Richtig Reklamieren kann man lernen. Wer die hohe Kunst der Beschwerde beherrscht und die passenden Urteile kennt, kann auch ohne Anwalt eine angemessene Entschädigung durchsetzen, wenn der Urlaub nicht die schönste Zeit des Jahres war.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Zu viel Dialekt kann teuer werden. Das musste eine Sächsin erleben, die im Reisebüro einen Flug nach Porto buchen wollte. Die Verkäuferin verstand Bordeaux („Bordo“), fragte zwei Mal nach, die Kundin widersprach nicht – und musste am Ende 294 Euro für den gebuchten Flug zahlen, den sie nicht antrat, weil sie nach Portugal und nicht nach Frankreich wollte. Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt urteilte, die Sächsin sei selbst verantwortlich, richtig verstanden zu werden (AZ: 12 C 3263/11).

 

Das amüsante Urteil und 221 weitere Fälle von Reiseärger, der vor dem Kadi landete, hat der Tourismusexperte Michael Schweizer in einem hilfreichen kleinen Ratgeber („Wenn Sterne lügen“) veröffentlicht. Der gebürtige Schwabe ist selbst seit Jahrzehnten auf allen Kontinenten unterwegs und will den Lesern mit den kurz beschriebenen Urteilen eine schnelle Orientierung geben, ob sich eine Reklamation wirklich lohnt und wie man es am besten macht.

Die Deutschen reisen gerne, rund 45 Millionen längere Urlaubsreisen verkaufen jedes Jahr allein die mehr als 2500 Veranstalter und fast 10 000 Reisebüros. Nicht selten geht dabei etwas schief: der Flug ist verspätet, wird verlegt oder fällt ganz aus, das Hotel sieht ganz anders aus als im Katalog, das Zimmer ist schmuddelig, das Essen schlecht, der Pool zu kalt oder leer. Oder der Strand ist verdreckt und Baulärm verdirbt die Urlaubsfreude.

Urteile zu Reisemängeln füllen Regalwände

Bis zu 900 000 Urlauber, schätzt Schweizer, beschweren sich jedes Jahr über geplatzte Ferienfreuden. Der Experte geht dabei von einer Reklamationsquote von ein bis zwei Prozent bei den hiesigen Reiseveranstaltern aus. Wie viel Reiseärger letztlich Gerichte beschäftigt, sei unklar. Sicher allerdings ist: Die Urteile zu Urlaubsmängeln füllen inzwischen ganze Regalwände.

Wer seine Rechte kennt, kann einiges herausholen: 2,5 Prozent vom Reisepreis gab es zurück, weil im Hotel deutsche TV-Programme trotz Zusage im Katalog fehlten (AG Duisburg 49 C 5703/06), 5 Prozent wegen schwarzen Schimmels im Badezimmer (LG Köln 11 S 437/11), 10 Prozent, weil der versprochene Balkon fehlte (AG Duisburg 33 C 6013/02), 16 Prozent, weil die Zimmer halb so groß waren wie gebucht (AG Bad Homburg 2 C 652/03), 25 Prozent wegen einer weniger als 1,90 Meter langen Matratze (LG Hamburg 318 S 209/09), 35 Prozent vom Reisepreis/Tag wegen Baulärms von 7 bis 20 Uhr (AG Köln 142 C 90/09), 50 Prozent wegen eines FKK-Hotels bei einer Roulette-Reise (AG Düsseldorf 38 C 18502/97), 100 Prozent wegen Reiseausfalls (Visum fehlte mangels Information) (AG Bad Homburg 2 C 1415/04).

Allein der Zoff wegen Flugverspätungen umfasst viele tausend Einzelfälle. Private Unternehmen wie EU-Claim, Fairplane oder Flightright bieten verärgerten Reisenden an, den Streitfall gegen eine Erfolgsbeteiligung von meist bis zu 30 Prozent notfalls vor Gericht durchzufechten. Die meisten Passagiere verzichten aber bei Verspätungen, Verlegungen oder Ausfällen auf berechtigte Ansprüche, oft wegen Unwissens. Experten schätzen, dass allein deutsche Flugreisende sich so jedes Jahr bis zu 700 Millionen Euro Entschädigungen entgehen lassen.

Nicht immer haben Klagen Erfolg

Nicht immer haben Klagen Erfolg. Das Amtsgericht Duisburg verweigerte einem Urlauber die Entschädigung, dessen Charterflieger erst um sechs Uhr abends mit zwölf Stunden Verspätung abflog und der so fast einen ganzen Tag verlor. Das hatte der Tourist aber schon einige Tage vorher mit Übersendung der Reiseunterlagen erfahren. Die An- und Abreisetage seien nicht als Urlaubstage zu werten, so das Gericht (AZ: 45 C 367/05). Auch ein Fluggast scheiterte, der wegen einer harten Landung auf Schmerzensgeld klagte (LG Düsseldorf 22 S 240-07).

Wie reklamiert man richtig? Schweizer hat einige Tipps parat. Wer eine Pauschalreise gebucht hat, sollte Mängel zum Beweis per Foto, Video oder Zeugen dokumentieren und unverzüglich direkt beim Veranstalter oder seinem Reiseleiter vor Ort anzeigen, am besten schriftlich. In Hotels hängen die Kontaktdaten meist aus, zudem gibt es Sprechstunden. Bei der Mängelanzeige sollte eine Frist zur Beseitigung der Probleme gesetzt werden.

Ansprüche beim Veranstalter rechtzeitig anmelden

Wer eine Reisepreisminderung oder Schadenersatz durchsetzen will, muss spätestens vier Wochen nach dem vertraglichen Ende der Reise seine Ansprüche beim Veranstalter konkret anmelden. Eine allgemein formulierte Beschwerde reicht zur Fristwahrung nicht, ein Einschreiben mit Rückschein ist ratsam. Die Ansprüche verjähren nach zwei Jahren, bei manchen Veranstaltern auch schon nach einem Jahr, Näheres findet sich im Kleingedruckten.

Wenn sich der Streit um die Entschädigung hinzieht, muss also rechtzeitig Klage erhoben oder ein Mahnverfahren eingeleitet werden. Spätestens dann ist bei größeren Streitsummen der Gang zum Fachanwalt zu empfehlen, zuvor kann eine Verbraucherzentrale den Fall einschätzen. Noch besser: eine kostenlose Schlichtungsstelle einschalten, bei Flug-, Bahn-, Schiffs- und Busreisen zum Beispiel die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin. Im besten Fall wird dort der Reiseärger rasch geklärt – und der Anbieter zahlt die verlangte Entschädigung.