Lech am Arlberg ist der Gipfel der Genüsse. Das bei Adligen und Promis beliebte Bergdorf hat 14 Hauben-Lokale bei rund 1600 Einwohnern. Doch Sterne leuchten hier nur am Himmel.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Grüne Tannen vor grauen Felsen, blauer Himmel mit weißen Tupfen, ein kleines Kirchlein mit rotem Zwiebelturm, dazu der plätschernde Fluss – man muss sich kneifen, um so viel geballtes Alpenidyll als real zu begreifen. Lech am Arlberg ist ein Ort wie aus dem Bilderbuch. Neben der Natur lockt die gute Küche viele Gäste ins Vorarlberger Walserdorf.

 

Die Dichte an ausgezeichneten Restaurants im Vergleich zur Einwohnerzahl ist herausragend. Andere Dörfer mit rund 1600 Bürgern verfügen noch nicht einmal über ein Wirtshaus, in Lech muss man sich Mühe geben, um in einer Urlaubswoche alle Gourmetadressen abzuklappern. Der „Gault&Millau“ vergibt 37 Hauben an 14 Lokale. Das Magazin „Falstaff“ listet 37 Restaurants, darunter fünf mit der Maximalbewertung von vier Gabeln.

Gourmethotel Rote Wand

Josef „Joschi“ Walch kann da nur müde lächeln: „Was sind Hauben? Das Einzige, was weltweit zählt, sind Sterne.“ Der Patron des Gourmethotels Rote Wand im Teilort Zug setzt sich dafür ein, dass die Tester des „Guide Michelin“ wieder über den Flexenpass reisen. Dann würde es über Lech nicht nur nächtens am Firmament strahlend hell leuchten.

2009 erschien die letzte Österreich-Ausgabe des „Guide Michelin“. Seither kümmert sich die Feinschmeckerbibel nur noch um die Austria-Metropolen Salzburg und Wien. Das hat finanzielle Gründe. Ausgaben für kleine Länder würden sich nicht rechnen. Die Regierungen müssten subventionieren. „Die österreichische Politik mag nicht die Reichen fördern. Dabei hätte das eine Werbewirkung und Strahlkraft“, sagt Joschi Walch.

Restaurant Schualhus

Dem geneigten Feinschmecker bleibt nur, selbst zu spekulieren. Wie viele Sterne hätte wohl Max Natmessnig verdient? Drei Stück könnten es durchaus sein. Der 35-jährige Niederösterreicher gilt als Ausnahmetalent. 2017 kam er aus New York nach Vorarlberg und wirkt seither im zur Roten Wand gehörenden Restaurant Schualhus. Im September wird der hochgelobte Überflieger den Arlberg verlassen. Er möchte wirkliche Michelin-Sterne erkochen – nicht nur virtuelle. Wohin es Natmessnig zieht, wird (noch) nicht verraten. Auch die Nachfolge ist geheim.

„Es wird wieder ein Knaller“, sagt Joschi Walch. Der 60-Jährige lässt seinen Star in Freundschaft ziehen: „Der Wechsel ist ganz normal. Wir sind ein Sprungbrett.“ Weitere prominente Abgänge sind Christian Rescher und Markus Niederwanger, die sich aus dem Vier-Hauben-Restaurant im Hotel Aurelio verabschieden.

Relais & Châteaux-Hotel Gasthof Post

Doch manche sind auch gekommen, um zu bleiben. So wie David Wagger. Der gebürtige Kufsteiner verantwortet seit sechs Jahren die Küche im Relais & Châteaux-Hotel Gasthof Post. Ein anspruchsvoller Job: Zu den Stammgästen des Traditionshauses gehört die niederländische Königsfamilie.

Im hellen Panoramarestaurant mit Blick auf den Schlegelkopf gibt es klassisch-österreichische Gerichte, in den Stuben tobt sich der 36-Jährige kreativ aus. Seine Variation von Lecher Waldpilzen, die weiße Schaumsuppe von der Strauchtomate mit Jakobsmuschel und vor allem das 72 Stunden sous vide gegarte Short Rib mit Maistexturen hätten einen Stern verdient – mindestens.

Doch ein Profikoch in der österreichischen Provinz teilt das Schicksal eines Ausnahmekickers aus San Marino: Man kann noch so gut spielen und wird doch nie Fußball-Weltmeister.

Pilze vom Formarinsee

Wagger sieht’s gelassen und gibt sich bescheiden: „Ich lieb’ die Berge und ich bin glücklich, wenn es dem Gast schmeckt.“ In seiner Freizeit geht er am Petersboden oder am Formarinsee Pilze suchen. Wagger möchte, dass der Gast das Terroir schmeckt. Deswegen steht auch regelmäßig Steinbock und anderes Wild auf der Karte, geschossen von Hotelier Florian Moosbrugger persönlich.

Der Chef der Post ist ein Freund der Regionalität, außer es wird dogmatisch: „Wenn ich nur Produkte aus einem Umkreis von wenigen Kilometern nehmen darf, kann ich keine österreichischen Weine ausschenken. Denn Niederösterreich oder das Burgenland liegen 700 Kilometer weit weg.“ Also ist der 52-Jährige großzügig und setzt bei Getränken auf das rot-weiß-rote Kapperl. Vor allem die Produkte aus dem von seinem Bruder Michael geführten Weingut Schloss Gobelsburg im Kamptal finden sich auf der umfangreichen Weinkarte.

Hotel Gotthard

In Lech wird nicht nur gut gekocht, es gibt auch spannende lokale Produkte. Joschi Walch hat zum Beispiel eine eigene Käserei gebaut und lässt die Milch, die ihm zwei Zuger Bergbauern liefern, zu Topfen, Joghurt und Butter verarbeiten. Clemens Walch, Bäckermeister und Chef des Hotels Gotthard und mit Joschi nicht verwandt, erfüllte sich den Traum von der eigenen Brauerei.

„Als unsere Backstube an den Ortsrand zog, war unten im Haus plötzlich Platz“, erzählt der 63-Jährige. Er hätte auch den Wellnessbereich vergrößern können, stattdessen stehen nun blitzblanke Kupferkessel und eine kleine Abfüllanlage im Keller. Der pensionierte Bäcker braut vier Sorten: Zwickelbier, Helles, Pale Ale und Weizen. Die Biere der Marke Omes 2557, benannt nach dem Berg Omeshorn und dessen Höhe, werden in Gefäße abgefüllt, so elegant wie Mini-Champagnerflaschen. Es gibt sie im Gotthard und im Restaurant Hus Nr. 8 gegenüber, beim Vetter Christian Walch.

Küchenchefs in der Whatsapp-Gruppe

Auch Clemens’ kleine Schwester Veronika Walch startete eine zweite Karriere: früher Hotelfachfrau, heute Kräuterfee. Wo im Winter die Skifahrer und Snowboarder ins Tal kacheln, findet man im Sommer bunte Wiesen, sattgrünes Gras, Wildblumen und Orchideen. Veronika Walch kennt die versteckten Schätze: „Unsere alpinen Kräuter haben eine höhere Wirkungskraft durch die Lage, die UV-Strahlung und die kurze Vegetationszeit.“ Sie bietet Wanderungen an und berät gastronomische Betriebe.

Gibt es bei so viel Genussangebot eigentlich Konkurrenzdenken? „Nein“, sagt David Wagger, Küchenchef der Post. „Wir halten zusammen.“ Rund 60 Lecher Küchenchefs sind in einer Whatsapp-Gruppe vernetzt. Wenn es im Winter so viel schneit, dass der Ort von der Außenwelt abgeschnitten wird, geht’s in der Gruppe rund. Einem fehlt Salat, dem anderen ist irgendwas anderes ausgegangen. „Da hilft man sich gegenseitig“, bestätigt Sebastian Müller (33), der Küchenchef vom Tannbergerhof. Lech ist halt ein Dorf.

Lech am Arlberg

Unterkunft
Königlich wohnt man im traditionellen Gasthof Post. Der Außenpool mit Blick auf Omeshorn und Rüfikopf ist der schönste des Ortes. Im hauseigenen Panoramarestaurant dürfen auch externe Gäste die Kreationen von Küchenchef David Wagger genießen, DZ/F ab 300 Euro, https://postlech.com/

Alpines Designhotel mit Gourmetschwerpunkt: Rote Wand in Zug. DZ ab 180 Euro, www.rotewand.com.

Das Hotel Gotthard ist ein familiengeführtes Haus mit eigener Brauerei und Backstube. DZ/F ab 210 Euro, www.gotthard.at.

Hübsche Ferienwohnungen gibt es im Chalet Annamaria, Apartment für 2 Personen ab 120 Euro pro Nacht. www.annamarialech.at.

Essen und Trinken
Der Tannbergerhof ist eigentlich für Après-Ski bekannt, serviert aber auch ehrliche Austria-Küche zu moderaten Preisen, www.tannbergerhof.com.Hagen’s Dorfmetzgerei hat einen hervorragenden Mittagstisch, www.hagens.at. Berühmt für Fondues in zig Varianten ist die urgemütliche Stube des Hotels Arlberg, https://arlberghotel.at.

Aktivitäten
Ein- und mehrtägige Kräuterseminare, Workshops und Wanderungen mit Veronika Walch kann man unter www.kraeuterwerkstatt-lech.at buchen.

Allgemeine Informationen
Lech Zürs Tourismus, www.lechzuers.com