Landwirte und Waldbesitzer sehen das Comeback des Bibers mit gemischten Gefühlen. Ein Experte begreift es auch als Chance – zum Beispiel bei der Renaturierung von Flüssen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Rems-Murr-Kreis - Die Vorderpfoten angewinkelt, als wolle er einen leckeren Holzpflock zum Knabbern festhalten, blickt der Biber aus seinen dunklen Knopfaugen in die Runde. Die schaut zurück – durchaus angetan, aber auch skeptisch. Denn die Mitglieder der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald wollen sich unter anderem darüber schlau machen, ob sie wegen des Nagers um ihre Holzbestände und Hochwasserschutzbecken fürchten müssen.

 

Von dem Exemplar vor ihnen geht ganz sicher keine Gefahr aus – es ist ausgestopft. Aber auch von lebendigen Bibern, betont Rainer Allgöwer, gingen weniger Risiken als Chancen aus. Allgöwer kennt sich aus in der Biberwelt: Der Diplombiologe arbeitet als Bibermanager des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart. Das Amt wurde aus gutem Grund geschaffen: Die Biber kommen wieder. Einst in ganz Europa großflächig ausgerottet, zeigen heute Schutzmaßnahmen und Aussetzungen ihre Wirkung. Von Bayern her breiten sich die Tiere immer weiter nach Westen aus. Also auch nach Baden-Württemberg (siehe Infokasten „Biber in Baden-Württemberg“).

Zwei überfahrene Biber im Rems-Murr-Kreis

In den Rems-Murr-Kreis strecken die possierlichen Nager ebenfalls ihre Barthaare aus. Kein Wunder: in dem Landkreis sind im Vergleich zu anderen Regionen des Landes relativ viele Flüsse naturnah belassen. Hier wäre also gut Biber sein, die rund 200 Kilometer Fließstrecke der Gewässer könnten für bis zu 330 Bibern eine Heimat bieten. In den vergangenen beiden Jahren sind auch zwei Tiere gesichtet worden – allerdings als Opfer des Straßenverkehrs. Eines beispielsweise ist nun im Murrhardter Carl-Schweizer-Museum zu sehen.

„Die Biber haben den Landkreis im Visier – da wird einiges auf uns zukommen“, erklärt Allgöwer. „Der Mensch hat seit vielen Generationen verlernt, mit dem Biber zu leben.“ Durch die Ausbreitung des Menschen sind einige Konflikte vorauszusehen. Aus anderen Landkreisen hat Allgöwer Erfahrung: Er berichtet von Biberfamilien, die verzweifelt versuchen, in einem Parkhaus Unterschlupf zu finden, und mit Polizeieskorte zum Wasser begleitet werden. Von Tieren, die in Kläranlagen ertrinken. Oder von denen, Dammbauern, die Felder und Straßen untertunneln, Bäche zu Seen aufstauen oder durch ihren großen Appetit Schäden auf Feldern anrichten.

Trotz alldem ist Allgöwer überzeugt: Ein Miteinander von Mensch und Biber ist möglich. Durch die Bauten lassen sich Drainagen legen, die das Wasser abfließen lassen. „Die Dämme sind sogar eine billigere Alternative zur teuren maschinellen Renaturierung. In Amerika werden dafür tatsächlich künstliche Biberdämme gebaut“, erklärt er.

Jagd auf Biber wieder zulassen?

Was die Schäden an Holzbeständen und Feldern angeht, relativiert er: Ein Biber vertilge jährlich rund drei Festmeter Holz jährlich – „wir verheizen doppelt so viel“. Und Fraßschäden an Getreide könnten zu 90 Prozent verhindert werden, indem Landwirte ihre Felder nicht bis an ein Ufer ausbreiteten, sondern einen Uferstreifen von zehn Metern einhielten – zumindest die Hälfte davon sei ohnehin von 2019 an vorgeschrieben.

Einen Biberdamm zu zerstören oder gar die streng geschützten Biber zu jagen, ist strafbar. Es gibt laut Allgöwer aber trotzdem Abhilfen. Stabile Drahtgeflechte könnten zum Beispiel verhindern, dass Uferbereiche untertunnelt werden.

Insgesamt sieht der Bibermanager in der Rückkehr des Nagers weniger eine Bedrohung als Chancen: „Die Biber gestalten die Landschaft und schaffen neue Lebensräume für andere Tier- und Pflanzenarten“, erklärt er. „Davon, die Jagd auf Biber wieder zu erlauben, hält er nichts. In dem Fall sei Ähnliches zu erwarten wie bei den verwandten Nutrias – diese steigerten dann ihre Geburtenrate extrem, um die Verluste auszugleichen.

Das RP Stuttgart bildet seit einiger Zeit ehrenamtliche Biberberater aus, rund 80 davon gibt es bereits. Sie sollen zum Beispiel betroffene Bauern beraten und Lösungen finden, damit das Miteinander von Mensch und Biber gelingen kann.

Biber in Baden-Württemberg

Der für lange Zeit letzte Biber in Baden-Württemberg war wahrscheinlich im Jahr 1856 an der Jagst erlegt worden. In den 1970er-Jahren wurden Tiere in Bayern ausgesetzt, deren Nachkommen allmählich nach Westen wanderten. Bis zum Jahr 1999 lebten im Zuständigkeitsbereich des RP Stuttgart nur rund 50 Biber. Seitdem ist ihre Zahl stetig angestiegen, heute leben in der Region rund 850 Exemplare. In ganz Baden-Württemberg gibt es fast 3000 Biber. Die meisten davon im Raum Tübingen – die Gegend ist gewässerreich und relativ flach, so dass die Fließgeschwindigkeit den Bibern zusagt. Da Biberfamilien ihre Reviere gegen Artgenossen verteidigen, kann ein Gewässer immer nur von einer bestimmten Zahl der Tiere bewohnt werden.

Kurioses Wesen

Der Biber hat einige ungewöhnliche Fähigkeiten und Eigenschaften. So kann er zum Tauchen seine Ohren per Ringmuskel verschließen. Seine Zähne sind nur auf der Vorderseite mit Eisenverbindungen verstärkt – das führt zu ihrer rötlichen Färbung und dazu, dass sie sich von selbst schleifen. Bis zum 19. Jahrhundert wurde der Biber stark bejagt. Das lag vor allem an seinem extrem dichten Fell – aber auch an einem „Bibergeil“ genannten Sekret. Es enthält Salicylsäure aus Baumrinden – diese konnte erst sehr spät künstlich hergestellt werden und steckt als Wirkstoff in Aspirin.