Ein Landwirt aus Kernen hat in der Nacht auf Dienstag in seinem Obstgarten 120 Kerzen entzündet. Sein Kollege aus Großheppach setzt in der gleichen Angelegenheit auf eine App.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Kernen/Weinstadt - Fast noch mehr als das Coronavirus bereitet den Obstbauern in der Region Stuttgart zurzeit eine andere Naturgewalt schlaflose Nächte – zumindest aus unternehmerischer Sicht. Die Ernte der früh blühenden Bäume ist in Gefahr, nächtliche Minusgrade könnten die Blüten buchstäblich kalt erwischen.

 

Wenn der Wecker um zwei Uhr nachts klingelt

Bei „Wilhelm’s Obst- und Weinbau“ in Kernen-Stetten versucht man Väterchen Frost deshalb zurzeit mit Paraffinkerzen einzuheizen. Angesichts der Wetterprognosen hat sich Martin Wilhelm in der Nacht auf Dienstag eigens auf 2 Uhr den Wecker gestellt. Zuvor hatten er und seine Frau Simone 120 der Kerzen rund um ihre Kirsch- und Zwetschgenbäume aufgestellt, die nach den frühlingshaften Temperaturen der vergangenen Tage bereits ihre Knospen geöffnet hatten. „Wir haben zunächst noch ein wenig abgewartet“, berichtet Martin Wilhelm, „als das Thermometer gegen 3 Uhr aber minus vier Grad angezeigt hat, haben wir die Kerzen angezündet.“

Der Erfolg der Maßnahme ist noch nicht abzusehen

Fast eine Stunde habe es gedauert, bis alle Einheizer auch tatsächlich entzündet waren. Das man so lange gezögert hatte, hat auch damit zu tun, dass die Maßnahme nicht gerade günstig ist. „So eine Kerze hält für maximal zehn Stunden“, erläutert Wilhelm. Gegen 8 Uhr, als das Thermometer auf minus ein Grad geklettert war, wurden sie wieder gelöscht.

Etwa ein halber Hektar Fläche ist auf diese Weise „angewärmt“ worden. Ob die Maßnahme tatsächlich etwas gebracht hat, müsse sich erst noch zeigen. „Das kann man jetzt noch nicht sagen“, sagt Martin Wilhelm.

Ein paar schlaflose Nächte werden die Wilhelms wohl noch durchstehen müssen. Zwar hofft Martin Wilhelm, dass er nicht jede Nacht wird Kerzen anzünden müssen  – wenn es nicht sternenklar sei, werde es erfahrungsgemäß nicht mehr ganz so kalt –, aber kontrollieren will das Ehepaar das schon. Man habe allerdings vereinbart, sich wenigstens abzuwechseln.

Frühwarnsystem auf das Handy

Ihr Kollege Martin Bauer aus Weinstadt-Großheppach setzt als Frostfrühwarnsystem mittlerweile auf sein Handy. Früher sei er immer losgefahren und habe mittels seines Autothermometers abgeschätzt, ob seine Erdbeerfelder abgedeckt werden müssen oder nicht. Die Entscheidung ist eine mit nicht unerheblichen finanziellen Folgen: Das einmalige Abdecken mit Vliesplanen kostet etwa 4000 Euro. 20 Mitarbeiter sind einen Tag lang damit beschäftigt. Würde er das aber nicht machen, und es wird fünf Grad Minus oder kälter, wäre allerdings ungefähr das hundertfache an Kosten fällig.

Diese Entscheidung kann Bauer seit drei Jahren nun besser einschätzen. Auf seinen Feldern sind Sensoren eingebaut, mit denen sich der Zustand seiner Pflanzen über eine App auf seinem Smartphone bequem von zuhause aus kontrollieren lässt. Die Sensoren melden einerseits die Bodenfeuchte und informieren den Landwirt, wenn der Boden zu trocken ist. Zum anderen messen sie die Lufttemperatur und die Luftfeuchtigkeit und berechnen daraus die Bodentemperatur. Martin Bauer hat dieser Tage die Notbremse gezogen und das Vlies auslegen lassen. „Ich glaube, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt er.

Eines hingegen können auch die Sensoren nicht leisten: Die Ernte muss gemacht und das Obst zu den Leuten gebracht werden – in Corona-Zeiten ist das ein schwieriges Unterfangen. Für seine insgesamt 25 Verkaufsstände habe er mittlerweile weitgehend Personal rekrutieren können. Spannend werde es hingegen in drei bis vier Wochen, wenn die ersten Erdbeeren eingeholt werden sollten. Auf seiner Internethomepage (www.obsthofmartinbauer.net) hat Bauer unlängst einen Aufruf gestartet, der ihn ein wenig hoffnungsfroh stimmt. Wider Erwarten habe er darauf schon einige Rückmeldungen erhalten.