Das 1875 geschaffene kreisrunde Quellbecken im Schlossgarten ist ein schöner Touristenmagnet. Der eigentliche Donauursprung liegt anderthalb Kilometer weiter östlich auf der anderen Seite des Wohnmobilstellplatzes. „Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg“, lautet ein Merksatz, den früher die Kinder in der Schule lernten. Für Touristen dürfte der Ort, an dem die Donau ihren 2857 Kilometer langen Weg ins Schwarze Meer beginnt, eine Enttäuschung darstellen: Vor der Kulisse einer viel befahrenen Straßenbrücke treffen sich zwei kerzengerade Kanäle und fließen in einen dritten. Jetzt soll noch eine weitere Brücke davor gestellt werden. Die Bundesstraße wird auf vier Spuren ausgebaut.
Autobahnbrücke statt Touristenmagnet
„Europas zweitlängster Fluss beginnt unter einer Autobahnbrücke“, stellt Oliver Stenzel trocken fest. Dieses Szenario bot sich dem Wasserbauingenieur und seinen Kollegen vom Landesbetrieb Wasser, als sie vor sechs Jahren ihre Planungen für ein ehrgeiziges Renaturierungsprojekt begannen. Eigentlich ging es um Umweltschutz und die Europäischen Wasserrichtlinie. Doch die Prominenz des Ortes bot den Planern die Möglichkeit, groß zu denken. Vier Millionen Euro sollen in das Projekt fließen. Weitere 3,5 Millionen Euro waren nötig, um das Kreistierheim und einen Hundesportverein umzusiedeln, die der Maßnahme im Weg standen. Es ist eine der größten Renaturierungsmaßnahmen in Baden-Württemberg.
Stenzels Kollege Michael Koch vom Referat Betrieb und Unterhaltung hat eine Karte aus dem Jahr 1815 mitgebracht, die im Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv verwahrt wird. Darauf sieht man, wie Brigach und Breg in weit ausladenden Bögen aufeinander zu mäandern. Fast zwei Jahrhunderte dauerte es, die beiden Flüsschen in ihren heutigen Zustand zu versetzen. Die letzten Bögen wurden in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts beseitigt, das alte Flussbett mit dem Wohlstandsmüll der Wirtschaftswunderzeit gefüllt. Das Wasser sollte schneller ablaufen, um Hochwasser zu verhindern. Allerdings waren es weniger die Städte und Dörfer, die unter Wasser standen. Vielmehr ging es darum, die natürlichen Auen und Überschwemmungsgebiete für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Eine wachsende Bevölkerung wollte ernährt werden.
Ein Fluss mit dem Charme einer Tiefgarage
War alles falsch, was früher getan wurde? „Nein, jede Generation hat ihre Aufgabe“, sagt Stenzel. Aber heute weiß man, dass die Natur damals auf der Strecke blieb. Koch steht auf einer Brücke und schaut die begradigte Breg hinauf. Ein kleiner Schwarm Forellen huscht gut sichtbar durch das eintönig dahinfließende flache Wasser.
Im Gegensatz zur Brigach sei die Gewässergüte der Breg gar nicht so schlecht. Doch das Flussbett ist künstlich und mit Steinen befestigt, links und rechts verlaufen steile Böschungen: keine Hindernisse im Wasser, keine Vegetation, um Schutz und Kühlung zu suchen, keine Plätze zum Laichen. „Der Fluss hat für die Fische den Charme einer Tiefgarage“, sagt Koch.
Das soll sich jetzt ändern. Derzeit sind große Bagger dabei, das Flussbett des neuen Mündungsbereichs auszubaggern und zu profilieren. Nach dem Bau eines großen Hochwasserrückhaltebecken im Ortsteil Wolterdingen auf der anderen Seite von Donaueschingen ist die Überflutungsgefahr anderweitig gebannt.
Natürlich könne man die Entwicklung der vergangenen 200 Jahre nicht rückgängig machen, sagt Stenzel. Für die weit ausholenden Schleifen fehle es schlicht am Grundbesitz. Doch das Wasser soll sich, wenn auch in kleineren Bögen, wieder schlängeln dürfen. Flache Kiesufer sollen die steilen Böschungen ersetzen. Der Mündungsbereich werde für die Fische „wieder zum Wohnzimmer“, sagt Koch.
Die Donau wird länger
Wo vor Kurzem die Flüsse als Kanäle aufeinander trafen, ist eine kleine Insel entstanden. Der eigentliche Donauzusammenfluss ist um 300 Meter nach vorne gerückt, die Donau um eben diese Strecke gewachsen. „Zum Glück werden die Kilometer an der Donau vom Schwarzen Meer flussaufwärts gezählt“, sagt Stenzel.
Durch die Vorverlegung ihres Ursprungs rückt die Donau auch von der Bundesstraße ab. Was die Bagger aus dem neuen Mündungsbereich schaffen, wird zu einem Lärm- und Sichtschutzwall aufgeschüttet. Von der vierspurigen Brücke der B 27 werden Besucher wie die Meyers aus Dresden tatsächlich nichts mitbekommen.