Im Marionetten-Studio in Remshalden-Buoch hat Ingrid Höfer Einsteigern gezeigt, wie sie eine Marionette bauen und sie zum Leben erwecken können. Höfer hat von Albrecht Roser gelernt – zu Lebzeiten war er einer der besten Marionettenspieler.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Remshalden - Gerade ist die Figur noch als zierliche Dame über die Bühne getrippelt. Ein geschickter Zug am richtigen Faden, und schon krabbelt ein grässliches Spinnenwesen mit aufgerissenen Mäulern und acht Beinen auf die Zuschauer los. „Wow“, entfährt es einem von ihnen. Die sieben Männer und Frauen sind Kursteilnehmer und haben schon genug damit zu tun, die zweibeinigen Marionetten zum Laufen zu bringen, die sie sich in zwei Tagen selbst gebaut haben. Für die 78-jährige Kursleiterin Ingrid Höfer ist dagegen die Bedienung von acht Beinen inklusive Verwandlung zum Spinnenmonster kein Problem. Sie führt ein Marionettenstudio in Remshalden-Buoch und hat von einem der Besten gelernt: von Albrecht Roser.

 

Der vor fünf Jahren verstorbene Bundesverdienstkreuzträger Roser entwickelte für seine Puppen Masken, die aus einem einzigen Stück Papier gefertigt sind, ohne ein einziges Stück anzukleben. Er tüftelte aus, wie die Fäden zu spannen sind, um selbst die komplexesten Figuren laufen, tanzen und sogar singen zu lassen – Übung des Spielers vorausgesetzt. Ingrid Höfer ist 40 Jahre lang als Assistentin mit dem Herrn der Puppen um die Welt gereist. Sie beschreibt ihn als mechanisches Genie, als kreativen Künstler. „Er war aber auch unerbittlich, zu sich selbst und zu anderen.“ Gleichzeitig habe Roser immer das Beste aus einer Situation gemacht, selbst wenn die Bühne unter ihm zusammenstürzte.

Eigentlich genau wie der Clown Gustaf. Der Spaßmacher mit dem freundlich-runden Gesicht hängt jetzt neben der Bühne im Studio Roser. Mit Gustaf und seinem Ensemble hat alles angefangen. „Eigentlich wollte Roser Puppen nur bauen, nicht spielen. Aber seine eigene Schöpfung Gustaf hat ihn so fasziniert, dass er doch damit anfing.“ Im Jahr 1951 wurde der Clown fertig – „er wurde geboren“, wie es Höfer ausdrückt. Und wenn sie ein Spielkreuz in die Hand nimmt, weiß man auch, warum. Die Hände der Puppenspielerin hauchen den Marionetten buchstäblich Leben ein. Eine aufreizend gekleidete Bauchtänzerin wiegt sich sinnlich durch den Raum, ein ziemlich blasser Kerl mit langen Haaren („Ich glaube, er hat mit Drogen zu tun“) versteckt missmutig das Gesicht hinter seinen flanellstoffbekleideten Armen.

Die Zeit der Welttourneen ist vorbei

Höfer weiß, an welchen Fäden sie zu ziehen hat – und verrät eines der Geheimnisse der scheinbar lebenden Puppen. „Ihre Masken sind sehr wichtig. Das Licht auch.“ Sie hält das stilisierte Gesicht einer Frau in die Höhe: Neigt es sich, verschwinden die Augen im Schatten, den die Stirn wirft. Das hölzerne Gesicht scheint zu leiden. Richtet die Figur sich wieder auf, kommen ihre Augen und ein voller Mund zum Vorschein. Jetzt scheint sie mit dem Betrachter zu flirten. An der Maske selbst hat sich freilich nichts geändert. Alles ist Illusion, hervorgerufen durch Licht, Schatten und eine gehöre Portion Handwerkskunst.

Die Welttourneen der Roserschen Marionetten sind seit einiger Zeit vorbei. Zu Dutzenden hängen sie jetzt an den Wänden des Ateliers: Die „Oma aus Stuttgart“, die Auftritte in vielen Fernsehsendungen hatte, hält noch immer die Stricknadeln in der Hand. Sie klappern nicht mehr. Die Königin der Nacht aus einer Zauberflöten-Inszenierung hängt reglos an den dünnen Fäden. „Ich spiele die Marionetten noch gelegentlich, wenn es hier eine Werkstattführung gibt“, sagt Höfer. Der Kurs zum Bau und Spiel der Tüchermarionette ist eine seltene Ausnahme. Höfer arbeitet derzeit zusammen mit einem Meisterschüler Rosers an einem Fachbuch. Albrecht Rosers Wissen darum, wie Mechanik und Kunst einer Puppe Leben einhauchen können, soll nicht verloren gehen.