Um auf die große Bedeutung von Rollatoren hinzuweisen, hat Graziella Scaricamazza aus Markgröningen zu einem Weltrekordversuch aufgerufen – die Resonanz ist überwältigend.
„Wenn wir in Markgröningen schon einen Rekord brechen, dann richtig.“ Damit hat der Bürgermeister Jens Hübner den Nagel auf den Kopf getroffen: 59 Menschen haben vor einigen Monaten in Eberswalde die, nach eigenen Angaben, längste Rollatorenkette der Welt gebildet. In Markgröningen waren es nun sage und schreibe 92 Menschen, die zusammengekommen sind, um gemeinsam einen neuen Rekord aufzustellen.
Ob ihnen das gelungen ist, darüber wird demnächst das Deutsche Rekordinstitut entscheiden. Doch die Zeichen stehen gut, alle Vorgaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. Und die Organisatorin, Graziella Scaricamazza von der Begegnungsstätte Markgröningen, ist schlichtweg begeistert von der Resonanz und dem Ergebnis.
Die Sitzreihe wird länger und länger
Sie möchte mit der Aktion die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf den Alltagshelfer auf vier Rädern richten – und mehr Akzeptanz dafür schaffen. „Ein Rollator ist keine Einschränkung, wie viele meinen, sondern eine Bereicherung. Denn er macht die Menschen mobil.“
So viel ist mal sicher, schaut man sich am Freitagnachmittag in der Stadthalle um. In einer langen Reihe sitzen bereits zahlreiche Menschen, vornehmlich Seniorinnen und Senioren, mit ihren Rollatoren, und ständig kommen neue dazu. Die Organisatoren müssen einen Stuhl nach dem nächsten aufstellen, die Sitzreihe wird länger und länger und führt am Ende bis hinein in den Eingangsbereich.
Manche Sitznachbarn begegnen sich zum ersten Mal – und nutzen die Aktion fürs Kennenlernen und einen freundlichen Plausch. Brigitte Steiger und Iris Heidenreich kennen sich dagegen schon länger, beide besuchen gerne und regelmäßig die Begegnungsstätte mit ihren vielen Mitmachangeboten. „Frau Scaricamazza macht das immer super und ist so eine wunderbare Person, da lassen wir sie natürlich nicht im Stich“, nennt Brigitte Steiger den Grund, warum sie heute hier ist.
Andere möchten einfach das Event genießen, zusammenkommen und Bekannte treffen, wieder andere möchten gemeinsam ein Zeichen setzen und die Aufmerksamkeit auf das Thema Mobilität im Alter legen. „Irgendwo muss man den Leuten ja zeigen, dass es doch einige sind, die mit dem Rollator unterwegs sind“, findet Elke Voigt, die mit ihren Freundinnen Ursula Hermann und Herta Höhrer gekommen ist. Von Treppen im öffentlichen Raum bis hin zu Bürgersteigen ohne abgeflachte Stellen – es gebe viele Dinge, die für weniger mobile Menschen zum Hindernis werden können.
Rollatoren sind „keine Frage des Alters“
Dass Mobilität dank der Rollatoren „keine Frage des Alters“ sein muss, wie es Graziella Scaricamazza formuliert, haben zwei Besucherinnen eindrücklich bewiesen: 96 Jahre alt sind die beiden ältesten Teilnehmerinnen Margot Beck und Rosemarie Trautwein.
Gegen 14.30 Uhr ist es soweit: Alle Teilnehmenden gehen in Stellung. Die Vorgabe des Deutschen Rekordinstituts lautet: Jedes Glied der Kette muss drei Minuten lang stehen bleiben. Kein Problem offenbar für die Senioren in der Stadthalle. Jens Hübner darf den Start mit einem lauten Pfiff einläuten.
Als nach drei Minuten der zweite Pfiff ertönt und die Organisatoren die Reihen einmal mit dem Maßband abgelaufen sind – fast 53 Meter ist die Kette lang –, kommt die Nachricht, auf die alle gewartet haben: Der Weltrekord ist geknackt! Zwar unter Vorbehalt, bis die Bestätigung des Rekordinstituts abschließend da ist, der Stimmung vor Ort tut das aber keinen Abbruch.
Wobei das mit dem bisherigen Weltrekord ohnehin so eine Sache war, verrät Graziella Scaricamazza. „Die Aktion in Eberswalde wurde nie von einem offiziellen Institut anerkannt.“ So gesehen gab es also eigentlich keinen Rekord zu brechen, sondern nur einen aufzustellen. Trotzdem war es den Veranstaltern wichtig, dass mindestens 60 Leute mitmachen. Dass es am Ende mehr als 90 geworden sind, hat sie selbst überrascht.
„Rollatoren fördern die Selbstständigkeit“
„Ursprünglich hatte ich einfach nur einen Aktionstag zum Thema ,Mobil mit Rollator‘ geplant“, erzählt Graziella Scaricamazza. Als sie im Gespräch mit potenziellen Sponsoren und Mitveranstaltern für den Aktionstag von dem Rekord in Eberswalde erfuhr, war für sie bald klar: So etwas soll es auch in Markgröningen geben.
Ein Jahr hat die Vorbereitung gedauert, doch es hat sich gelohnt. Für den Rekord in jedem Fall, aber, so hofft sie, auch für ihr wichtigstes Anliegen: Rollatoren gesellschaftlich in ein positives Licht zu rücken. „Rollatoren fördern die Selbstständigkeit“, betont sie. „Damit sind sie kein Symbol von Schwäche, sondern von Stärke.“