Das Weinstädter Vogelpaar bekommt ein Eigenheim. Das von Menschenhand gebaute Nest aus Weidenzweigen, Stroh und Heu wird mithilfe eines Kranwagens auf den endgültigen Nistplatz in zehn Metern Höhe gehievt.

Weinstadt - Vom Himmel rieseln die Schneeflocken, es ist eisig kalt, und Georg , der heute seinen zwölften Geburtstag hat, packt nicht etwa zu Hause im warmen Wohnzimmer Geschenke aus, sondern steht dick eingemummelt hinter einem Pferdestall in Strümpfelbach und bastelt ein Ostergeschenk für das Weinstädter Storchenpaar: ein Nest aus Weidenzweigen, Stroh und Heu. „Ich find’s cool“, sagt das Geburtstagskind, das gleich noch seinen Freund Lutz als Helfer mitgebracht hat. Insgesamt sieben Kinder stehen um den Anhänger, den Hans Ruff von der Nabu-Gruppe Weinstadt beim Stall abgestellt hat. Darauf liegt der Rohbau des – hoffentlich – zukünftigen neuen Storchendomizils. Ein rundes Metallgestell von etwa 1,30 Meter Durchmesser, in dessen Mitte ein Rost aus Holz liegt. An der Unterseite des Gestänges ist eine Manschette aus Metall befestigt, die über das Ende eines Masts gestülpt und dort festgeschraubt werden kann.

 

Heu und Stroh als Polster

Doch zunächst muss das noch kahle Nest so ausstaffiert werden, dass Herr und Frau Adebar Lust bekommen, einzuziehen. Neben dem Anhänger stapeln sich zwei bis drei Meter lange Weidenzweige, die Hans Ruff am Samstag mit Georg bei Schnee und Eis geschnitten hat. „Einige Leute haben sich gemeldet und Weiden zur Verfügung gestellt.“ Die Zweige müssen nun um das Metallgestänge herumgeflochten werden – ein ziemlich mühseliges Geschäft, vor allem, was die dickeren Exemplare angeht.

Die Enden der Äste sollten etwa 20 Zentimeter nach außen überstehen, erklärt Hans Ruff: „Wenn die Zweige trocknen, dann ziehen sie sich noch ein Stück zusammen.“ Gemeinsam mit Hans Ruff und Peter Köhler fädeln die Kinder Zweig um Zweig um das Gerüst, das Hans Ruff am Montag bei Hans Fröhlich auf der Schwäbischen Alb abgeholt hat. Der sei ein Experte in Sachen Nestbau, erklärt Ruff, der dank der in Weinstadt gelandeten schwarz-weiß gefiederten Überraschungsgäste selbst auf dem besten Wege zum Storchenkenner ist.

Die Kinder verzwirbeln die dünnen Enden der Weiden fein säuberlich, so dass alles schön zusammenhält. Schließlich soll das Storchenheim nicht beim ersten heftigen Windstoß auseinanderfallen. Auf das Geflecht kommt eine Schicht aus kurzen Zweigen, die als Filter dienen. Ruff: „Die Nässe kann so nach unten raussickern.“ Auf die Zweige folgt eine Lage Stroh, obenauf wird feines Heu als Polster verteilt. Das gesamte Material werde am Ende noch festgestampft und so verdichtet, erklärt Hans Ruff: „Die Störche werfen das, was ihnen nicht gefällt, selbst wieder hinaus.“ Man werde in der Nähe noch etwas Reisig deponieren, so dass sich die Tiere zusätzliches Baumaterial besorgen und das Nest nach ihrem Geschmack ausbauen können.

Kalkfarbe täuscht Gebrauchsspuren vor

Ganz am Schluss wollen die Nabu-Leute auf Anraten von Experten noch einen kleinen Trick anwenden, um das Nest noch attraktiver für die Vögel zu machen. „Wir sprühen eine Schicht weiße Kalkfarbe darauf, damit die Störche denken, das Nest sei schon mal bewohnt gewesen“, erklärt Hans Ruff. Die vermeintlichen Hinterlassenschaften der Vormieter seien ein optischer Anreiz für die Tiere, sich im tatsächlich brandneuen Zuhause, das gute 30 Kilo auf die Waage bringt, niederzulassen.

Letzteres wird am heutigen Mittwoch um die Mittagszeit mit der Hilfe eines Kranwagens auf seinen Platz in rund zehn Metern Höhe gehievt. Den ehemaligen Telegrafenmasten hat die Gesellschaft für elektrische Anlagen (GEA) zur Verfügung gestellt und auf einem städtischen Grundstück rund zwei Meter tief in den Boden gerammt. Ganz in der Nähe gibt es einen Bach und sumpfige Wiesen, auf denen die Störche Nahrung finden können, falls sie sich tatsächlich zum Bleiben entscheiden. Hans Ruff ist guter Dinge, dass das Paar in Weinstadt im Remstal brütet. Schließlich seien die beiden seit fast vier Wochen an Ort und Stelle. Erst am Freitag seien die Störche auf einem frisch umgepflügten Acker zwischen Stetten und Endersbach gesichtet worden. Dort hätten sie in den Furchen nach Würmern und Insekten gesucht.

Georg und Lutz sind derweil mit den anderen immer noch beim Flechten. Spätestens um 15 Uhr aber ist Schluss, denn dann feiert Georg endlich seinen Geburtstag.