Wie können Religionen zu Frieden beitragen? Oder sind sie eine Quelle von Unfrieden? Darüber diskutierten einige ihrer Vertreter jetzt am Tag der Religionen im Stuttgarter Rathaus – und waren sich in einem zentralen Punkt einig.
Religionen als Friedensstifter. Beim Blick in die Welt und in die Weltnachrichten möchte man hinter diesen Satz ein dickes Fragezeichen machen. Gleichzeitig bemühen sich Religionsvertreter, die Aussage mit einem Ausrufezeichen zu versehen. Gerade hier, in Stuttgart, im Kleinen. „Wo manche Hass und Abgrenzung predigen, setzen wir darauf, dass Religionen zu Verständigung, Integration und Frieden beitragen können und sollen“ – heißt es in der Einladung des Stuttgarter Rats der Religionen zu einem Podiumsgespräch im Rathaus.
Diesem 2015 gegründeten Forum gehören aktuell 21 Religionsgemeinschaften an. Sein Ziel ist es, „Kontakt, Verständnis und Dialog der Religionen in Stuttgart untereinander und mit der Stadtgesellschaft zu fördern“. Die Mitglieder wollten nicht Weltpolitik machen oder gegenseitig missionieren. „Es geht um die Frage: Wie kommen wir hier gut miteinander klar?“ So formuliert es der katholische Stadtdekan Christian Hermes, der die Runde moderiert. Auf die Antworten sind mehr als 100 Gäste gespannt.
Der Rat der Religionen – „unverzichtbaren Teil der Stadtgesellschaft“
Fünf der Religionsgemeinschaften sind an dem Abend vertreten: zwei muslimische Gemeinden (Ahmadiyya Muslim Jamaat und Islamische Gemeinschaft), zwei christliche (katholische Kirche und Christengemeinschaft) und die jüdische Gemeinde. Dazu die in Tübingen ansässige, nach Schnittmengen suchende Stiftung Weltethos, die sich als „Friedensprojekt für religiöse und nicht religiöse Menschen“ versteht. Stuttgart scheint für einen solchen Austausch ein gutes Pflaster zu sein. Bürgermeister Clemens Maier, der auch Religionsbeauftragter der Stadt ist, betont, wie wichtig es gerade heute sei, „dass der interreligiöse Dialog geführt wird“. Den Rat der Religionen nennt er einen „unverzichtbaren Teil der Stadtgesellschaft“.
Wo sind sie, die verbindenden Elemente? Hermes nennt „die Liebe“, wie sie das Christentum predigt, aber auch der Islam. „Liebe für alle, Hass für keinen“, lautet das Credo der muslimischen Ahmadiyya Muslim Jamaat. Ihr Repräsentant Kamal Ahmad nennt das die „Kernlehre“, die von den Menschen leider immer wieder aufgeweicht werde. Ja, wenn die Menschen nicht wären, die sich seit Kain und Abel Leid zufügen. Zugleich enthält der tödliche Bruderzwist nach muslimischer Lesart die Aufforderung, menschliches Leben zu respektieren, worauf Zineta Subasic von der Islamischen Gemeinschaft hinweist. Ebenso auf die Friedensbotschaft. Salam/Friede stecke schon im Wort Islam. „Frieden ist der Sinn der Sache“, sagt sie.
„Streit und Hass gehen von Menschen aus“
Die Probleme entstünden, wenn Religion für andere Zwecke benutzt werde. Auch für Martin Merckens von der Christengemeinschaft, einer christlichen Strömung, die der Anthroposophie nahesteht, gehen Streit und Hass nicht von den Religionen aus, „sondern von den Menschen“. Sie sollten jedoch „Friedensstifter“ sein. Für Michael Kashi von der jüdischen Gemeinde ist die Formel „Shalom“ in erster Linie ein Gruß. Er hat einen eher nüchternen Blick auf die Dinge, die oft kompliziert liegen und mit Politik verwoben sind, und fragt sich, ob Jüdischsein eher eine Religion ist oder eine Lebensweise?
Einig sind sich die fünf Repräsentanten, dass es notwendig ist, sich zuzuhören und sich auszutauschen. Wo sonst ginge das besser als auf lokaler Ebene? „Die globale Situation belastet uns alle, die Wirklichkeit ist gerade nicht schön“, sagt Zineta Subasic. „Deshalb ist es wichtig, dass wir hier sitzen und reden. Schweigen ist keine gute Idee.“ Das müsse verstärkt auch in den Schule geschehen, ehe sich Konflikte herausbilden, die unbearbeitet blieben. Hermes nimmt das auf und leitet daraus ein „Zauberwort“ ab: Es ist „das Gespräch“. Der Rat der Religion will dafür ein zentrales Forum sein und die Stiftung Weltethos mitwirken, dass weitere solcher Räte entstehen, weil sie eine enorme Wirkung in die Stadtgesellschaft hinein haben könnten, wie Lena Zoller sagt. Landesweit gibt es bislang 13 solcher Räte.
Manchmal stößt man damit jedoch auch an Grenzen. So weist der Rat der Religionen in Stuttgart bis heute eine Leerstelle auf: „Trotz intensiver Bemühungen ist es uns nicht gelungen, eine arabischsprachige Moschee-Gemeinschaft dafür zu interessieren“, räumt Hermes ein. Da ist guter Rat teuer.