Sabine Schürmeyer ist seit 35 Jahren Hebamme. Trotz steigender Anforderungen und einer Sieben-Tage-Woche liebt sie ihren Beruf. Unsere Zeitung durfte sie bei Hausbesuchen begleiten.

Rems-Murr-Kreis - Seit Anfang Mai dreht sich bei Familie Pörstel in Waiblingen alles um Tabea – ihr absolutes Wunschkind. Acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin kam die Kleine per Notkaiserschnitt auf die Welt, vor zwei Wochen durften die Eltern ihre Tochter endlich mit nach Hause nehmen. Doch gleichzeitig zogen für Rosemarie und Andreas Pörstel auch viele Unsicherheiten mit ein.

 

Macht es etwa Sinn Tabea zu pucken, wenn sie ohnedies in einem Schlafsack schläft? Mit Pucken wird das Einwickeln von Säuglingen in Tücher bezeichnet, um sie zu beruhigen. Und darf man die etwas raue Haut an der Stirn eincremen oder sollte man das lieber sein lassen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen löchern die beiden Sabine Schürmeyer. Ein bis zwei Mal in der Woche besucht die Hebamme die jungen Eltern nun, so auch an diesem Vormittag.

„Es ist gut, wenn man eine Hebamme hat, die man all das fragen kann. Die Mitarbeiter der Geburtsklinik würden sich nicht gerade freuen, wenn wir jedes Mal bei ihnen anriefen“, sagt Andreas Pörstel, der seine Frau in den ersten Wochen daheim unterstützt. „Es gibt einfach Sicherheit, jemand Erfahrenen wie Sabine Schürmeyer zu haben. Man kann ja nicht immer gleich zum Kinderarzt gehen, schon allein wegen der Keime“, ergänz Rosemarie Pörstel. Tabea ist das erste Kind der 33-Jährigen.

Die Hebamme überwacht die Entwicklung des Frühchens

„2840 Gramm“, liest Sabine Schürmeyer von der Anzeige der Babywaage ab, die sie mitgebracht hat. Damit hat die Kleine, die mit nur 1600 Gramm geboren wurde, nochmals gut zugelegt. Auch sonst fällt das Urteil der Hebamme über Tabeas Entwicklung positiv aus. Rosemarie und Andreas Pörstel sind erleichtert und um einiges an Wissen und Tipps für die weitere Ernährung ihre Frühchens reicher, als sie Schürmeyer verabschieden. In einer Woche sieht man sich wieder.

Seit 35 Jahren ist Sabine Schürmeyer Hebamme. Was hat sich in dieser Zeit verändert? „Der Beratungsbedarf ist wesentlich gestiegen“, antwortet die 55-Jährige. „Früher sind die Frauen nach einer Geburt eine Woche lang in der Klinik geblieben. Nun werden die Wöchnerinnen nach drei Tagen entlassen, auch nach einem Kaiserschnitt sind es maximal fünf Tage.“

Zudem habe sich die Arbeit verändert, berichtet sie: „Es ist mehr Psychologie dabei. Die Eltern wollen die Sprache ihres Kindes verstehen lernen.“ Ebenfalls anders sind die Familienverbände. „Vieles, was die Hebammen heute leisten, haben früher Omas, die mit im Haus lebten, übernommen.“ Manche Fragen hätten sich auch gar nicht erst gestellt. „Die Frauen sind heute verkopfter.“

Sabine Schürmeyer fährt weiter zum nächsten Hausbesuch nach Weinstadt. Tom, zehn Tage alt und bei der Geburt schon 3800 Gramm schwer, ist das, was man sich unter einem Wonneproppen vorstellt. Sabine Schürmeyer möchte begutachten, ob beim Ablösen der Nabelschnur alles gut verlaufen ist. Doch Tom zeigt erst einmal, dass auch mit seiner Verdauung alles zum Besten steht.

Tom ist Claudia Weischedels dritter Sohn. Bereits bei den beiden älteren Kindern ist Sabine Schürmeyer ihr vor und nach der Geburt zur Seite gestanden. Braucht man als so routinierte Mutter überhaupt noch die Unterstützung einer Hebamme in den ersten Wochen? „Klar, kennt man vieles schon“, meint die 37-Jährige, „aber jedes Kind ist doch auch wieder anders.“

Auch um die Gesundheit der Mütter kümmert sie sich

Die Hebamme kümmert sich indes nicht nur um die Säuglinge, auch das Wohl der Mütter hat sie im Blick. Heute zieht sie an Claudia Weischedels Kaiserschnittnarbe die Fäden. Dazu gibt es noch Ratschläge zu Gymnastikübungen für den Beckenboden, die Weischedel in alltägliche Handlungen integrieren kann. Schließlich bleibt bei drei Kindern kaum Gelegenheit, sich dafür extra Zeit zu nehmen.

Auch Schürmeyer muss weiter zum nächsten Hausbesuch. „An manchen Tagen sind es nur ein oder zwei, an anderen dafür auch mal acht“, berichtet sie. Dabei legt sie immer weitere Fahrtwege zurück. „Weil es weniger freiberufliche Hebammen gibt, rufen inzwischen auch Frauen aus Fellbach, Schorndorf und Plüderhausen an“, erzählt Schürmeyer, die früher nur in ihrer Heimatgemeinde Remshalden und Weinstadt tätig war.

Nach den Hausbesuchen und den Geburtsvorbereitungskursen, die sie gibt, endet für sie indes die Arbeit längst noch nicht. Dann stehen Abrechnungen mit Krankenkassen und Dokumentationen ihrer Arbeit, die immer umfangreicher gefordert werden, an. Auch ein Wochenende hat sie eigentlich nicht. Trotzdem kann sie sich keinen schöneren Beruf vorstellen. „Ich liebe einfach den Umgang mit Neugeborenen und werdenden Müttern.“