Die Europäische Zentralbank greift den Banken und der Wirtschaft unter die Arme. Der Zinssatz, zu dem sich die Banken von der EZB Geld leihen, sinkt auf 0,75 Prozent – ein historisches Tief.

Frankfurt - Im Kampf gegen Schuldenkrise und Konjunkturflaute hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) zu einer historischen Zinssenkung durchgerungen. Der Rat der EZB senkte den Leitzins für die Währungsunion auf 0,75 Prozent und unterschritt damit die bis dahin – zumindest in Deutschland – als Tabu geltende Marke von einem Prozent. Die Entscheidung fiel einstimmig, damit erteilte auch Bundesbankchef Jens Weidmann der Null vor dem Komma seinen Segen. Wie die Notenbank in Frankfurt weiter mitteilte, sinkt darüber hinaus der Zinssatz, den Banken von der EZB gutgeschrieben bekommen, wenn sie bei ihr Liquidität parken, zum ersten Mal auf null von zuvor 0,25 Prozent. Es lohnt sich damit für die Banker nicht mehr, überschüssige Liquidität bei der EZB zu parken. Für kurzfristigen Kredit von der Notenbank müssen die Geldhäuser künftig nur noch 1,5 Prozent berappen. Bisher waren es 1,75 Prozent.

 

Doch auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Ratssitzung machte EZB-Präsident Mario Draghi deutlich, dass die Notenbank nicht alle Probleme der Eurozone mit ihren Mitteln lösen kann und will. Hoffnungen an den Finanzmärkten, dass die EZB die schwache Kreditvergabe im Euroraum durch eine weitere Liquiditätsspritze ankurbeln könnte, erteilte er eine Absage. Die um die Jahreswende aufgelegten langfristigen Kreditlinien über insgesamt eine Billion Euro für die Banken benötigten noch Zeit, um zu wirken. „Der Kreditfluss bleibt schwach“, räumte er zwar ein, dies sei aber in Zeiten mit schwachem Wirtschaftswachstum nicht ungewöhnlich. Die Währungshüter gehen allerdings nach wie vor davon aus, dass es im weiteren Jahresverlauf zu einer wirtschaftlichen Erholung kommen wird. Die EZB habe letztlich nur die nötige Liquidität beisteuern können. Doch die Nachfrage bestimme den Markt, fügte Draghi hinzu.

Weidmann betonte, dass die Geldpolitik die Krise im Euroraum nicht lösen könne. „Die Krise ist im Kern eine Vertrauenskrise und Vertrauen kann man mit Geld nicht kaufen. Es muss mühsam erarbeitet werden, indem die Probleme an der Wurzel angegangen werden. Maßnahmen, die die Krise bei ihren Ursachen packen, kann nur die Finanz- und Wirtschaftspolitik ergreifen.“

Draghi begrüßt den Einstieg in eine Bankenunion

Anders als EZB-Präsident Draghi sieht der deutsche Notenbanker die Beschlüsse des EU-Gipfels vom vergangenen Freitag nicht als Durchbruch. Die Beschlüsse ließen einen weiten Interpretationsspielraum offen. Unbeantwortet bleibe vor allem, ob der Maastricht-Rahmen weiterhin Geltung haben soll oder ob ein Mehr an Integration einschließlich der Aufgabe nationaler Souveränität im fiskalischen Bereich angestrebt werde. „Solange dies unklar bleibt, ist die Ankündigung neuer Hilfen kritisch zu sehen; zumal wenn diese weitgehend ohne zusätzliche Bedingungen in Aussicht gestellt und Regeln zum Schutz der Geberländer aufgeweicht werden.“ Das Konzept, das Hilfen als Ultima Ratio gegen strikte Konditionalität und Überwachung vorsehe, werde so weiter aufgeweicht, die Balance zwischen Haftung und Kontrolle wieder ein Stück in Richtung Gemeinschaftshaftung verschoben.

Draghi dagegen begrüßte den beschlossenen Einstieg in eine Bankenunion als großen Fortschritt für Europa. Die Einigung auf eine einheitliche Bankenaufsicht sei ein „ganz wichtiger Schritt“. Ob nur für das globale Finanzsystem relevante Banken, alle Großbanken, oder alle Geldinstitute der Eurozone von einer zentralen Aufsicht kontrolliert werden sollten, sei eine ebenso legitime wie noch offene Frage, sagte er. Der französische Notenbankchef Christian Noyer hatte sich für eine Aufsicht über alle Banken der Eurozone ausgesprochen, während andere Notenbanker nur eine Gruppe größerer Institute ins Auge gefasst hatten. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich beim Eurogipfel dafür ausgesprochen, „unter Einbeziehung der EZB einen wirksamen, einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Banken des Eurogebiets“ zu schaffen.