Der Schweizer Flugpionier und Arzt Bertrand Piccard macht sich ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk: Am 1. März, seinem Geburtstag, startet er den Versuch, mit einem Solarflugzeug die Welt zu umrunden.

Stuttgart - Zwölf Jahre Arbeit eines 80-köpfigen Teams stecken in dem solarenergiebetriebenen Flugzeug, das zurzeit in Abu Dhabi auf seinen Rekordflug wartet. Bertrand Piccard und André Borschberg wollen mit dem einsitzigen Flugzeug, das sie selbst entwickelt haben, einmal die Welt umrunden. Mehr als 35 000 Kilometer wollen die sich abwechselnden Piloten zurücklegen, ohne einen einzigen Tropfen Treibstoff. Stattdessen werden sie die Sonnenenergie nutzen, und das nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht.

 

Die Idee zu diesem Projekt hat Bertrand Piccard 1999 bei seinem letzten Weltrekordflug geboren, als er mit Brian Jones im Heliumballon die Welt umrundete. Am Ende des Rekordfluges waren nur noch wenige Liter Helium übrig. Was wäre gewesen, wenn der Treibstoff nicht gereicht hätte, fragte sich der Arzt und Flugpionier Piccard. Er fasste einen ehrgeizigen Entschluss: die Erde erneut zu umrunden, dann aber ohne Treibstoff und ohne Schadstoffausstoß. 2003 begann Piccard mit der Arbeit, ein Jahr später gründete er mit Brian Jones, dem Testpiloten André Borschberg und Luiggino Torrigiano die Firma Solar Impulse. Das auf zwölf Jahre ausgelegte Projekt ist mit einem Budget von 150 Millionen Schweizer Franken ausgestattet.

Die Innovation steckt beim Rekordflugzeug Solar Impulse 2 im Detail (für eine größere Ansicht klicken Sie auf die Grafik)

Extrem schwierig zu fliegen: Die Solar Impulse 2

Mit diesem Geld haben die Partner ein höchst ungewöhnliches Flugzeug gebaut, besser zwei Flugzeuge: Die beiden Exemplare von Solar Impulse übertreffen einen Jumbo Jet an Spannweite, das Gewicht ist aber mit dem eines Geländewagens vergleichbar. Aufgrund der Größe ist das Gerät extrem träge und deshalb auch äußerst schwierig zu fliegen. Gleichzeitig reagiert es empfindlich auf Böen, und es ist  mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 100 Stundenkilometern nicht besonders schnell – und doch soll damit die spektakuläre Tour rund um den Globus gelingen.

Der Aufwand steckt nicht in der Ästhetik, sondern in jedem Detail der Konstruktion: in den extrem dünnen Solarzellen, die die Tragflächen bedecken; in dem Lack, der sie vor der UV-Strahlung schützt; in den Lithium-Polymer-Batterien und den Motoren, die durch einen Effizienzgrad glänzen, der dem von Verbrennungsmotoren weit überlegen ist; und vor allem in den neuen Kohlefaserverbundstoffen, durch die viel Gewicht gespart werden konnte.

Trotz dieser beeindruckenden Effizienzsteigerung wäre der Flug nicht möglich, wenn nicht auf einen Trick zurückgegriffen würde: Tagsüber steigt das Flugzeug auf eine Höhe von 8500 Metern, nachts geht es wie ein Segelflugzeug in den Sinkflug bis auf 1500 Meter – und setzt so die gewonnene Höhe wieder in Energie um.

Die Schwachstelle des Projektes ist nicht das Flugzeug

Fünf Tage dauern die längsten Etappen, ehe eine Zwischenlandung erfolgt. In diesen fünf Tagen wird der Pilot, der jeweils alleine an Bord ist, tagsüber eine Sauerstoffmaske tragen. Denn es gibt keinen Druckausgleich in der Kabine. Komfortabel wird der Flug ohnehin nicht werden: ein Schutz gegen Hitze und Kälte ist nur bedingt möglich und der Sitz wird als Bett und Toilette dienen. Nur zwei Stunden Schlaf sind während der fünf Tage vorgesehen, verteilt auf kleine Nickerchen von 20 Minuten. Die größte Herausforderung, so hat André Borschberg betont, sei nicht technischer Natur. „Das Flugzeug kann ohne Unterbrechung einen Monat lang fliegen“, sagte er. „Die Frage ist: Wie lange hält der Pilot durch?“ Beide bereiten sich mit einer Mischung aus Selbsthypnose, Meditation und Yoga auf die Strapazen während der fünfmonatigen Reise um die Welt vor.

Die geplante Route ist dabei eine Gratwanderung: Sie soll durch Gebiete mit viel Sonneneinstrahlung, aber auch durch solche mit so wenig Turbulenzen wie möglich führen. Jede Böe kann angesichts der großen Spannweite und der daraus resultierenden Hebelwirkung zur Gefahr werden. Zur Erinnerung: die amerikanische Weltraumbehörde Nasa hat 2003 ihr Solarflugzeug Helios, das eine ähnlich große Spannweite besaß, bei einem Testflug in der Nähe von Hawaii verloren – Turbulenzen hatten zu unkontrollierbaren Schwingungen und zum Absturz geführt. Das Team von Solar Impulse hat daraus gelernt. Das Flugzeug verfügt über ein Frühwarnsystem: Dieses warnt den Piloten über ein Armband, wenn die Querneigung zu groß wird.

Die Branche setzt auf andere Energiequellen

Trotz allen Aufwandes ist die Bedeutung des Fluges für die Weiterentwicklung einer sauberen Technik in der Luftfahrt nur symbolischer Natur. Sonnenenergie liefert nicht mehr als 1367 Watt pro Quadratmeter. Die Ausbeute an Energie werde bei Solarzellen daher nie ausreichen, um Personen transportieren zu können, sagt Len Schumann vom Institut für Flugzeugbau an der Uni Stuttgart. Dessen Solarflugzeug Icaré hat einst Rekorde aufgestellt. Schumann organisiert das Symposium „Elektrisch und emissionsfrei fliegen“, zu dem nächste Woche Experten nach Stuttgart kommen. Von wissenschaftlichem Interesse, sagt Schumann, sei eher, mit welchen neuen Bauweisen und Materialien das Team die Grenzen der Physik auslote.

Auch Bertrand Piccard, der am 1. März 57 Jahre alt wird, ist schon darauf angesprochen worden, wie Solar Impulse die Luftfahrt voranbringe. Er hat darauf eine andere Antwort parat: Auf den Mond sei man einst nicht geflogen, um dort Hotels zu bauen, sondern um die Menschen zu inspirieren – und das sei auch sein Ziel.