Viele dachten, dass Holstein Kiel körperlich und mental nach seinem Mammutprogramm nicht mehr aufstehen würde. Das hat sich jetzt im ersten Relegationsspiel gegen den 1. FC Köln ganz anders gezeigt. Aber zu sicher fühlen sich die Norddeutschen nicht.

Köln - Nach der von vielen nicht für möglich gehaltenen Wiederauferstehung seines Teams wollte Ole Werner keinen Druck auf seine körperlich ausgelaugten Spieler machen. Ganz nach dem Motto: Der Aufstieg ist keine Pflicht. „Der Druck liegt bei Köln“, sagte der Trainer von Holstein Kiel nach dem 1:0 (0:0) im Relegations-Hinspiel beim 1. FC Köln: „Wir sind Zweitligist. Wenn was dazukommt, ist es gut. Wenn nicht, bleibt alles beim Alten.“

 

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Das wäre grundsätzlich alles andere als ein Versagen, wäre nach einer großartigen Saison der Störche mit dem Halbfinal-Einzug im Pokal, nach einem Coup gegen den FC Bayern München und einer fulminanten Aufholjagd nach doppelter Corona-Quarantäne aber doch extrem bitter. Da er mehrmals erlebt hat, wie schnell sich alles drehen kann, widerstand Werner auch der Verlockung, sich vor dem Rückspiel am Samstag in Kiel nur ansatzweise sicher zu fühlen.

Kein Matchball

„Es ist noch kein Matchball. Es ist gerade erst Halbzeit“, sagte der 33-Jährige, dessen Team durch zwei Niederlagen im Saison-Finale den Aufstieg in die direkten Bundesliga zunächst verspielt hatte: „Es wird bis zur letzten Sekunde heiß bleiben. Wir wissen um die Schwere der Aufgabe.“

Nach der körperlichen und mentalen Belastung in einem Monat voller Nachholspiele, hatten die meisten Experten ein halbwegs leichtes Spiel für die zudem durch eine kleine Aufholjagd euphorisierten Kölner erwartet. Doch die Kieler zeigten ihre Zähigkeit. „Wir haben mit letzter Leidenschaft verteidigt“, lobte Werner.

Die Ableitung, dass sein Team das in den vorherigen beiden Spielen nicht getan habe, verärgerte den jüngsten Cheftrainer im deutschen Profi-Fußball aber. „Es ist bei Euch immer so, dass Ihr auf die Anzeigetafel schaut und dann war es eben ein gutes oder schlechtes Spiel“, schimpfte er gegenüber den Journalisten: „In Sachen Herz und Leidenschaft habe ich keinen Unterschied gesehen.“

Ein Märchen

Routinier Fin Bartels (34), dessen Rückkehr in die Heimatstadt zum Karriereende als kleines Fußball-Märchen enden könnte, bestätigte aber, dass Werner nochmal die Sinne der Spieler geschärft hatte. „Es war tatsächlich so, dass wir uns noch mal extra drauf fokussiert haben, nicht wieder die ersten Minuten der zweiten Halbzeit zu verpennen.“ Bartels’ Analyse der Ausgangssituation war aber fast deckungsgleich mit der seines Trainers. „Der halbe Weg, die erste Etappe ist gegangen“, sagte er: „Aber es ist noch ein weiter Weg.“