Der Rems-Murr-Kreis steht 2025 vor massiven finanziellen Herausforderungen: Defizite der Kliniken und explodierende Sozialausgaben belasten den Haushalt. Eine Erhöhung der Kreisumlage und ein Stopp der Winnender Klinikerweiterung sollen Abhilfe schaffen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Im vergangenen Jahr hatte Richard Sigel mit einer Senkung der Kreisumlage entgegen dem landesweiten Trend bei den Kommunen noch punkten können. Nun aber muss der Landrat den Hebesatz ordentlich anheben, um die massiv unter Druck geratenen Kreisfinanzen auszugleichen. Am Montagnachmittag hat er seinen Etatplan für das kommende Jahr in der Schorndorfer Künkelinhalle vorgestellt.

 

Drei große Kostentreiber

Insbesondere drei Themen hat der Landrat in seiner Haushaltsrede als voraussichtliche Kostentreiber genannt: die Krankenhausreform, steigende Sozialausgaben und die Migrationspolitik.

So werde insbesondere die in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossene Krankenhausreform weitere Millionenverluste für die Rems-Murr-Kliniken verursachen, da die Inflation der Jahre 2022 und 2023 nicht durch eine höhere Vergütung der Leistungen ausgeglichen werde, so der Landrat. Schon im laufenden Jahr werden die Kliniken deshalb mit einem um mehr als das Doppelte der Planung angewachsenen Defizit abschließen. 18 Millionen waren kalkuliert, am Ende werden es 37 Millionen sein. Und auch für 2025 müsse man mit einem Minus von mehr als 30 Millionen Euro rechnen. Besserung ist laut dem Kreischef frühestens ab 2027/28 in Sicht, denn erst von diesem Zeitpunkt an solle das Finanzsystem nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums schrittweise umgestellt werden.

Landrat Richard Sigel sieht in den „vielen Sozialleistungen eine tickende Zeitbombe für unsere kommunalen Haushalte“. Foto: Gottfried Stoppel

Zusätzlich zu dem Klinikdesaster verschlechterten die hohen Sozialausgaben die Haushaltslage: Mehr als 50 Prozent des Kreishaushalts flössen in diesen Bereich – gut 250 Millionen Euro. „Die vielen Sozialleistungen sind eine tickende Zeitbombe für unsere kommunalen Haushalte“, so Sigel. Sein Appell: Man möge sich wieder auf den Kern der Sozialpolitik, nämlich die Unterstützung bei Bedürftigkeit, konzentrieren. Sigel: „Wir helfen gerne, aber nur dort, wo echte Not herrscht.“ Gleiches gelte auch in der Migrationspolitik.

Kreisumlage soll auf 36,3 Prozent steigen

Bund und Land ließen die kommunale Ebene hingegen bei der Finanzierung ihrer Aufgaben zunehmend am langen Arm verhungern, sagt der Landrat und zitiert den Präsidenten des Gemeindetages, Steffen Jäger: „Die Summe der staatlichen Leistungsversprechen übersteigt die staatliche Leistungsfähigkeit.“

Ihm selbst sei die Balance zwischen dem finanziellen Bedarf des Kreises und den berechtigten Interessen der Städte und Gemeinden immer wichtig gewesen und nach wie vor eine „zentrale Leitplanke meines Handelns“, betont Sigel. Dennoch will er im kommenden Jahr den Anteil an den Steuerzuweisungen zugunsten des Kreises verändern. Sigel geht mit einer Erhöhung der Kreisumlage um 3,8 Prozentpunkte auf 36,3 Prozent in die Haushaltsverhandlungen.

Neuausrichtung des Medizinkonzepts

Auch an der Kostenseite werde freilich gearbeitet. Um gegenzusteuern, habe der Kreis bereits im Sommer zusammen mit Klinikleitung, Chefärzten und Pflege eine Neuausrichtung des Medizinkonzepts begonnen. Ein Schwerpunkt liegt auf einer schnelleren „Ambulantisierung“, die Kosten senken und Erlöse steigern soll. Der geplante Neubau eines ambulanten OP-Zentrums in Winnenden wird gestrichen, was rund 30 Millionen Euro sparen soll. Stattdessen sollen vorhandene Operationssäle und Möglichkeiten in den Gesundheitszentren genutzt werden.

Sigel fordert die Landesregierung zudem auf, im Bundesrat auf Änderungen am sogenannten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz zu drängen. Das Ziel müsse ein vollständiger Inflationsausgleich für die Jahre 2022 bis 2024 sein. Eine entsprechende Resolution wurde am Montag vom Kreistag beschlossen.

Pflegeschule auf dem Klinik-Campus

Trotz des Spardrucks betont Sigel die Bedeutung von Investitionen in die Zukunft. In diesem Zuge soll beispielsweise der Bau einer Pflegeschule auf dem Klinik-Campus in Winnenden vorangetrieben werden, mit der man dem steigenden Bedarf an Pflegekräften entgegentreten möchte. Man dürfe nicht vorschnell den Rotstift ansetzen, warnt Sigel – zumal Investitionen sich nicht eins zu eins auf den Ergebnishaushalt und damit automatisch auf die Höhe der Kreisumlage auswirkten. „Ich halte es für falsch, in Zeiten, in denen die Menschen oft den Eindruck haben, dass bei uns in Deutschland in Sachen Infrastruktur vieles versäumt wurde, überall auf die Stopp-Taste zu drücken.“ In Zeiten der Dauerkrise brauche es vielmehr Vertrauen und Verlässlichkeit statt Verunsicherung.

Zum Vize-Präsidenten des Landkreistags gewählt

Sein Engagement für den Landkreis will Sigel im Übrigen künftig auch an anderer Stelle einbringen: Der 47-Jährige ist am Montag zum Vizepräsidenten des Landkreistags Baden-Württemberg gewählt worden. In der Funktion als zweiter Mann der Interessenvertretung nach dem Tübinger Landrat Joachim Walter folgt er auf Heinz Eininger, der nach 24 Jahren als Kreischef in Esslingen in den Ruhestand getreten ist.

Eckdaten im Etatplan des Kreises für 2025

Erträge
Haupteinnahmequelle für den Kreis ist der Anteil an den Steuerzuweisungen der Kommunen. Der Kreisumlagesatz soll um 3,8 Punkte auf 36,3 Prozent erhöht werden. Das würden dem Kreis gut 294 Millionen Euro bescheren, rund 35 Millionen mehr als im Vorjahr.

Aufwendungen
Insbesondere im Bereich Soziales werden die Aufwendungen im kommenden Jahr ansteigen. Der Kreis kalkuliert mit fast 402 Millionen Euro gegenüber knapp 355 Millionen in diesem Jahr.

Schulden
Um alle Investitionen stemmen zu können, insbesondere auch jene, die sich aus den Neubauten des Landratsamts ergeben, muss der Kreis seine Schulden deutlich erhöhen. Gegenüber aktuell gut 154 Millionen Euro werden es zum Ende des kommenden Jahres knapp 266 Millionen Euro sein.