Von Januar bis April ist auf der norwegischen Inselgruppe der Lofoten die Kabeljaufischerei in vollem Gange – auch sehenswert für Besucher.

Henningsvær - Im Winter ist es im Hafen von Henningsvær wieder fast so wie früher – zumindest fast. Drei Dutzend Kutter dümpeln im Wasser, Möwen sitzen vollgefressen auf den Dächern, es riecht nach Diesel und Dorschleber. Vor 50 Jahren allerdings lagen die Boote während dieser Jahreszeit noch so eng, dass man von Deck zu Deck den Hafen durchqueren konnte. Die Fotos von Mastenwäldern, von Bergen von Fischen und von lachenden Pfeifenrauchern, die Netze flickten oder Ziehharmonika spielten, sind als Postkarten noch allseits präsent.

 

Wie ein schartiges Sägeblatt erstreckt sich die Kette der Lofotberge vor Nordnorwegen im Atlantik, weiß-bläuliche Schemen über dem schwarzen Wasser, eine Abfolge von Zacken, Zinnen und zerklüfteten Felskolossen. „Wie ein Rückgrat, dessen Wirbel immer kleiner werden, bis sie zuletzt nur noch einen Schwanzfortsatz bilden“, schreibt der Reiseführer „Baedeker“ im Jahr 1921. Berühmt gemacht hat sie der Fisch. Im Winter zieht der Kabeljau aus der Barentssee nach Süden, um im flacheren Wasser zu laichen. Und die Menschen dort erwarten seit Tausenden von Jahren ungeduldig sein Kommen. „Innerhalb der Sperrnetze standen die Fische so dicht, dass es aussah, als werde die Wasserfläche von einem Hagelschauer gepeitscht“, schreibt Johan Bojer in seinem Roman „Die Lofotfischer“. „Rückenflossen, Rückenflossen überall, der Fjord siedete, sie ruderten in Fischen, dies war ein Märchen.“

Über dem Meer liegt ein Schleier aus Sonne und Regen

Und noch immer reisen von Januar bis April Fischer aus dem ganzen Land an, um am großen Segen teilzuhaben. Ein Drittel aller 4000 Boote Nordnorwegens trifft sich derzeit auf den Lofoten. Im letzten Jahr wurden Fanglizenzen von fast 400 000 Tonnen vergeben, an Fischer mit Handleine und solche mit Langleinen, an Kutter mit Netzen und an Trawler, die mit Scherbrettern das Meer durchpflügen.

Skei-Romantik im Winter. Foto: Lerchenmüller
Etwa zehn Prozent der 500 Einwohner von Henningsvær sind noch in der Fischerei tätig. Doppelt so viele leben vom Tourismus, der vor allem im Sommer explodiert. Kletterer, Angler, Wanderer und Naturfreunde sind dann unterwegs. Aber auch im Winter möchten immer mehr die so oft beschworene Romantik der Skrei-Fischerei erleben. Und sie finden sie: An schönen Tagen sprenkeln Dutzende honigfarbener, rot-weißer oder weiß-grüner Boote die See vor den Bergketten. Ein feiner grau-goldener Schleier aus Sonne und Regen liegt über dem Meer, schroffe, weiße Matterhörner säumen den Horizont – es ist, als wäre man auf Seefahrt in den Alpen. Und so mancher Besucher greift dann selbst zur Angel und hofft auf einen „Kaffeedorsch“: Für jeden Kabeljau, der mehr als 30 Kilo auf die Waage bringt, spendiert die örtliche Zeitung ein Kilo Kaffee.

Im Lofotmuseum in Kabelvåg erleben die Besucher, wie die Fischer während der Saison in Rorbus hausten, kleinen Miethütten, die die Landbesitzer aufgestellt hatten. Erschöpft und durchnässt kamen sie von der Arbeit zurück in den Bau aus rohen Balken, drängten sich um den rot glühenden Ofen und löffelten mit schrundigen Händen ihre Suppe. Draußen heulte der Wind, drinnen roch es nach Schweiß, nasser Wolle und ungewaschenen Füßen. Über 33 000 Männer hausten 1898 drei Monate lang auf diese Weise. Das Leben in den bequem eingerichteten Touristen-Rorbuer von heute hat nichts gemein mit dem Aufeinanderhocken in den großen Holzbuden von damals.

Nach etwa drei Monaten an der frischen Luft nimmt man die Fische ab

Doch immer noch stehen wie damals Männer in Ölzeug auf den berühmten, malerischen Holzgestellen, werfen sich am Schwanz zusammengebundene Fische zu und ordnen sie sorgfältig nebeneinander auf den Querstangen. Abends in der ehemaligen Tranfabrik erklärt Kalle Mentzen im schmutzigweißen Norwegerpullover seinen Besuchern den Prozess der Stockfisch-Verarbeitung: Nach etwa drei Monaten an der frischen Luft nimmt man die Fische ab und lässt sie in der Halle nachtrocknen. Dann beginnt das Sortieren. Je nach Gewicht, Länge, Dicke, Farbe, Konsistenz und Geruch teilt man sie in 27 Sorten auf, die einst so klangvolle Namen wie Dänischer Zartfisch, Lübscher Weckerfisch oder Hamburger Hökerfisch trugen. Anschließend werden die dürren Prügel in 50-Kilo-Einheiten abgewogen und in Säcke verpackt.

Die Fischer haben einen großen Fang gemacht. Foto: Lerchenmüller

Die Kabeljauköpfe wiederum, die, auf Schnüre gefädelt, im Sommer geheimnisvoll im Wind rascheln und bei Besuchern gern ein leichtes Gruseln hervorrufen, gehen nach Afrika, vor allem nach Nigeria. Sie sind reich an Vitaminen und Proteinen und geben gemahlen die Grundlage für eine nahrhafte Suppe ab.

Besonders neugierige Touristen wagen sich abends sogar mal ins Fischerheim. In einem größeren Wohnzimmer sitzen wortkarge Männer und die eine oder andere Frau an Resopaltischen, lesen Zeitung oder plaudern verhalten. Im Keller können sie duschen oder Wäsche waschen lassen. Wer als Besucher seinen Abstecher besonders authentisch gestalten möchte, holt sich am Ende ein Schälchen Milchreis mit roter Soße, das traditionelle Lieblingsgericht aller Lofotfischer.

Aber man findet natürlich auch wirkliche Delikatessen in Henningsvær. Siv Lillehaug serviert in ihrem Restaurant Lofotmat eine wunderbar cremige Fischsuppe, Stockfisch im Speckmantel mit pochierten Eiern und zum Nachtisch Moltebeeren mit Eis in der Waffel. Köstlich ist der geräucherte Rogen auf Flatbröd mit saurer Sahne und gehackten Zwiebeln, und ganz Mutige bestellen frittierte Kabeljauzungen, deren schwammige Konsistenz die Gästeschar unmittelbar in spontane Liebhaber und leidenschaftliche Gegner spaltet. Aber auch sie gehören so zwingend zu diesen Wochen wie anderswo junge Kartoffeln zum Frühling.

Hinkommen, Unterkommen, Rumkommen

Anreise

Flugverbindungen nach Svolvær auf den Lofoten gibt es direkt von Oslo oder über Bodø. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Land ist ein Geduldsspiel: Die Bahn von Trondheim nach Bodø braucht 9,5 Stunden, der Bus von Bodø nach Svolvær weitere 7,5 Stunden.

Unterkunft

Henningsvær Bryggehotel ist eines der gepflegtesten Häuser am Ort und liegt direkt am Hafen. Es hat saubere, warme Zimmer und ein umfangreiches Frühstück. Empfehlenswert ist auch das Restaurant. Doppelzimmer mit Frühstück ab ca. 150 Euro, www.henningsvaer.no.Lofoten Arctic Hotel betreibt zwei Häuser, eine ehemalige Fischanlande-station am Wasser und ein Haus von 1892 im Zentrum, das 2015 grundlegend saniert wurde. Einfache, saubere Zimmer, und auch hier ist ein nettes Restaurant angeschlossen. Doppelzimmer mit Frühstück ab ca. 150 Euro, www.lofotenarctichotel.no.

Essen und Trinken

Das Restaurant Lofotmat offeriert das Beste, was das Meer zu bieten hat, dazu Lamm, Gemüse, Beeren. Alles wird in frischer, exzellenter Form präsentiert – ein Besuch ist ein Vergnügen. Das Drei-Gänge-Menü kostet ca. 27 Euro, Kontakt: lofotmat@gmail.com.Auch das Haus Fiskekrogen direkt am Hafen ist seinem Namen verpflichtet: Heilbutt, Jakobsmuscheln, Fischsuppe, Fisch und Chips sind die Stärke der Küche. Die Kabeljauzungen mit Salzkartoffeln, Salat und Remoulade kosten 30 Euro, www.fiskekrogen.no.

Erleben

Alte Tranfabrik: www.lofotenarctichotel.noSeeadlersafari: www.lofoten-explorer.noGeführte Touren: www.arcticbuss.noAngelfahrten: www.xxlofoten.no, www.henningsvaer-rorbuer.noLofotmuseum Kabelvag: www.museumnord.no, www.lofotmuseet.no.Stockfischmuseum: www.lofotenferie.com

Allgemeine Informationen

Destination Lofoten, www.lofoten.info.Norwegisches Fremdenverkehrsamt, www.visitnorway.deNordnorwegisches Tourismusamt, www.nordnorge.com, Norwegischer Fisch, www.fischausnorwegen.de