Rems-Murr-Kreis Sind Ärztehäuser und medizinische Versorgungszentren ein Trend?

Die ärztliche Versorgung ist ein wichtiger Standortfaktor für Kommunen. Foto: Imago

Die Kommunen im Rems-Murr-Kreis unterstützen die Ansiedlung und Sicherung der ambulanten medizinischen Versorgung auf unterschiedliche Art und Weise. Der allgemeine Trend geht in Richtung größerer Einheiten, wie unser Überblick zeigt.

Um zu ergründen, wie die hausärztliche Versorgung auch in Zukunft sichergestellt werden kann, hat die Stadt Weinstadt vor zwei Jahren die Managementberatung Dostal & Partner engagiert. Denn neben dem allgemeinen Ärztemangel sei, so die Stadtverwaltung, auch das Zögern vieler Jungärzte, eine Praxis zu übernehmen, ein Problem.

 

Das Resultat einer Umfrage innerhalb der örtlichen Ärzteschaft ist zwiespältig: Der Aufbau eines sogenannten medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) könnte zwar die Lösung dafür bringen, dass Jungärzte in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, statt selbst eine Praxis zu führen. „Aber in Weinstadt haben wir keinen Motor dafür gesehen“, berichtet der in der Zeit auch für die Wirtschaftsförderung zuständige Liegenschaftsamtsleiter Karlheinz Heinisch. Der Grund für die Zurückhaltung der Ärzte gegenüber der Gründung eines MVZ sei gewesen, dass sie einen zu monetär orientierten Umgang mit Patienten befürchteten.

Vom Tisch ist die Idee damit indes nicht. „Zu einem späteren Zeitpunkt wolle man dazu nochmals ins Gespräch kommen“. Schließlich sei die ärztliche Versorgung auch als Standortfaktor „eminent wichtig“, wie der neue Weinstädter Wirtschaftsförderer Thomas Müller erklärt, der das Thema daher klar als eine seiner Aufgaben sieht.

Fellbach: MVZ bereits Erfolgsmodell

In Fellbach habe sich das Modell des Versorgungszentrums zu einem Erfolgsmodell entwickelt, so die städtische Pressesprecherin Sabine Laartz. Als 2019 dort eine Kinderarztpraxis vor der Schließung stand, habe die Einrichtung eines MVZ die Weiterversorgung von 1800 kleinen Patienten gesichert. Inzwischen habe sich dieses fest etabliert und betreue von Fellbach aus auch in anderen Kommunen Praxen, um Schließungen zu vermeiden. Zudem sei angedacht, die Fellbacher Praxis zu vergrößern. Darüber hinaus sei mit der Sportklinik Sportheum im Bereich Orthopädie nun ebenfalls ein MVZ in Fellbach zu Hause. „Dieser Standort bietet OPs für ambulante sowie stationäre Operationen in Verbindung mit einem breiten Spektrum an hochwertigen medizinischen Dienstleistungen im Bereich der Gelenkchirurgie und Orthopädie.“

Laut Laartz sei die ärztliche Versorgung in Fellbach derzeit stabil. Derweil sei die städtische Wirtschaftsförderung weiterhin in engem Kontakt mit Ärzten, die sich verändern möchten, neue Praxisräume suchten oder sich neu ansiedeln wollten. „Die ärztliche Versorgung ist ursprünglich nicht Bestandteil der städtischen Wirtschaftsförderung, doch sie ist für die Bürgerinnen und Bürger essenziell. Auf meinem ausdrücklichen Wunsch hat sich die Fellbacher Wirtschaftsförderung daher seit einigen Jahren sehr erfolgreich darum bemüht, die ärztliche Versorgung in Fellbach zu stabilisieren und sich als kompetenter Ansprechpartner für die Ärzte zu etablieren“, lässt sich Oberbürgermeisterin Gabrielle Zull dazu zitieren. Laut Laartz laufen aktuell mehrere Gespräche mit Ärzten.

Ein Ärztehaus in Waiblingen ist fertig

Auch in Waiblingen ist man mit der Ärzteschaft im Dialog. So sei die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WTM) immer wieder in Fällen von Praxisübergaben und der Sicherung von Praxisstandorten involviert, sagt Marc Funk, der Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft. Dabei sei es mittlerweile schwieriger als in den vergangenen Jahren, Nachfolger für Praxen zu finden: „Hierfür gibt es strukturelle, berufsspezifische Gründe, aber auch finanzielle Aspekte. Letztlich ist Waiblingen aber ein attraktiver Gesundheitsstandort, in dem viele Mediziner, die sich selbstständig machen, ausreichend Potenziale sehen, sodass viele Übergaben glücklicherweise positiv verlaufen.“ So sei die Versorgungslage in Waiblingen insgesamt gut, auch wenn es Engpässe gebe, etwa bei den Kinderärzten. „Die Waiblinger Innenstadt ist mit einer Vielzahl von Praxen ein funktionierendes Gesundheitszentrum.“ Dennoch sei nach wie vor ein erklärtes Ziel, ein modernes Ärztehaus in der Innenstadt zu errichten, um „den Bedarfen der Ärzte nach modernen Praxisflächen, aber auch dem Wunsch vieler Mediziner, Teilzeit in größeren Gemeinschaftspraxen arbeiten zu können, nachzukommen.“

Das zweite vor zwei Jahren geplante Ärztehaus konnte derweil bereits durch das privatwirtschaftliche Engagement einer Investorengruppe aus dem Rems-Murr-Kreis realisiert werden und ist bezogen. „Im Frühjahr ist das Medicplaza im Eisental an den Start gegangen.“ Mit Radiologie, Orthopädie, Augenheilkunde, Physiotherapie, Dermatologie, Schmerztherapie und Kardiologie sind in dem Gesundheitszentrum in der Lise-Meitner-Straße nun mehrere Fachabteilungen vertreten.

Kernen steigert Hausarztversorgung

In Kernen funktioniert das Bestreben, die bestehenden Arztpraxen am Ort zu halten. „Bei den Allgemeinmedizinern gab es bislang keine Nachfolgelücken und bevorstehende sind uns aktuell nicht bekannt“, sagt die Pressesprecherin Susanne Herrmann. „Ganz im Gegenteil hatten wir mehrere erfolgreiche Nachfolgen in den vergangenen Jahren, teilweise sogar mit einer Steigerung der Versorgung.“ Hierzu habe man Ärzte bei der Suche nach geeigneten neuen Räumlichkeiten unterstützt oder potenzielle Praxisräumlichkeiten frühzeitig in die Planung von Bauvorhaben mit eingeplant. Lediglich bei Fachärzten gebe es einen Engpass. Dies liege aber nicht an mangelndem Interesse von Ärzten, sich niederzulassen – „das ist erfreulich groß“ –, sondern an nicht zur Verfügung stehenden Kassensitzen für Kernen.

Backnang plant Haus der Gesundheit

Angespannt bleibt dagegen nach wie vor die Gesundheitsversorgung in Backnang, gibt der Pressesprecher Frederik Schell die Einschätzung der dortigen städtischen Wirtschaftsförderung weiter. So betrage der Versorgungsgrad laut dem aktuellen Bedarfsplan von Februar 2024 lediglich 80,8 Prozent. Zudem sei „ein signifikanter Anteil“ von 48,5 Prozent der Hausärzte in Backnang über 60 Jahre alt, wodurch regelmäßig Praxen schließen müssten. „Die Wirtschaftsförderung ist aktiv im Kontakt mit der Ärzteschaft, unterstützt Interessenten, die aufgrund der Ausschreibung durch die KV BW nach Backnang kommen möchten, und bietet Hilfe bei der Suche nach Räumlichkeiten, Zuschüssen durch die KV sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Arbeitsplatzsuche für Partner.“ So gebe es trotz der Herausforderungen positive Entwicklungen, sagt Schell, der auch von erfolgreichen Praxisübernahmen und -eröffnungen sowie Anstellungen zusätzlicher Ärzte in jüngster Zeit und naher Zukunft berichten kann. „Für die nächsten Monate erwarten wir dank der genannten Neueröffnungen und Übernahmen eine leichte Entspannung der Lage.“ Darüber hinaus treibe man die Planungen für das Haus der Gesundheit auf der Oberen Walke kontinuierlich voran.

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