Der Springreiter Roger-Yves Bost kommt als neuer Europameister in die Schleyerhalle. Sein Markenzeichen: der akrobatische Reitstil. In Stuttgart war „Bosty“, wie ihn seine Freunde nennen, schon einmal erfolgreich.
Stuttgart - Seine Freunde nennen ihn „Bosty“. Und weil er, typisch Franzose, ein unbezwingbares Lächeln besitzt, stets bescheiden und zuvorkommend, ja fast schüchtern auftritt, misst sich seine internationale Fangemeinde nach tausenden. Vergangenen Sonntag allerdings standen sie alle für Sekunden unter Schock: „Im Großen Preis von Lyon, kurz vor dem Ziel, bin ich mit meinem Pferd Colombo gestürzt“, berichtet der 48-jährige Profireiter, um dann, quasi als Entschuldigung, hinzuzufügen: „Colombo ist leider nicht mein allerbestes Pferd.“
Sein allerbestes Pferd ist die 13-jährige französische Stute Myrtille Paulois, auf der Roger-Yves Bost im August im dänischen Herning neuer Europameister der Springreiter wurde – sein erster großer Einzeltitel nach mehr als zwanzig Jahren im internationalen Springsport. Nächste Woche sattelt der Champion, der 1990 mit seiner Equipe in Stockholm Mannschafts-Weltmeister war, beim 29. German Masters in der Stuttgarter Schleyerhalle. Den etwas sorgenvollen Blick auf seine vom Sturz ramponierte Nase kontert der charmante Haudegen mit einer heftigen Handbewegung: „Nein, nein, ich musste nicht ins Hospital, obwohl mein Arm schmerzte und ich mir eine Rippenprellung geholt habe.“ Seinem Start in Stuttgart stehe aber rein gar nichts im Wege.
Apropos Stuttgart. Die Stammgäste des traditionsreichen Reitturniers am Cannstatter Wasen erinnern sich: 1990 und 1991 siegte „Bosty“ auf dem gedrungenen Kraftpaket Norton de Rhuys im prestigeträchtigen German Masters, alljährlich am Freitagabend ausgetragen. Der Europameister, gestern auf Stippvisite in Stuttgart, ordnet den Erfolg von damals nüchtern ein: „In diesen mehr als zwanzig Jahren hat sich unser Sport völlig verändert, ist schwieriger geworden – aber mein Norton wäre heute noch konkurrenzfähig, könnte das Masterfinale durchaus gewinnen.“
Ein bisschen Glück gehört auch dazu
Roger-Yves Bost, verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder, stammt aus der weltberühmten Malerkolonie Barbizon bei Paris, wo er bis heute lebt und einen internationalen Turnierstall unterhält. Nach seiner großen Zeit in den neunziger Jahren und dem eher durchwachsenen Start bei Olympia 2004 in Atlanta war es ruhig um ihn geworden, eine lange sportliche Durststrecke. Diese ist erst 2011 ganz überraschend und mit einem heftigen Paukenschlag zu Ende gegangen: Damals überwarf sich die irische Profireiterin Jessica Kürten mit der Besitzerin ihrer Pferde, der schwerreichen britischen Lady Georgina Forbes, Tochter des Neunten Earl of Granard. Rechtsanwälte und Gerichte wurden bemüht – am Ende entschied sich die in der Schweiz lebende Lady dazu, ihre Pferde, erfahrene wie auch junge, zu „Bosty“ nach Barbizon zu geben. Der nennt das verständlicherweise „einen Glücksfall für mich“. Ohne die Lady hätte er es wohl kaum geschafft, unter die besten zehn Springreiter der Weltrangliste aufzusteigen.
Nächste Woche in Stuttgart bildet Roger-Yves Bost mit Penelope Leprevost, Kevin Staut und Patrice Delaveau ein starkes Quartett. Im August 2014 wollen diese vier bei den Weltreiterspielen in der Normandie nach Möglichkeit den Titel holen. Was das German Masters betrifft, so hätte Bosty „nichts dagegen, den Master zu gewinnen und auch den Großen Preis“, also das Double. Dass es im Großen Preis von Stuttgart zudem ein Extrapräsent gibt für die Reiter mit dem besten Springstil, das nimmt der Franzose wieder mit seinem charmanten Lächeln zur Kenntnis. Alle Reiterwelt weiß, dass Bost einen Reitstil pflegt, den man in keinem Lehrbuch findet: Spektakulär und höchst akrobatisch, mit „fliegenden Unterschenkeln“, wie die Reiter sagen. Streng genommen eine Todsünde im Sattel, ginge man nach der reinen Lehre, wie sie etwa ein Markus Ehning verkörpert. „Bosty“ zeigt sich reuig: „Ich gebe mir ja Mühe, näher am Pferd zu bleiben, komme für diesen Preis aber wohl trotzdem nicht infrage.“