassenideologie“.

Das Stadtmuseum Sindelfingen befasst sich bis Mai 2025 unter dem Titel „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ mit dem Zweiten Weltkrieg und wie sich die Situation für die Menschen in Sindelfingen darstellte. Das Thema vom Monat Juli lautete: „Der Umgang mit Zwangsarbeitern als Spiegel der NS-Rassenideologie“.

 

Im Gemeinderatsprotokoll vom 30. Juli 1942 findet sich der Beratungsgegenstand „Beschaffung von Unterkunftsbaracken für russische Zivilarbeiter“. Darin wird ausgeführt: „Verschiedene Gewerbetreibende hier, so die Uhrenfabrik Suevia und Martin Bitzer sind an die Stadtverwaltung herangetreten, um einen geeigneten Platz zur Erstellung einer Unterkunftsbaracke zur Unterbringung der ihnen in Aussicht gestellten Zuweisung russischer Zivilarbeiter durch die Stadt zur Verfügung zu stellen.“

Das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Kriegsjahre.

Grundsätzlich war die Unterbringung von Zwangsarbeitern Aufgabe der Unternehmen, die sie beschäftigten, aber ohne städtische Hilfe waren häufig keine Standorte zu finden. So zieht sich das Thema wie ein roter Faden durch die Gemeinderatsprotokolle der Kriegszeit. Das verwundert nicht. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass in Sindelfingen, das bei Kriegsbeginn knapp 9000 Einwohner hatte, zwischen 1940 und 1945 über 3000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt waren, kann man ermessen, welche Herausforderungen an Ernährung und Unterbringung sich unter den ohnehin schwierigen Kriegsverhältnissen daraus ergaben. Es wird aber auch deutlich, dass diese Menschen das Alltagsleben in Sindelfingen in den Kriegsjahren mitgeprägt haben.

Goldberg-Gymnasiasten haben einst Stadtarchiv durchsucht

Die Schülerarbeitsgruppe am Goldberg-Gymnasium hat in ihrer preisgekrönten Veröffentlichung von 1989 „Zwangsarbeiter in Sindelfingen 1940-1945“ aus den Unterlagen des Stadtarchivs über 100 Orte in der Stadt ermittelt, an denen Zwangsarbeiter untergebracht waren. Dabei muss unterschieden werden zwischen Kriegsgefangenen, die überwiegend in bewachten Lagern eingeschlossen waren, den sogenannten Westarbeitern, also Zivilarbeitern aus den Niederlanden und Frankreich und den sogenannten Ostarbeitern, die nach dem Überfall auf die Sowjetunion seit 1941 zwangsweise aus den besetzten Gebieten ins Deutsche Reich deportiert worden waren.

Rassen-Ideologen des Nazi-Regimes halten Ostarbeiter für minderwertig.

Die sogenannten Westarbeiter – überwiegend junge, gut ausgebildete Männer – waren häufig privat oder in Gaststätten untergebracht und konnten sich frei bewegen. Für die Menschen aus den besetzten Gebieten war die Unterbringung in geschlossenen Lagern vorgesehen. In der Versorgung und der Behandlung gab es zwischen den beiden Zwangsarbeitergruppen gravierende Unterschiede. Dies war in erster Linie in der NS-Rassenideologie begründet, die die sogenannten „Ostvölker“ als minderwertig ansah.

Die meisten waren für die Rüstungsindustrie eingesetzt

Hinzu kam, dass man sich vor möglichen Gefahren für die deutsche Belegschaft und die deutsche Bevölkerung allgemein fürchtete, wie aus einem Schreiben der Gestapo vom Februar 1942 deutlich wird, wo es heißt: „Mit Rücksicht darauf, dass die zum Einsatz kommenden Kräfte jahrzehntelang unter bolschewistischer Herrschaft gelebt haben und systematisch zu Feinden des nationalsozialistischen Deutschland und der europäischen Kultur erzogen wurden, sind besonders strenge Bewachungsmaßnahmen erforderlich.“ Zahlreiche Sindelfinger Firmen und die Stadt selbst beschäftigten Zwangsarbeiter, der überwiegende Teil war aber zur Rüstungsproduktion im Daimler-Benz-Werk eingesetzt. In Nähe zum Werk entstanden an der Riedmühle (heute innerhalb des Werksgeländes), an der Böblinger Allee (in der Nähe des heutigen Kundencenters) und am Daimlerweg große Barackenlager. Heute erinnern neben der Dokumentation der Schülerarbeitsgruppe eine Gedenktafel und zwei Sammelgräber auf dem alten Friedhof an die Zwangsarbeiter.

Die zugehörige Vitrine im Sindelfinger Stadtmuseum ist seit dem 26. Juli dem Publikum zugänglich. Die Texte sind auch auf der städtischen Homepage nachzulesen.