Ihre Tricks sind lange bekannt – trotzdem haben Betrügerbanden immer wieder Erfolg. Wir haben von einer Hauptkommissarin erfahren, wie gewieft die Täter vorgehen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Derzeit schwappt eine Welle von betrügerischen Anrufen über die Region herein. Mal sind es Schockanrufe, dann wieder falsche Polizisten oder betrügerische Anlageberater. Kerstin Schönherr ist Erste Kriminalhauptkommissarin beim Polizeipräsidium Aalen. Dort gehört die Bekämpfung von Unterschlagung, Falschgeld, Geldwäsche, Korruption, aber eben auch von Betrug zu ihren Aufgaben. Wir haben sie gefragt, warum die Telefonbetrüger immer wieder Erfolg haben – und was die Polizei dagegen überhaupt tun kann.

 

Anlagebetrug: Hochrisiko für ahnungslose Anleger

Eine Masche, mit der die Polizei derzeit besonders oft zu tun bekommt, ist der Anlagebetrug. „Dort verursachen die Täter teils sehr hohe Schäden“, sagt Schönherr. Opfer werden mit professionell wirkenden Werbeanzeigen geködert, die Gewinnversprechen sind nicht selten sagenhaft hoch. „Auch die angeblichen Berater wissen, wovon sie sprechen“, sagt die Polizistin. Eine andere Methode seien Chatgruppen zur Geldanlage. „Dort tummeln sich manchmal mehrere Täter, die von ihren angeblichen guten Erfahrungen berichten.“

Gefasst werden meist nur die Geldabholer (Symbolbild). Foto: Weingand

Die meisten Opfer überweisen erst einen Testbetrag von wenigen hundert Euro, bekommen auf einem Fake-Portal angebliche Gewinne angezeigt und legen dann Geld nach. „Aber wenn die Betroffenen dann an ihr Geld wollen, kriegen sie es nicht. Oder es werden noch angebliche Steuern oder Gebühren fällig.“ Die Opfer zahlen diese nicht selten – doch ihr Geld bekommen sie trotzdem nicht.

Warum sind die Betrüger noch immer erfolgreich?

Pressemitteilungen, Vorträge, Marktstände, sogar bedruckte Bäckertüten: Die Polizei gibt sich jede Mühe, die Tricks der Betrüger öffentlich zu machen. Dennoch haben die Betrüger immer wieder Erfolg. „Und zwar auch bei körperlich und geistig fitten Menschen, die uns hinterher sagen, dass sie von den Methoden eigentlich wussten“, sagt Schönherr.

Ihrer Erfahrung nach werden die Opfer oft in ihrem Alltag überrumpelt, mit hochemotionalen Geschichten und aufwendig inszenierten Anrufen der vermeintlichen Verwandten. „Am Ende geht es oft um die Sorge um einen Angehörigen – oder um sich selbst.“

Emotionale Manipulation: Die Masche der Love-Scammer

Für Aufsehen sorgte jüngst der Fall eines Mannes aus dem Rems-Murr-Kreis, der einer vermeintlichen Liebsten über einen längeren Zeitraum verteilt insgesamt 2,3 Millionen Euro zukommen ließ. „Manche Opfer erreicht man am ehesten über Angst – andere über die Sehnsucht nach Vertrauen und einer Partnerschaft“, sagt Schönherr. Beim Love-Scamming betreiben die Tätergruppen großen Aufwand, ihre Opfer emotional abhängig zu machen. Nach dem ersten Kontakt in Chatgruppen, sozialen Netzwerken oder Partnerbörsen wird es schnell privat. „Die Opfer erfahren sehr viel Aufmerksamkeit – ausgedruckte Chats umfassen teils hunderte Seiten.“

Die Betrüger begleiten ihre Opfer mit ihren Nachrichten oft von morgens bis abends. „Sie denken sich auch abenteuerlich klingende Biografien aus – eine Notärztin im Jemen, ein US-Soldat in Afghanistan.“ Die Geschichte dient gleichzeitig als Vorwand, warum persönliche Treffen nicht möglich sind – und ein Anlass für erste Geldforderungen. Im Fall des betrogenen Millionärs schickten die Täter dem Opfer sogar Geschenke, um es an die Identität seiner Bekanntschaft glauben zu lassen. Die Ermittlungen in dem Fall sind noch nicht abgeschlossen. Aber wie es aussieht, ist der Mann sogar ins Ausland gereist, wo er bedroht wurde. Am Ende sei es für Betroffene oft schwer, sich einzugestehen, dass sie betrogen wurden. „Das Thema ist auch sehr schambehaftet“, weiß die Ermittlerin.

Professionelle Strukturen: Warum Täter schwer zu fassen sind

Die Betrügergruppen sind professionell organisiert und auf ihre jeweilige Masche spezialisiert. Ihre Struktur macht eine strafrechtliche Verfolgung sehr schwer. „Geldabholer, die wir fassen können, sind nur die unterste Ebene. Sie kennen die meist gut abgeschirmten Hintermänner oft gar nicht. In vielen Fällen zeigt sich, dass Schockanrufe, aber auch Täter beim Tradingbetrug, tendenziell aus Osteuropa kommen. Manche Spuren führen auch nach Zypern und Israel.“ Täterbanden aus der Türkei und dem Libanon spezialisierten sich eher auf die Masche „falscher Polizeibeamter“ – und viele Versuche beim Romance-Scamming kamen bisher aus Westafrika. „Mit vielen dieser Staaten gibt es aber kein Rechtshilfeabkommen“, sagt Schönherr.

Gibt es ein Bankkonto, gehört dies wiederum einem Geldwäscher, mit einer Ausrede, deren Gegenteil oft nur schwer zu beweisen ist. Die Anrufer dagegen agierten oft aus regelrechten Callcentern im Ausland. „Bei ihnen handelt es sich oft um junge, IT-affine Menschen, die sich etwas dazuverdienen. Nicht selten stehen sie aber selbst unter Druck. In Ländern wie Ghana oder Nigeria herrscht erfahrungsgemäß auch ein hohes Maß an organisierter Kriminalität.“ Doch auch die Täter bekommen mit, wie sehr ihr Handeln den Opfern emotional zusetzt – „sie finden dann für sich Rechtfertigungen.“

Tipps der Polizei

Schockanruf
Grundsätzlich rät die Polizei bei verdächtigen Anrufen, schnell aufzulegen. Polizisten oder Staatsanwälte würden auch niemals auf diese Art und Weise nach Geld oder Wertsachen fragen. Wer von angeblichen Verwandten kontaktiert wird, sollte sich mit diesen rückversichern.

Anlagebetrug
Die Polizei rät, sich vor einer Investition mit Freunden, Bekannten oder der Hausbank zu beraten. Hohe Gewinnversprechen sollten jeden misstrauisch machen – ebenso wie Webseiten ohne Impressum oder Firmensitze in bekannten Steueroasen. Weitere Tipps zu allen gängigen Betrugsmaschen finden sich unter: www.polizei-beratung.de