700 Inseln mit weißem Strand in einem türkisfarbenen Meer voller Leben – das klingt nach paradiesischen Zuständen. Aber die Inselwelt der Bahamas ist bedroht. Naturschützer kämpfen fürs Überleben von Haien und Korallen.

Freizeit & Unterhaltung: Bettina Bernhard (bb)

Nassau - Über die Inseln zieht der Rest eines Tiefs, das vom nordamerikanischen Festland herüberwehte. An Land biegen sich die Palmen, auf dem Meer schäumen die Wellen. Regenwolken und Karibiksonne tauchen die Unterwasserwelt in ein Wechselspiel aus Licht und Schatten. Doch da sind noch andere Schatten. Haie! Majestätisch ziehen sie ihre Kreise, ignorieren die Taucher mit den vergleichsweise uneleganten Bewegungen und ihrem hektischen Luftblasenausstoß.

 

Dann konzentrieren sich alle Dreiecksflosser auf Nicolas. Der Mann im Kettenhemd ist Tauchlehrer und heute der Haifütterer. Die Tiere wissen ganz genau, was Sache ist, wenn der Taucher mit der großen Kiste kommt. Mitten in dem Gedränge und Geschubse von vielleicht 30 Ammenhaien und grauen Riffhaien platziert Nicolas, der Franzose aus Dijon, seine Futterbox auf dem Deck eines Schiffswracks. Mit einem Spieß zieht er einzelne Brocken von Fischabfällen heraus. Die Taucherschar verharrt bewegungslos auf den zugewiesenen Plätzen, der Sicherungstaucher hat alles im Blick und die Fotografin – ebenfalls im Kettenanzug gegen versehentliche Fehlbisse – schiebt sich mit ihrer Kamera vorsichtig zwischen die grauen Leiber.

Eine halbe Stunde später ist das Spektakel vorbei. Die Haie trollen sich, die Taucher auch. Selbst die Skeptiker unter ihnen, die Fütterungen als nicht artgerecht ablehnen, sind widerwillig beeindruckt. So nah sieht man die Räuber der Meere sonst nie und faszinierend sind und bleiben die Tiere, die zu den ältesten Lebewesen der Erde zählen.

Haitourismus bringt 113 Millionen Dollar

„Nur was man schätzt, das schützt man“, sagt Eric Carey, der Geschäftsführer des Bahamas National Trust. Besonders gerne sieht man die Haifütterungen nicht bei der Umweltschutzorganisation, doch sie sind akzeptiert als ein Rezept, um Menschen die bedrohte Spezies nahezubringen. „So wird die Faszination Hai erlebbar“, sagt Carey.

Immerhin spült der Haitourismus auf den Bahamas rund 113 Millionen US-Dollar jährlich in die Kassen – mit Tauchern, Schnorchlern und Schwimmern, die sich in die Nähe der ganz zu Unrecht übel beleumundeten Fische trauen. Zum Beispiel auf Compass Cay, eine der rund 40 bewohnten Bahamasinseln, die man beim Tagesausflug zu den berühmten schwimmenden Schweinen besucht. Hier kann man mit Ammenhaien schwimmen. „Ich war total begeistert von den großen, eleganten Fischen“, berichtet eine Teilnehmerin. Ein anderer gesteht: „So recht wohl war mir nicht dabei, aber faszinierend war es schon.“ Auch wenn den Haien mit ihren kalten Augen jeglicher Kuschelfaktor abgeht – ihr Image als blutrünstige Killer verweisen diese Bahamas-Haie ins Reich der (Film-)Fantasie.

Haiflossen landen in Suppe und Potenzmitteln

„Alles, was die Haie am Leben hält, ist gut“, sagt Meeresbiologin Agnessa Lundy, die sich beim National Trust um die 33 Nationalparks der Bahamas kümmert. Haie sind weltweit gefährdet, vor allem durch die Jagd auf ihre Flossen für Suppe und Potenzmittel. Aber auch der Rest der Inselwelt ist bedroht. „Korallenbleiche durch zu warmes Wasser, Plastikmüll im Wasser, verbotenes Fischen mit Chemie oder Dynamit, Öl und Müll von Schiffen sowie entsorgte Schiffe, die am Meeresgrund gammeln“, zählt Agnessa die Hauptprobleme auf. Das größte ist jedoch der Klimawandel – auch wenn es den laut dem Präsidenten des großen Nachbarn und Devisenbringers gar nicht gibt. Nach aktuellen Prognosen steigt der Meeresspiegel so an, dass der Großteil der oft nur einen Meter hohen Inseln der Bahamas in 50 Jahren überspült sein wird. Doch aufgeben gilt nicht, findet Janet Johnson, die Präsidentin des National Trust. Zwar wachse das Bewusstsein für den Umweltschutz nur langsam bei Fischern und Bewohnern, „aber es wächst“. 4,5 Millionen US-Dollar fließen in den Unterhalt der Nationalparks und in Projekte wie die Korallennachzucht.

Die Tauchbasis von Stuart Cove, ein Pionier des Haischutzes auf den Bahamas, unterhält zwei solcher Korallen-Kindergärten. Steckt man den Kopf ins Wasser, sieht man sie schon: etwa zwei Meter hohe Metallgestelle mit waagerechten Seitenstreben, die an künstliche Weihnachtsbäume erinnern. An den Ästen hängen Korallenstückchen an Nylonfäden und wachsen mit Sonne von oben und Nahrung aus Strömung munter vor sich hin. Sie stammen von abgebrochenen Korallen oder werden als eine Art Setzling von großen kompakten Acroporakorallen abgeknapst. Weil Gestelle und Schnüre Algen ansetzen, muss man sie regelmäßig putzen, damit die Babykorallen genug Sauerstoff und Nährstoffe bekommen. Tauchlehrerin Alex und Meeresbiologin Agnessa rücken den Algen mit einer Art Riesenzahnbürste zu Leibe. Normalerweise futtern Fische die Algen weg, aber um Fische anzulocken, müssen die Korallenbäume erst eine gewisse Größe haben. Nach der Putzaktion geht es noch auf einen Flossenschlag zum Auspflanzplatz an einem farblosen, versandeten Riff. Hier wächst nun neues Leben heran und die jungen Korallenbäumchen locken schon erstes Kleinvieh.

Mückenschutzmittel frisch aus dem Busch

Weitgehend intakt ist die Natur auf Andros, der größten Bahamasinsel, die nur dünn besiedelt ist. Vor der Küste liegt das drittgrößte Barriereriff der Welt, üppig bewachsen mit Hart- und Weichkorallen, umschwärmt von bunten Fischen. Gelegentlich schaut mal ein Hai vorbei, weder scheu noch aufdringlich. Auch hier gibt es Haifütterungen, aber nicht regelmäßig und auch nicht so filmreif inszeniert. „Wir füttern nicht ersatzweise und greifen so nicht ins natürliche Verhalten ein. Wir liefern gelegentlich ein Extra, damit die Haie immer wieder vorbeischauen“, sagt Frederico. Der Argentinier ist der Kopf der Tauchbasis in der Small Hope Bay, wo der kanadische Taucher Dirk Birch 1960 seinen Traum vom Inselleben verwirklichte. Heute führen seine Enkelin Casey und ihr Bruder Brian das kleine, feine Gästehaus.

Das Landesinnere von Andros überrascht mit Blue Holes, kreisrunden Seen, die Eingänge zu einem weitverzweigten Höhlensystem bilden. Auch sie sind als Nationalpark geschützt und umgeben von einem lichten Urwald. Dessen Geheimnisse kennt Naturführer Dennis: den Poisonwood-Baum, dessen Rinde Gift ausschwitzt. „Früher fischte man damit, doch das Gift blieb in den betäubten Fischen“, erzählt Dennis. Dagegen nutzten viele „Love vine“, eine unscheinbare Schlingpflanze, die gekocht als Aphrodisiakum dient. Zudem hält die Buschmedizin Magenbitter und Mückenschutz bereit. Das Geheimnis seines Kindersegens verrät Dennis nicht – nur so viel, dass keine Haiflossen im Spiel waren.

Infos

Anreise Einmal wöchentlich fliegt Condor direkt von Frankfurt nach Nassau, www.condor.de. Ab Stuttgart via London mit British Airways, www.ba.com. Inlandsflüge zu den Inseln findet man unter www.majesticholidays.com

Unterkunft Gediegen im British Colonial Hilton in Nassau, www.hiltoncaribbean.comGigantisch im Grand Hyatt in Nassau, www.bahamar.grand.hyatt.comEntspannt in der Small Hope Loge auf Andros, www.smallhope.com

Haibesuche Stuart Cove’s Dive Bahamas, www.stuartcove.com Ammenhaie auf Compass Cay, www.compasscaymarina.com

Allgemeine Informationen Bahamas Tourist Office Tel. 0 61 74 / 61 90 14, www.bahamas.de. Bahamas National Trust, https://bnt.bs/ CMT Pauschalangebote mit Inselkombinationen bieten FTI Touristik, ww.fti.de, Thomas Cook, www.thomascook.de (Halle 6 Stand 6E10) und Canusa, www.canusa.de (Halle 4, Stand 4C40)