Das im Jahr 1912 gebaute Geradstettener Rathaus ist Geschichte. An seiner Stelle entsteht ein modernes Wohnquartier mit insgesamt 18 Wohnungen.
Remshalden - Erst knapp 50 Jahre lang Schulhaus, dann nochmals die gleiche Zeitspanne Rathaus – der Bau an der Ecke Rathaus-/Wilhelm-Enssle-Straße in Geradstetten hat durchaus ein größeres Kapitel der Ortsgeschichte repräsentiert. Jetzt ist das Gebäude aus dem Jahr 1912 aus dem Ortsbild verschwunden, abgerissen quasi zum 100. Geburtstag. Den Abrissbaggern sind im einstigen Remshaldener Verwaltungsviertel drei weitere Bauten zum Opfer gefallen: das ehemalige Sozial- und Ordnungsamt, die alte Zehntscheuer und das bisher vermietete ehemalige Lehrerwohnheim. Die Kosten für den Abriss trägt die Kommune. „Wir übergeben das Grundstück abgeräumt“, sagt Bürgermeister Norbert Zeidler. Der Grundstückserlös von gut einer halben Million Euro ist in die Refinanzierung des im vergangenen Jahr bezogenen Rathausneubaus eingeplant.
Eimer unter dem maroden Rathausdach
Anstelle der alten Bauten soll im Quartier an der Rathaus- und Enssle-Straße eine moderne Wohnanlage samt Tiefgarage entstehen. Geplant sind drei Gebäude mit 18, teils als Maisonette gestalteten Wohnungen mit Flächen zwischen 80 und 115 Quadratmetern. Für die künftigen Bewohner stehen neben 20 Tiefgaragenparkplätzen sieben oberirdische Stellplätze und ein Spielplatz zur Verfügung. Der Bauträger ist die Schorndorfer Treuhand GmbH, die mit dem Bau der neuen Häuser im kommenden Frühjahr beginnen will.
Den Charme der alten Schulhauszeiten hat man im alten Geradstettener Rathaus nach dessen Umbau zum Ortsverwaltungssitz 1960 durchaus noch an diversen Stellen gespürt. Der Geruch von Tafel und Kreide war zwar verschwunden, aber die vier ehemaligen Schulsäle hatten als Rathausbüros noch immer die hohen Decken der Klassenzimmer. Und zunehmend herrschte auch ziemliche Enge im Remshaldener Rathaus. Über den Hauptamtsleiter wurde dann irgendwann kolportiert, eine seiner wichtigsten Funktionen sei diejenige gewesen, bei Regen mit Eimern an die entsprechenden Stellen im altehrwürdigen Gebäude zu eilen, um das durch das marode Dach tropfende Wasser aufzufangen.
Vier Jahrzehnte Planungen bis zum Neubau
Pläne für einen Rathausneubau hatte es in Remshalden indes bereits vor knapp vier Jahrzehnten gegeben. Bereits Mitte der 70er-Jahre war es fest geplant und im Vereinigungsvertrag zwischen Geradstetten samt Hebsack und Rohrbronn sowie Grunbach und Buoch verbindlich festgeschrieben worden, dass in der Mitte zwischen den Ortschaften am Zehntenbach ein gemeinsames zentrales Rathaus gebaut werden solle. Unter dem damaligen ersten Gesamt-Remshaldener Schultes und späteren Schorndorfer OB Winfried Kübler wurden auch Pläne dafür ausgearbeitet. Unter dem Nachfolger Andreas Spätgens hieß das Motto allerdings „Kein Rathaus auf der grünen Wiese“. Erst unter Norbert Zeidler, der vor 13 Jahren den Bürgermeistersessel im Rathaus in Geradstetten übernommen hat, wurde dann die Planung für ein neues, knapp acht Millionen Euro teures Rathaus am östlichen Ortsrand von Geradstetten realisiert.
Wie lange der aktuelle Bürgermeister noch im neuen Rathaus residiert, ist zurzeit ungewiss. Denn Norbert Zeidler hat am Mittwoch seinen vorläufig letzten Arbeitstag absolviert und ist momentan als Wahlkämpfer in Biberach an der Riß unterwegs. Dort hat er sich um den vakanten Posten des Oberbürgermeisters in der 32 000-Einwohner-Stadt beworben. Fünf Kandidaten gibt es für die Nachfolge des nach 18 Amtsjahren wegen heftiger Differenzen mit der CDU-Ratsfraktion zurückgetretenen Thomas Fettback (SPD). „Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen“, sagt Zeidler vorsichtig zu seinen Chancen beim Biberacher Urnengang in drei Wochen, „die Wahl ist erst am 30.September“.