Beim Volkshochschulkurs „Remstal-Winzer für ein Jahr“ geht es um den Versuch, durch Pfropftechnik schnell zu pilzresistenten Rebsorten zu kommen – und um viel Laubarbeit.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Eigentlich wächst Trollinger in dem kleinen Weinberg hoch über Strümpfelbach. Zumindest bisher ist der schmale Streifen auf Höhe des schnuckelig kleinen Ortsteil-Freibads mit den Rebstöcken der schwäbischen Traditionssorte bestückt. Doch das wird sich ändern. Bereits nächstes Jahr soll statt der Trollinger-Triebe die Rebsorte Souvignier gris aus den kniehohen Stämmchen wachsen. Und das, ohne dass der Weinberg gerodet und neu bepflanzt werden müsste. Einfach so, als würde ein Handwerksbetrieb seine Metallstanze so umrüsten, dass sie statt viereckiger Quadrate nun runde Löcher aus dem Stahlblech haut.

 

Was es mit der wundersamen Pflanzenveränderung auf sich hat, weiß Claus Mannschreck. Dem Strümpfelbacher Wengerter gehört der kleine Trollinger-Rebhang über dem Bädle, von den neuen Trauben erhofft sich der Erzeuger endlich mal einen halbwegs vernünftigen Ertrag. Denn bringt der Weinberg bei der Ernte höchst selten auch gesundes Lesegut, bei den 1500 Stöcken stimmt weder die Menge noch die Qualität.

Der Rebhang gilt als Mehltau-Nest. Für Trollinger eignet er sich nur bedingt

Das liegt nicht allein am Trollinger selbst, sondern auch an der Tatsache, dass das in einem kleinen Einschnitt liegende Stück sich offenbar nur bedingt für die als anspruchsvoll geltende Rebsorte eignet. Vielleicht fehlt es am Wind, der die Traubenzone gut durchlüftet, vielleicht ist der Boden zu fett oder die Feuchtigkeit zu hoch. Jedenfalls hat Wengerter Mannschreck auf dem Teilstück seit Jahren besonders mit Pilzkrankheiten zu kämpfen – und schlichtweg keine Lust mehr, sich mit dem in unschöner Regelmäßigkeit auftretenden Oidium-Befall abzumühen.

„Jetzt habe ich genug“, hat sich der auch für andere Rebzeilen oft nach einem arbeitserleichternden Ersatz schauende Strümpfelbacher geschworen – und schon im zeitigen Frühjahr eine französische Fachfirma mit einem Umpfropf-Auftrag ausgestattet. Die hat Jungs im Einsatz, die wegen ihrer äußerst flexiblen Wirbelsäule wohl auch einen Job als Zirkusartisten annehmen könnten. Im Akkord arbeiten sich die mit einem Okuliermesser bewaffneten Propf-Spezialisten von einem Rebstock zum nächsten den Hang hoch und schneiden jeweils schräg ins Stämmchen. Dass die Arbeit stundenlanges Bücken erfordert, nötigt Wengerter Mannschreck tiefen Respekt ab. „Da brauchst du ein Kreuz, das nicht abfatzen kann“, sagt er.

„Da brauchst du ein Kreuz, das nicht abfatzen kann“, sagt der Wengerter

In den Schnitt eingesetzt wird ein Edelreis der Rebsorte Souvignier gris, die gegenüber dem klassischen Trollinger einen nicht von der Hand zu weisenden Vorteil hat: Die Freiburger Züchtung, eine Kreuzung aus dem Zähringer und dem winterharten Weißwein Seyval Blanc gehört zu den Rebsorten mit hoher Widerstandskraft gegen Pilzkrankheiten. Auch in niederschlagsreichen Regionen trotzt sie vor allem dem Mehltau gut, auch bei seiner kleinen Schwester, der Peronospora, besteht offenbar eine robuste Resistenz. Und selbst bei der Botrytis, der dritten Pilzkrankheit, die den Wengertern den Schlaf rauben kann, gibt es bei der in der Weinbauszene noch kaum bekannten Rebsorte offenbar selten einen Ernteausfall.

Um so verwunderlicher ist, dass der schon vor vier Jahrzehnten gezüchtete Souvignier gris noch immer ein Exot ist. Geschmacklich gelten die leicht grau-rötlich schimmernden Trauben als unkompliziert, bei der Optik und im Glas könnte die Piwi-Rebsorte leicht mit einem Grauburgunder verwechselt werden. Claus Mannschreck plant bisher, ihn nicht als Einzel-Rebsorte zu vermarkten, sondern in seiner Weißwein-Cuvée einzusetzen – weshalb ihn der Abschied vom Trollinger zumindest auf besagtem Problem-Rebhang umso leichter fiel. 1,50 Euro hat er für das Umpfropfen bezahlt, pro Rebstock, versteht sich. Die Fachfirma aus dem Nachbarland verspricht eine Anwuchsrate von 95 Prozent.

Die ersten Propfversuche endeten vor Jahrzehnten recht kläglich

Der Vorteil der Propf-Technik ist, dass weniger Wartezeit nötig ist. Bei der Rodung des Rebhangs wären ein paar Jahre ins Land gezogen, bis sich an neuen Pflanzen die ersten Reben entwickelt hätten. Durch das in den bestehenden Stock eingesetzte Auge gibt es gerade mal eine Saison keinen Ertrag. „Das mit dem Umpropfen hat man im Remstal schon vor Jahrzehnten versucht, damals war es aber noch zu kalt. Jetzt funktioniert das besser, wegen des Klimawandels“, erklärt Claus Mannschreck.

Weil die französische Fachfirma nur an voll im Saft stehenden Rebstöcken pfropfen kann, hat sie übrigens im April auf Malta mit ihrer Saison begonnen, sich dann – immer auf Schienbeinhöhe – über den Balkan hochgearbeitet und ist in diesen Wochen in Deutschland aktiv. Hat der Versuch halbwegs Erfolg, will Claus Mannschreck bei kleineren Flächen durchaus auch selbst Hand anlegen. Genau hat er den Propf-Spezialisten deshalb auf die Finger geschaut – und den Ablauf mit dem Schnitt ins Cambium den Teilnehmern des laufenden Volkshochschul-Kurses „Remstal-Winzer für ein Jahr“ haarklein weitererzählt.

Für die Weinbau-Newcomer stehen beim Treffen im Weinberg vor allem Standard-Arbeiten an: Ausgeizen, Einschlingen, Ausgeizen und Einschlingen – die grüne Hölle am Rebhang gibt den Takt vor. Außerdem wird das neu gepflanzte Stück am Ortsrand beim Felgen von Unkraut befreit. Auf dem Weinberg hat Claus Mannschreck übrigens Donau-Riesling angepflanzt – ebenfalls eine noch kaum bekannte Neuzüchtung, die pilzwiderstandsfähiger ist.