In Teilen des Landes werden über 40 Grad gemessen. Die Regierung in Paris hat vorsorglich Schulen schließen lassen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Ein großer, dunkelroter Fleck liegt über dem Zentrum Frankreich. 40 Grad werden dort auf der Wetterkarte im Fernsehen angezeigt. Seit Tagen wird das Land von einer Hitzewelle heimgesucht, in deren Verlauf längst alle Rekordtemperaturen gebrochen worden sind. Mit 45,9 Grad Celsius wurde am späten Freitagnachmittag der höchste jemals in Frankreich gemessene Wert registriert, wie das Meteorologie-Institut Météo France mitteilte. Er wurde aus Gallargues-le-Montueux im südlichen Département Gard gemeldet. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde für vier Regionen rund um Marseille und Montpellier im Süden von Frankreich wegen der Hitze die Warnstufe vier ausgerufen. In den Schlagzeilen der Zeitungen ist nur noch von „canicule“ (Gluthitze) zu lesen, die Steigerung von „chaleur“ (Hitze).

 

Die Hitze wird zur Staatsaffäre

Die Hitze ist in Frankreich längst zu einer Staatsaffäre geworden. Der Präsident und Premierminister melden sich zu Wort und mahnen zur Vorsicht. Die Kritik der Opposition an der Regierung lässt nicht auf sich warten, ihr gehen die Maßnahmen aus Paris viel zu weit. Doch nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2003 sind die Politiker vorsichtig geworden. Damals sind während einer außergewöhnlichen Hitzewelle 15.000 Menschen gestorben, verantwortlich gemacht wurde dafür auch die zögerlich agierende Regierung.

Aus diesem Grund wurden nun 4000 Schulen geschlossen, weil sie nicht für sichere Bedingungen ihrer Schüler sorgen konnten. Lehrkräfte an der Victor-Hugo-Grundschule in Colombes nahe Paris behielten die Kinder den ganzen Tag im Freien und bespritzten sie mit Wasser. „Ich sorge dafür, dass sie mit Büchern auf den Spielplatz gehen, im Schatten“, sagte Lehrerin Valerie Prevost. „Sie müssen sitzen bleiben, sie bleiben regelmäßig hydriert.“

An den Mittelschulen wurden kurzerhand die Prüfungen um eine Woche verschoben, weil die Belastung den Schüler nicht zuzumuten sei. Elisabeth Borne, Ministerin zuständig für Transportwesen, hat die Franzosen aufgefordert, nicht schon an diesem Wochenende in die beginnenden Ferien zu fahren. Wegen der Hitze komme es auf den Autobahnen und vor allem auch im Schienenverkehr zu erheblichen Störungen.

Fahrverbote werden ignoriert

In Großstädten wie Paris wurde ein Fahrverbot für ältere Autos verhängt – das tägliche Verkehrschaos bleibt trotz dieser Anordnung in der französischen Hauptstadt allerdings dennoch nicht aus. Abgehalten werden die Autofahrer auch nicht von der Tatsache, dass wegen der Hitze der Grad der Luftverschmutzung in den Innenstädten steil ansteigt.

Vom französischen Gesundheitsministerium wurde eine kostenlose Info-Hotline zum Thema Hitze eingerichtet. Dort können sich die Anrufer unter anderem Tipps holen, wie man sich am besten schützt. In vielen Städten werden die Behörden auch selbst aktiv und rufen besonders bedürftige, vor allem ältere Menschen an, um regelmäßig nachzufragen, ob es ihnen gut geht.

Brunnen werden zu Freibädern

In Paris sind auf vielen Plätzen inzwischen Wassersprinkler aufgestellt, die von den Passanten gerne für eine erfrischende Dusche genutzt werden. Die meisten Brunnen sind von den Einwohnern längst zu öffentlichen Badeanstalten umfunktioniert worden. Sehr gut besucht sind auch die gut klimatisierten Kaufhäuser in der Innenstadt und die Zeitungen veröffentlichen Listen mit den Métro-Linien, deren Züge eine Klimaanlage haben.

Die extreme Hitze hat in Südfrankreich auch Dutzende Waldbrände ausgelöst. Beim größten Feuer in Saint Gilles et Garons brannten 150 Hektar Wald nieder. Rund 100 Feuerwehrleute und mehrere Löschflugzeuge waren im Einsatz. Im Département Vaucluse kämpften 200 Feuerwehrleute gegen einen Fabrikbrand, der auf angrenzendes Buschland übergriff. Mindestens zehn Feuerwehrleute erlitten bei den Löscharbeiten einen Hitzschlag und mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Die Autobahn zwischen Orange und Avignon war wegen des Brandes zeitweise gesperrt.

Der Blick auf die Wetterkarte macht den Franzosen wenig Hoffnung, dass die „canuicule“ in den nächsten Tagen definitiv zu Ende geht. Zwar schieben sich vom Atlantik her einige Schleierwolken in Richtung Festland, für wirkliche Abkühlung werden sie allerdings nicht sorgen.