Als Präsident der Dualen Hochschule hat Reinhold Geilsdörfer erst kürzlich einen Kodex erlassen. Eine Vorgabe: jeder Anschein von Einflussnahme sei zu vermeiden. Nun fragen Kritiker, wie das zu seinem Wechsel zur Stiftung des Lidl-Gründers passt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war eine bitterböse Montage, die ein Professor der Dualen Hochschule (DHBW) in Villingen-Schwenningen kürzlich per Mail an alle Kollegen schickte. Oben prangte das Logo des Discounters Lidl, unten das Konterfei des DHBW-Präsidenten Reinhold Geilsdörfer, dazwischen der Slogan „Lidl lohnt sich“. Die Anspielung galt eindeutig Geilsdörfers beruflichem Umstieg: Für ihn persönlich zahle es sich aus, wenn er nach seinem Abschied von der Dualen Hochschule Anfang Februar als Geschäftsführer zur Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz nach Heilbronn wechsele – in jene Stadt also, wo die DHBW dank der Stiftungsmillionen nicht wie andernorts von der gegenwärtigen Finanzkrise gebeutelt werde.

 

Auslöser der Rundmail war ein Plädoyer des Schwenninger Rektors Jürgen Werner für den Präsidenten in Stuttgart. Gegenüber der Lokalpresse hatte er sich von einem inzwischen nach Mannheim gewechselten Professor distanziert, der Geilsdörfer im Zusammenhang mit seinem Einsatz für Heilbronn wegen Vorteilsannahme angezeigt hatte. Damit habe dieser seine „persönliche Meinung“ zum Ausdruck gebracht, nicht die des Standorts.

In Sachen Hochschule nicht mehr neutral?

Prompt erntete Werner Widerspruch von einem Studiengangsleiter. Er teile die Ansicht des Anzeigeerstatters und finde Geilsdörfers Verhalten „in höchstem Maß skandalös, unanständig und schamlos“, schrieb er. Die meisten Kollegen, mit denen er über den Vorgang gesprochen habe, sähen das ebenso. Es sei schon schlimm genug, „mit welcher Rücksichtslosigkeit der Wille des Stifters . . . durchgepeitscht“ werde – zu Gunsten von Heilbronn und zulasten auch von Schwenningen. Noch schwerer erträglich finde er, dass Geilsdörfer bis heute mittelbar oder unmittelbar an Entscheidungen beteiligt sei, die die Kooperation mit der Schwarz-Stiftung beträfen. Mit Blick auf seinen „zukünftigen Brotherrn“ könne er nicht mehr „neutraler Sachwalter“ der Hochschulinteressen sein. „Das musste mal gesagt werden“, verblieb der Professor.

In punkto Strafanzeige gab der DHBW-Präsident kürzlich Entwarnung. Die Staatsanwaltschaft habe inzwischen entschieden, „dass ein Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet wird“, schrieb er an alle Mitarbeiter und Studierenden. Tatsächlich konnte die Stuttgarter Anklagebehörde keinen Anfangsverdacht erkennen: Geilsdörfers Engagement für Heilbronn könne „auch ganz andere Motive“ haben als seinen Umstieg, befand sie laut einer Sprecherin. Es fehlten ausreichende Anhaltspunkte für eine „Unrechtsvereinbarung“ zwischen ihm und der Schwarz-Stiftung.

Staatsanwälte um Bericht gebeten

Nach einer Beschwerde des Anzeigeerstatters ist inzwischen die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft mit der Sache befasst. Man habe die Stuttgarter Kollegen „um einen Bericht gebeten“, teilte ein Sprecher mit; mehr lasse sich derzeit nicht sagen. Selbst im Lager der Geilsdörfer-Anhänger gibt es Stimmen, die es begrüßen würden, sollte es doch noch zu Ermittlungen kommen. Dann, so ihr Kalkül, würde der Vorwurf ein- für allemal ausgeräumt und nicht länger herumwabern.

Rückendeckung hatte der DHBW-Chef vom Aufsichtsrat samt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) erhalten. Alle Entscheidungen für Heilbronn seien in den Gremien gefallen, die Vorwürfe würden weder Geilsdörfers „besonderen Verdiensten“ um die Hochschule noch der „herausragenden Bedeutung der Zusammenarbeit mit der Dieter-Schwarz-Stiftung“ gerecht. Nicht minder klar bezog Bauer Position, als im Sommer die Frage aufkam, ob der Präsident angesichts seines Wechsels zur Stiftung noch an Beratungen und Beschlüssen zu Heilbronn mitwirken solle. Da gelte es schon den „Anschein einer Interessenkollision“ zu vermeiden, mahnten Kritiker; die Belange der Hochschule stimmten schließlich nicht durchweg mit denen der Stiftung überein. Doch die Ministerin wies das mit einer formalen Begründung zurück: die gesetzlichen Befangenheitsregeln gälten nur für Verwaltungsverfahren, nicht aber für Beratungen im Senat; das hätten ihre Juristen gerade erst eindeutig geklärt. Geilsdörfer sagte der FAZ, er habe „keine Veranlassung“ für Konsequenzen gesehen. Alle wesentlichen Entscheidungen seien gefallen, bevor er das Angebot der Schwarz-Stiftung erhalten habe. Unbeantwortet ließ Bauer die Frage der Kritiker, welches denn die „konkreten Rechtsquellen“ für die angeblich nicht gegebene Befangenheit seien.

„Bereits der Anschein schadet uns“

Diese verwiesen ihrerseits auf die erst im Mai verkündeten Verhaltensregeln der DHBW, die auch in der Strafanzeige herausgestrichen wurden. Man achte konsequent auf die Trennung von Dienstlichem und Privatem und lasse sich „nicht von persönlichen oder eigenen finanziellen Interessen leiten“, heiße es darin. Und weiter: „Uns ist bewusst, dass bereits der Anschein einer Einflussnahme dem guten Ruf der DHBW schadet.“ Jedwede in dieser Hinsicht kritische Konstellation sei daher „von vornherein auszuschließen.“ Auch der Schwenninger Professor, der für seine Rundmail viel Zuspruch erhielt, zitierte aus diesem „Compliance Kodex“. Alle DHBW-Beschäftigten hätten danach auch nur den Verdacht zu meiden, „im Rahmen ihrer Dienstausübung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein.“ So habe es ihnen, als Herausgeber, Professor Geilsdörfer eingebläut. Gelte das „nur für uns, wenn wir eine Flasche Wein annehmen“, fragte er provokant, nicht aber für den Präsidenten und seinen Stiftungsposten? Sein Fazit: „Quod licet jovi, non licet bovi“ – was Jupiter darf, dürfe der Ochse noch lange nicht.