Mit so viel Regen über die Weihnachtstage hatte in England kaum einer gerechnet: Städte und Dörfer stehen unter Wasser, Tausende sitzen in Notunterkünften. Den Rettern fehlt es an Sandsäcken. Jetzt muss das Militär eingreifen.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Nach heftigen Regenfällen über Weihnachten haben schwere Überschwemmungen den Norden Englands heimgesucht. Diesmal erreichten die Fluten auch Großstädte wie Manchester, Leeds und York. Tausende von Einwohnern mussten ihre Wohnungen räumen, um sich in Sicherheit zu bringen. Weite Landstriche der Grafschaften Lancashire und Yorkshire standen am Sonntag unter Wasser. Überall waren Flüsse über die Ufer getreten, nachdem an den Weihnachtsfeiertagen binnen weniger Stunden Rekord-Niederschläge niedergegangen waren.

 

Ortschaften wurden von ihrer Umgebung abgeschnitten und Brücken und alte Gebäude von den reißenden Fluten einfach weggeschwemmt. Militär und Notdienste waren im Einsatz, um Bewohner aus ihren Häusern zu retten. Altersheime wurden evakuiert. Hunderte Eingeschlossener mussten mit Schlauchbooten geborgen werden. Einige Autofahrer steckten in Fahrzeugen fest, die plötzlich von den Fluten erfasst und mitgerissen wurden. Mehrere Warnungen vor Lebensgefahr wurden von den Behörden ausgegeben. Insgesamt gab es mehr als 300 Flutwarnungen, als sich die neue Katastrophe ankündigte.

Landstraßen verschwinden im Wasser

Sportveranstaltungen wurden abgesagt, nachdem vielerorts Landstraßen unter dem Wasser verschwunden waren. Ein Autobahnabschnitt der M 62 im Raum Manchester musste geschlossen worden, als sich mit einem Mal ein riesiger Krater im Asphalt auftat. Ebenfalls in der Nähe von Manchester wurden eine 200 Jahre alte Mühle und ein historisches Pub am Fluss Irwell weggeschwemmt. Glücklicherweise befand sich niemand in den Gebäuden, als sie in sich zusammen brachen.

Anderswo fanden sich Landbewohner über längere Zeit in ihren Häusern eingeschlossen. In der Yorkshire-Ortschaft Todmorden am Fluss Calder berichtete eine Frau, sie sitze „mit drei Hunden, fünf Katzen und 25 Schildkröten“ im oberen Stockwerk ihres Hauses fest. „Es ist wie in Noahs Arche hier“, erklärte sie Reportern. „Wir haben es geschafft, all unsere Tiere zu retten – plus eine der Nachbarkatzen, die gerade zu Besuch war.“

Zehntausende sind ohne Strom

Zehntausende waren über das Wochenende ohne Strom und manche auch ohne Trinkwasser. Vielerorts fehlte es an Sandsäcken und anderen mobilen Schutzvorrichtungen. Die meisten waren in die nordwestenglische Grafschaft Cumbria geschafft worden, wo es bereits in den vergangenen Wochen zu schlimmsten Überschwemmungen gekommen war und wo man auch diesmal wieder die größten Katastrophen erwartete.

Stattdessen gingen die Güsse aber über den östlicheren Regionen nieder. Dass die Fluten diesmal auch die Stadtzentren von Manchester, Leeds und York erreichten, löste zusätzlichen Alarm aus, in einem eh schon nervösen Großbritannien. Auch Teile von Wales und Schottland waren von Überschwemmungen, stürmischem Wetter und Verkehrschaos betroffen. Auf einigen schottischen Inseln wurde vorübergehend der Fährverkehr eingestellt.

Mitte der Woche droht das nächste Regentief

In den nächsten zwei Tage soll der Regen nachlassen. Mitte der Woche ziehen aber schon wieder gewaltige Stürme und Wolkenbrüche vom Atlantik her. Schon jetzt haben viele nordenglische Gebiete ein historisches Hoch an Niederschlag für den Dezember gemeldet. Der Boden dort ist so vollgesogen und die Bäche und Flüsse so angeschwollen, dass jeder zusätzliche Regen neue Gefahren mit sich bringt.

Der Premierminister David Cameron, der am Sonntag eine Sondersitzung des Notstands-Kabinetts nach Downing Street einberief, versprach den Flutopfern alle nur mögliche Hilfe . Die Umweltministerin Liz Truss meinte, man sehe sich schlicht „überwältigt“ von einer Regenmenge, „wie es sie noch nie gegeben hat“. Die Regierung stellte 40 Millionen Pfund bereit, doch könnte sich der Gesamtschaden auf eine Milliarde Pfund belaufen. Im Jahr 2010 hatte Camerons Regierung im Rahmen ihrer Sparpolitik die Mittel für den Schutz gegen Flutkatastrophen stark beschnitten.