Mit Hilfe von Experten will Stuttgart seine Gewässer neu gestalten. Renaturierung ist das Gebot der Stunde.

Stuttgart - Der Nesenbach ist seit Jahrzehnten unter den Asphalt verbannt und der Neckar wird kaum als Fluss, sondern eher als Fahrrinne für schwerbeladene Frachter wahrgenommen. Stuttgart hat in der Hinsicht nicht viel natürlichen Raum zu bieten. Dabei wird der jedoch immer gefragter. „Die Bürger wünschen sich eine grünere Stadt“, sagte der Amtsleiter für Stadtplanung Detlef Kron bei der Abschlusskonferenz des EU-Projekts Revitalisation of Urban River Spaces (Reuris) im Rathaus, zu der auch Experten aus den acht teilnehmenden Städten in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik gekommen waren. Reuris begann im September 2008 und endet in diesem August. Für Stuttgart steht ein Gesamtbudget von 555 000 Euro zur Verfügung, davon sind 416 000 Euro Fördermittel der EU.Im Zuge des Programms ist auch über die Pläne des Landschaftsparks Neckar diskutiert worden. Unter dem Motto „Stadt am Fluss“ sind 18 verschiedene Projekte entlang der Ufer geplant, um den Fluss als Kulturlandschaft sowie als Natur- und Erholungsgebiet aufzuwerten. Der Gesamtaufwand beläuft sich auf etwa 40 Millionen Euro. Die Realisierung ist wegen der Kosten bisher unklar, darum erhoffte man sich von Reuris neue Impulse. Immerhin sind im aktuellen Haushalt Mittel bereitgestellt, mit denen drei Projekte vertieft erarbeitet werden können.

 

Hoher Aufwand notwendig

Innerhalb der Stadt sind Renaturierungen jedoch schwer umzusetzen, sagte Wolfgang Maier, Sachgebietsleiter Landschafts- und Grünordungsplanung. Der Neckar ist ein Bundesgewässer, es gibt privaten Grundbesitz und angrenzende Industrie sowie technische Anforderungen, wie den Hochwasserschutz zu beachten: „Ein hoher Aufwand für Kooperationen und Abstimmungen ist notwendig.“ Auch die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit sei groß, es gebe viele Ideen und Nachfragen zur Gestaltung. Maier empfiehlt eine regelmäßige Einbindung der Bürger in den Prozess. Trotz der hohen Kosten müsse ein Bewusstseinswandel stattfinden, so Maier: „Eine grüne Infrastruktur ist ein Investment, das sich rechnet.“Im Rahmen von Euris ist als Pilotprojekt ein etwa 50 Meter langes Teilstück des Feuerbachs bei Zazenhausen renaturiert worden. Das alte Betonbett wurde entfernt und der Flusslauf in einer Aue neu angelegt. Am Ufer wurde ein Rad- und Fußweg gebaut. Die Kosten liegen bei rund einer Million Euro. Aus den EU-Mitteln werden 220 000 Euro und vom Verband Region Stuttgart 85 000 Euro zugeschossen. Die Gesamtlänge der Stuttgarter Flüsse beträgt 150 Kilometer. Davon sind 100 Kilometer naturnah, 50 Kilometer waren in den 1980er Jahren noch technisch verbaut. Mittlerweile wurden weitere 20 Kilometer renaturiert. Was mit dem Nesenbach geschehen soll, ist aber nach wie vor ungeklärt. In seinem momentanen Zustand ist er nicht mehr als ein Abwasserkanal.