Die älter werdende Gesellschaft war das Leitthema des diesjährigen Medizinkongresses in Stuttgart. Dabei ging es nicht nur um die spezielle medizinische Versorgung im Alter, sondern auch um Anreize für ein erfülltes Leben.

Stuttgart - Das Fortbildungsangebot zum Thema Alter auf dem diesjährigen Kongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg war groß – und das Interesse der Ärzteschaft auch. Verwunderlich ist dies nicht, denn die Lebenserwartung steigt von Jahr zu Jahr. So haben sich auch die Mediziner auf immer mehr ältere Patienten einzustellen. Weil im Alter sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit abnimmt, müssen die Ärzte – zusammen mit ihren Patienten – an vielen Fronten kämpfen: Sie reichen von Demenzerkrankungen bis zu komplizierten Knochenbrüchen, die im Alter schnell zum Tode führen können. „Die Fraktur des alten Menschen – mehr als Schrauben und Zement“ lautete beispielsweise ein Seminar zu diesem Thema.

 

Andererseits sollte man trotz der vielen Einschränkungen, die das Alter mit sich bringen kann, nicht die schönen Seiten vernachlässigen. Dazu gehören Reisen, auf die sich viele Menschen ihr Leben lang gefreut haben, weil sie nun die Zeit und oft genug auch das Geld dafür haben. Nicht umsonst verreisen nach Erkenntnis der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen immer mehr ältere Menschen, wobei in den vergangenen 20 Jahren die 60- bis 70-Jährigen stark aufgeholt haben: Sie sind inzwischen praktisch genauso häufig auf Reisen wie die Jüngeren. Aber auch die Altersklasse 70 plus ist heute fast so oft unterwegs wie die 20- bis 40-Jährigen vor 30 Jahren.

Dabei wollen viele Senioren heute gerne ins ferne Ausland – und das mit teilweise nicht zu unterschätzenden gesundheitlichen Problemen. „Wenn solche Patienten mit ihrem Reisewunsch zu Ihnen in die Praxis kommen, dann fragen Sie nicht, warum nicht Schweiz, Sylt oder Bad Wörishofen“, rät Helmut Scherbaum von der Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus in Tübingen seinen Ärztekollegen. Vielmehr sollten sie ihre Patienten mit wichtigen Informationen zum Reiseland und weiteren praktischen Ratschlägen unterstützen.

Gefährliche Lungenerkrankungen

Das ist allerdings gar nicht immer so einfach, schließlich steigen die Risiken für Erkrankungen bis hin zu Todesfällen bei Fernreisen im Alter tatsächlich deutlich an. Dabei ändern sich auch die Gefahren, wie Scherbaum berichtet. So führen Infektionen der unteren Atemwege – also Lungenerkrankungen – bei Menschen über 60 Jahre weitaus häufiger zum Tode als bei jüngeren. Auch Lungenödeme in größeren Höhen – Stichwort Höhenkrankheit – werden viel häufiger zur lebensbedrohenden Gefahr. Interessanterweise haben dagegen Durchfälle bei älteren seltener tödliche Folgen als bei jüngeren Reisenden. Wenig verwunderlich ist, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Älteren eine größere Rolle spielen.

„Ältere Reisende sind eine äußerst inhomogene Gruppe“, berichtet Scherbaum aus Erfahrung. Als Beispiel diskutierte er in dem Seminar „Update – Reisen im Alter“ auf dem Medizinerkongress mit seinen Ärztekollegen, wie man am besten drei Beispielpatienten berät: eine 75-jährige Frau mit Bluthochdruck, die mit ihrer Tochter einen Monat durch Peru reisen möchte; einen übergewichtigen 68-Jährigen mit Hüftimplantat und früherer Thrombose in den Beinvenen, der 20 Tage lang im Norden Tansanias Entwicklungsprojekte begutachten will, die er in seinem Berufsleben betreut hat; und schließlich ein 72-jähriger Mann, der vier Wochen lang mit seiner Frau deren Verwandte in Thailand besuchen möchte.

Reiseberatung bei gesundheitlichen Problemen

Wichtig ist bei solchen Reiseberatungen, zunächst das Umfeld zu erfragen, also genaue Daten zur Reise, zur Motivation, zu Grunderkrankungen, zu Medikamenten, zu bisherigen Erfahrungen sowie zu möglichen Begleitpersonen. Gegen Flugreisen etwa sprechen Herzerkrankungen wie ein frischer Herzinfarkt oder schwere Herzrhythmusstörungen. Wenn keine grundsätzlichen medizinischen Bedenken gegen die Reise sprechen, kann der Reisende allerdings einiges tun, um mögliche Gefahren zu verringern. So muss er sich insbesondere rechtzeitig darüber informieren, welche Impfungen ratsam oder gar erforderlich sind.

Das ist ein ziemlich schwieriges Kapitel, weil viele Schutzimpfungen bei älteren Menschen weniger wirksam sind als bei jüngeren – schließlich altert auch das Immunsystem. Besonders deutlich wird dies bei Hepatitisimpfungen, aber auch bei Impfungen gegen die im Alter immer bedrohlicher werdende Influenza. Gerade solche Erkrankungen, aber auch Lungenleiden haben im Alter oft einen deutlich schwereren Verlauf und führen dann auch zu einer höheren Sterblichkeit. Erheblich besser sind übrigens die Chancen für einen Impfschutz, wenn der Betroffene bereits früher geimpft wurde und die Impfung nur aufgefrischt werden muss.

Gute Reiseplanung hilft

Eine entscheidende Vorsorge gerade bei Fernreisen ist auch, den Reiseverlauf genau zu planen. Nur so lässt sich das Risiko beispielsweise einer Malariainfektion seriös abschätzen. In den genannten Beispielen etwa ist für den Tansaniareisenden ist eine Malariaprophylaxe dringend anzuraten, bei den Reisen nach Peru und Thailand kann auf die vorbeugende Einnahme der teuren und mit möglichen Nebenwirkungen verbundenen Medikamente verzichtet werden.

Am Ende des Seminars wurde klar, dass Reisen im Alter deutlich mehr gesundheitliche Risiken bergen und im Hinblick auf mögliche Probleme sorgfältiger geplant werden müssen als Reisen in jungen Jahren. Dennoch: „Eine allzu pessimistische Risikoperspektive in der Beratung älterer Reisender ist nicht sinnvoll“, gab Helmut Scherbaum seinen Ärztekollegen mit auf den Weg. Denn man müsse auch die vielen positiven Seiten des Reisens sehen: In eigener Verantwortung die Freizeit zu nutzen und Kontakte zu knüpfen, schaffe Handlungsspielräume und Erlebnisse, die gerade im Alter für die Gesundheit enorm wichtig seien.