Stephanie Ilg von den Landfrauen in Kleinheppach weiß, wovon sie spricht, wenn sie sagt, dass das Herzkissen ein wenig den Schmerz und die Unsicherheit gemildert hat. Denn auch sie ist Krebspatientin und näht mit den Landfrauen Herzkissen für die Kliniken.

Rems-Murr: Simone Käser (sk)

Stephanie Ilg erinnert sich noch genau an die Stunden kurz vor ihrer Brustkrebsoperation. 2017 war das, und die heute 53-Jährige saß ängstlich und unsicher in ihrem Krankenhausbett und wusste nicht, was noch alles auf sie zukommt. „Die Situation war total angespannt, und meine Angst war groß“, sagt Stephanie Ilg.

 

Der Besuch der Onkologieschwestern, die plötzlich an ihrem Bett standen, war deshalb eine willkommene Abwechslung – erst recht, als diese der Patientin ein großes buntes Kissen in Herzform inklusive kleinem Briefchen überreichten. „Sie schenkten mir ein Herzkissen, und in dem dazugehörigen Kärtchen stand nicht nur, dass alles gut werden würde, sondern auch, dass das etwa 30 Zentimeter große Kissen dafür gedacht war, dass ich es mir nach der OP unter den Arm klemme, damit die Narbe nicht so schmerzt.“

Ein bunter Haufen an Mutmachern, die vielleicht den Schmerz etwas lindern können. Foto: privat

Nach der Brustkrebs-OP: Kissen hilft gegen Schmerz und Angst

Die 53-Jährige nutzte das Kissen in der Zeit nach der Operation sehr viel. Es half gegen den Schmerz und gegen die Angst, und sie hat es mit seinem fröhlichen Eulen-Muster in Rosa bis heute bei sich im Bett. „Es tat mir in jeder Hinsicht gut, und ich wusste, solche Kissen will ich auch nähen und damit anderen Patienten etwas Gutes tun.“

Geschickt also, dass Stephanie Ilg bei den Landfrauen in Kleinheppach zum Vorstand gehört und eine der drei Vorsitzenden ist. Dort erzählte sie von ihrem besonderen Kissen, und die Frauen machten sich sofort daran, die erste Nähaktion zu organisieren. Dabei sei besonders wichtig, das Kissen so zu nähen, dass der obere Teil, also die zwei Ohren des Herzens, lang genug ausfallen, um es gut unter den Arm klemmen zu können. „Außerdem achten wir darauf, dass der Stoff keine Falten schlägt und dass das Füllmaterial so hochwertig ist, dass es waschbar ist“, sagt Stephanie Ilg.

Trotz des ernsten Themas Brustkrebs geht es beim Nähen lustig zu

Ein ernstes Thema, dem sich die Landfrauen Kleinheppach da angenommen haben. Aber bei den Nähaktionen, die sie seit 2019 dazu organisieren, geht es sehr wohl auch lustig zu. Jeder macht das, was er gut kann. Die eine näht, die andere stopft, die nächste scheidet zu, eine andere bügelt und alle sorgen dafür, dass der Kaffee und die Snacks nicht ausgehen. Die fertigen Kissen werden bei Stephanie Ilg gesammelt, die sie in die Kliniken weiterleitet. Sie selbst lag im Rems-Murr-Klinikum in Winnenden, aber die Kissen wurden schon nach Stuttgart, Mutlangen, Schwäbisch Hall, Schorndorf und Böblingen verteilt. Denn der Bedarf ist groß, wie die Zahlen des Zentrums für Krebsregisterdaten zeigen.

Mit zuletzt rund 74 500 Neuerkrankungen jährlich ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau, heißt es auf der dortigen Homepage. Etwa eine von acht Frauen erkranke im Laufe ihres Lebens; eine von sechs betroffenen Frauen vor dem 50. und knapp zwei von fünf nach dem 70. Lebensjahr. „Deshalb gibt es eine Brustkrebsoffensive, zu der die Herzkissen gehören, in der unter anderem der Landfrauenverband und der Landesfrauenrat fordern, dass Vorsorgen wie Mammografie auch auf Ältere und Jüngere ausgeweitet werden“, erklärt Stepahnie Ilg.

Nach OP, Chemo und Bestrahlung kehrt der Krebs zurück

Die 53-Jährige musste zuletzt einen Rückschlag verkraften. Nach OP, Chemo und Bestrahlung sah alles gut aus, und Stephanie Ilg schöpfte Mut. „Ich habe mich langsam in Sicherheit gewogen. Aber nach sieben Jahren wurde ich einen Husten nicht los. Es wurden dann Metastasen gefunden, der Krebs war zurück.“ Das war im Jahr 2023. Seitdem erhält die Mutter zweier Töchter eine Kombination aus Immun- und Chemotherapie. „Es schlägt an, und ich bin dankbar dafür. Aber ich weiß, wie viel Angst man trotz allem hat, deshalb sind die Kissen so wichtig.“

So wichtig, dass die Landfrauen auch im Corona-Jahr 2021 trotz des Stillstands weiter machen wollten. Der Kreisverband – in dem Stephanie Ilg vor der Diagnose auch aktiv war – gab das Geld für das Material und fragte an, wer mitmachen will. Und insgesamt 29 der 38 Landfrauenvereine waren dabei – darunter natürlich auch die Kleinheppacher Landfrauen. Und das Ergebnis konnte sich sehen lassen: 2000 Herzkissen und 1500 Portkissen kamen zusammen, mehr als 500 Meter Stoff wurden verarbeitet.

Auch während Corona machen die Landfrauen Kleinheppach weiter

An ihre Kissen heften die Landfrauen Kleinheppach mit einer Sicherheitsnadel ein Kärtchen. „Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft“ – lautet ihr Lieblingsspruch, mit dem sie den Patientinnen, die ihre Kissen erhalten, Mut machen wollen. „Ich habe während der Therapie eine Frau kennengelernt, die Jahrgang 1983 ist, das ist so erschreckend, dass die Patientinnen immer jünger werden. Da habe ich noch Glück gehabt mit meinem Alter“, sagt Stephanie Ilg.

Sie bleibt positiv, auch wenn alle drei Wochen die Medikamente in ihren Port fließen. Und sie hofft, dass sich der Krebs mit der Therapie eindämmen und als chronische Krankheit in Schach halten lässt. Apropos Port: Ein Portkissen hat die 53-Jährige natürlich auch schon in Verwendung. Dabei handelt es sich um kleine viereckige Kissen, die am Gurt oder am Trageriemen eines Rucksacks festgemacht werden können und verhindern, dass zu viel Druck auf den Port ausgeübt wird. „Das würde sonst sehr schmerzen, deshalb sind wir auch eifrig am Nähen“, sagt Stephanie Ilg und meint damit die Kleinheppacher, aber unter anderem auch die Landfrauenvereine in Berglen, Neustadt, Schwaikheim, Schorndorf sowie Weissach im Tal. „Je mehr Leute nähen, desto mehr Patientinnen kann geholfen werden.“