Jahrelang jagte die Kreuzfahrt von einem Größenrekord zum nächsten. Nun geht der Trend in die andere Richtung. Expeditionsschiffe wie die neue „Le Lapérouse“ sind das Gegenstück zu den schwimmenden Freizeitparks.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Hafnarfjörður - Die Expeditionskreuzfahrt boomt: Nachdem viele Jahre lang praktisch keine neuen Schiffe dieser Art vom Stapel liefen, gehen nun bis 2022 mehr als 20 Neubauten in Dienst. Eine wichtige Rolle nimmt hierbei die Reederei Ponant ein. Sie darf sich als Trendsetter fühlen: Während andere Anbieter ihre zukünftigen Flottenmitglieder nur ankündigen, wirft man bei den Franzosen bereits fröhlich Veuve-Clicquot-Flaschen gegen den frisch gestrichenen Bug.

 

Kürzlich wurde der erste von sechs neuen Expeditionskreuzern im Hafen von Hafnarfjörður auf Island getauft. Wenn alle neuen Explorer-Schiffe plus ein Eisbrecher 2021 fertig sind, wird sich die Ponant-Flotte von bisher fünf auf zwölf Schiffe vergrößert haben. Patin des ersten Schiffes der Baureihe namens „Le Lapérouse“ ist Maryvonne Pinault, die Gattin des französischen Unternehmers François Pinault. Dem Milliardär gehören die Unternehmensgruppe Artemis, und damit nicht nur Modemarken wie Gucci, Bottega Veneta oder Yves Saint Laurent, sondern auch der Fußball-Verein Stade Rennes und eben die Reederei Ponant.

„Le Lapérouse“ ist 131 Meter lang, 18 Meter breit und hat maximal 4,6 Meter Tiefgang – neben den Riesen der Branche wirkt das marineblau gestrichene Expeditionsschiff wie eine etwas zu groß geratene Yacht. 184 Passagiere passen auf den Kreuzer, der nach Jean-François de Galaup de La Pérouse benannt ist, einem französischen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Auch die nun im Halbjahresrhythmus erwarteten fünf Schwesterschiffe werden nach französischen Entdeckern benannt. Nomen est omen: Die kleinen Schiffe sollen kreuzfahrerisches Neuland ansteuern und „dahin gehen, wo die anderen nicht hingehen“, sagt Jean Emmanuel Sauvée. Der heutige Geschäftsführer von Ponant gehört von Beginn an zum Unternehmen. Sauvée war bereits Teil einer Gruppe von 14 Seeleuten und Offizieren der französischen Handelsmarine, die Ponant 1988 in Nantes gegründet haben. Benannt wurde die Reederei nach einer Inselgruppe vor der bretonischen Küste. 2004 wurde La Compagnie des Iles du Ponant von der französischen Container-Linien-Reederei CMA-CGM übernommen und der Firmensitz nach Marseille verlegt. Seit 2015 gehört die Reederei zur Artemis-Gruppe von Francois Pinault.

Das Meer und die Natur im Fokus

Statt völlig überfüllten Orten wie Barcelona oder Venedig stehen einsame Inseln in Neukaledonien oder der Fluss Orinoco in Venezuela auf dem Fahrplan der „Le Lapérouse“. Statt Megarutschen und Casino gibt es Vorträge über Flora und Fauna. Das Meer und die Natur stehen im Fokus. Um auch die Unterwasserwelt ohne Tauchausrüstung beobachten zu können gibt es ganz unten im Schiffrumpf eine Bar mit zwei großen Glasscheiben. Beim gepflegten Drink kann man vorbeischwimmenden Fischen zuprosten. An Bord werden die Gäste auf hohem Niveau verwöhnt. Die im Restaurant servierten Menüs hat der französische Starkoch Alain Ducasse kreiert, es gibt teure Weine und Champagner.

Mit dem Bau der neuen Ponant-Schiffe ist die Vard-Gruppe beauftragt. Das Unternehmen, eine Tochtergesellschaft der italienischen Schiffsbauer Fincantieri, hat zwei Standorte. In Tulcea, einer rumänischen Hafenstadt am Schwarzen Meer, werden die Stahlarbeiten ausgeführt. Dann schleppt man das halbfertige Schiff durch den Bosporus ins Mittelmeer, dann weiter durch die Straße von Gibraltar und einmal rund um Westeuropa bis nach Alesund. In der norwegischen Stadt finden die restlichen Arbeiten statt. Nach diesem Prinzip entstehen auch die ebenfalls bei Vard beauftragten Neubauten von Hapag-Lloyd Cruises. Der deutsche Mitbewerber von Ponant hat drei Expeditionsschiffe bestellt.

„Es gab immer einen Markt für kleine Schiffe, deren Passagiere ohne permanente Unterhaltung und Lärmbelästigung entspannen wollen. Diese Nachfrage ist gestiegen. Die Leute wollen sich wieder mehr mit der Natur verbinden“, sagt der britische Kreuzfahrtexperte Douglas Ward. Schwimmende Freizeitparks werde es gleichwohl weiter geben. Denn diese Schiffe sind für eine komplett andere Zielgruppe gedacht: Familien mit Kindern, bei denen nicht nur das große Unterhaltungsangebot an Bord, sondern auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis eine Rolle spielt.

Denn kleinere Schiffe sind nicht nur teurer im Bau bezogen auf den Preise pro Passagier, sie sind auch kostspieliger im Unterhalt. Denn egal, ob man 184 oder 6000 Passagiere durch die sieben Weltmeere schippert – es braucht immer einen Kapitän und eine nautische Mannschaft auf der Brücke. Entsprechend teuer ist eine Passage: Eine Woche Urlaub auf „Le Lapérouse“ kostet ab 3700 Euro.

Info

Schiffsgrößen

Der Brite Douglas Ward gibt seit 33 Jahren das Nachschlagewerk „Berlitz Guide Cruising & Cruise Ships“ heraus. Darin werden mehr als 300 Hochseekreuzfahrtschiffe nicht nur detailliert beschrieben, sondern auch bewertet. Ward unterscheidet vier verschiedene Schiffsgrößen: große Resort-Schiffe mit 2501 bis 6500 Passagieren, mittelgroße Schiffe mit 751 bis 2500 Gästen, kleine Schiffe mit 251 bis 750 Passagieren und Boutique-Schiffe mit 50 bis 250 Gästen.

Anbieter

Die geringe Größe von Boutiqueschiffen macht es möglich, abgelegene Regionen fernab von viel befahrenen Seewegen anzulaufen. Solche Expeditionsreisen bietet zum Beispiel die französische Reederei Ponant (https://de.ponant.com), das deutsche Unternehmen Hapag-Lloyd Cruises (www.hl-cruises.de), die US-Reederei Quark Expeditions (www.quarkexpeditions.com) sowie der in Monaco ansässige Anbieter Silversea Cruises (www.silversea.com).