Die Karriere des Buschreiters Michael Jung ist eng verknüpft mit seinem Paradepferd Sam – auch wenn er in Stuttgart die siebenjährige Nachwuchsstute Corazon sattelt, wird es für ihn ein besonderes Turnier.

Stuttgart - Wer mit den Pferden zu tun hat, der weiß: Es ist nur ein schmaler Grat zwischen himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Deshalb sagt Michael Jung, der ungekrönte König der Buschreiter, am Ende der nacholympischen Saison 2017: „Unterm Strich können wir, mein Team und ich, sehr zufrieden sein – wenn auch nicht alle sportlichen Pläne und Wünsche in Erfüllung gegangen sind.“ Kommende Woche beim 33. German Masters in der Schleyerhalle (15. bis 19. November) möchte der 35-jährige Publikumsliebling beim Hallengeländeritt sowie in den diversen Springen den guten Schluss unters Sportjahr setzen, der bekanntlich alles ziert.

 

Was macht Sam? Dieser Frage begegnet Michael Jung dieser Tage auf Schritt und Tritt – auch gestern, als der Olympiasieger von London und Rio vor der Presse in Stuttgart seine Pläne für die Halle am Cannstatter Wasen vorstellte. Die Antwort des Meisterreiters: „Mit meinem Sam, der jetzt 17 Jahre alt ist, hab’ ich in dieser Saison leider etwas Pech gehabt. In Burghley war’s mein Fehler, dass wir im Teich ein Hindernis nicht getroffen haben – da hab’ ich sofort aufgegeben. Erst kürzlich im französischen Pau ging Sam beim Abreiten vor der Dressuraufgabe etwas steif – womöglich hatte er sich über Nacht im Stall ein Bein angeschlagen. Da hab’ ich sofort auf den Start verzichtet. Ganz klar.“

Sam wird nur eigesetzt, wenn er topfit ist

Nein, so betont Michael Jung immer wieder, „mein Sam wird nur gestartet, wenn er topfit ist“. Genau deshalb werde dieser verdiente Wallach kein Championat für Deutschland mehr bestreiten, „damit ich nicht unter Druck gerate, unbedingt starten zu müssen im Interesse der Mannschaft“. Inzwischen sei der braune Württemberger wieder topfit, im nächsten Frühjahr, so erklärt der Meistertrainer Joachim Jung , „entscheiden mein Sohn und ich, ob und wie es mit seiner Karriere weitergeht.“

Wenn das 33. German Masters am Mittwoch nächster Woche beginnt, werden tausende von Reitsportfans in die Hanns-Martin-Schleyer-Halle strömen, um „ihren“ Michi Jung wieder einmal aus der Nähe zu sehen. Der wiederum verspricht vollen Einsatz und das, was man salopp ein „hippologisches Kaviarbrötchen“ nennen könnte: „Beim Hallengeländeritt sattle ich zum ersten Male ein Nachwuchstalent, die erst siebenjährige Stute Corazon, die einer Familie aus der Schweiz gehört. Ich verspreche mir für die Zukunft sehr viel von diesem Pferd.“

Wie sich Michael Jungs „Herzstute“ schlägt, wird man sehen – die Konkurrenz, neunzehn Reiter aus acht Nationen, wird ihm das Siegen schwer machen: Ingrid Klimke, die ihn bei der Europameisterschaft auf Platz zwei verwiesen hat, steht mit auf der Startliste, aber auch Jungs australische Schülerin Isabel English, ebenso Peter Thomsen, Klimkes Teamkamerad aus der Goldequipe von Hongkong.

Stuttgart ist eines der Lieblingsturniere

Apropos Schleyerhalle. Obwohl der Reitmeister Michael Jung seit 2009 zur Weltspitze der Buschreiter gehört und obschon der Profireiter mit der Jockeyfigur seither bei jedem Championat Titel und Medaillen gewonnen hat – so cool und abgezockt, wie man denken könnte, ist er denn doch nicht: „Beim Reinreiten in die Schleyerhalle krieg’ ich immer wieder eine Gänsehaut, obwohl ich schon so oft hier gestartet bin. Dieses Turnier ist für mich immer etwas Besonders – wahrscheinlich, weil meine Familie und meine Freunde da sind und viele aus dem Land, die ich kenne und die mich kennen. Stuttgart ist eines meiner Lieblingsturniere.“

Gleichwohl, viel freie Zeit für seine Fans wird der ehrgeizige Ehrenbürger von Horb nicht haben, denn für die attraktiven und auch lukrativen Springen wird Michael Jung drei Pferde satteln: Daily Impressed beim baden-württembergischen Hallenchampionat, Chelsea und Solution in der internationalen Tour. Nur der Start im Großen Preis von Stuttgart, dem Weltcupspringen, bleibt ihm verwehrt: „So weit sind meine jungen Pferde noch nicht – aber das kommt noch.“