Der Urbacher Verein „Die Schatzkiste“ veranstaltet am kommenden Wochenende ein Bobbycar-Rennen, das für die Deutsche Meisterschaft zählt. Wer will, kann sich ebenfalls mit dem Rutschauto die Hagsteige hinunterstürzen – oder einfach nur feiern

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Urbach - Matthias Meitingers AMG-Mercedes ist bereit. Nach einer Reinigung im Ultraschallbad laufen die Kugellager der Räder buchstäblich wie geschmiert. „Wenn man den Reifen mit der Hand anschuckt, dreht er sich sieben Minuten lang – wir haben das gestoppt.“

 

Meitinger ist der Vorstandsvorsitzende des Schatzkiste-BCF-Racingteams und sein Mercedes ist knapp 60 Zentimeter lang, 40 Zentimeter hoch und aus Plastik. BCF steht für Bobbycarfreunde, die Urbacher Schatzkiste für außergewöhnliche Ideen. Das Racingteam ist aus dem eigentlichen Verein entstanden, den die Brüder Benjamin und Matthias Meitinger gegründet haben, um wohltätige Projekte zu realisieren oder Menschen in Not zu helfen. So hat „Die Schatzkiste“ im vergangenen Jahr etwa einen Tag lang den Kaisersbacher Schwabenpark gemietet, um Menschen mit Handicap und ihren Angehörigen ein exklusives Erlebnis zu ermöglichen, oder nach einem Großbrand in einem von sozial Schwächeren bewohnten Haus in Urbach eine beispielgebende Spendenaktion gestartet.

Am kommenden Wochenende nun realisiert der Verein zusammen mit den Handballern der HSK Urbach-Plüderhausen ein weiteres verrücktes Projekt: Auf durchschnittlich 19 Prozent Gefälle wird die Urbacher Hagsteige hinab ein 950 Meter langes Rennen ausgetragen, das für die Deutsche Meisterschaft des Bobby-Car-Sportverbands gewertet wird. Zudem werden Abfahrten für Kinder und Jedermann angeboten – und unten im Zielbereich auf dem Freibadgelände wird ein zweitägiges Familienfest mit Konzerten und Rahmenprogramm veranstaltet, das von der Remstal-Gartenschau in die Liste ihrer Highlight-Events aufgenommen wurde.

Strenge Vorgaben kosten Zeit und Nerven

Die Planung dafür hat schon vor mehr als einem Jahr begonnen – und die Initiatoren vor einige unerwartete Schwierigkeiten gestellt. Eine davon war, dass die Naturschutzbehörde des Landratsamts eine Expertise forderte, dass der Event in dem ökologisch bedeutsamen Gebiet insbesondere für Vögel keine dauerhaft gravierenden Folgen zeitigen werde. Auch wenn der Termin außerhalb der Brutzeit gelegt wurde, habe man den Flora-Fauna-Schutzbrief bis hin nach Waldhausen belegen müssen, sagt Benjamin Meitinger. Diese Prognose gibt es mittlerweile schriftlich, die Gemeinde hatte den Gutachten-Auftrag übernommen, doch wegen des schwebenden Verfahrens musste der Verein die konkreten Planungen vier Monate lang aussetzen. „Das hat uns wahrscheinlich ein paar Sponsoren gekostet“, schätzt Meitinger.

Sei’s drum, der Event, zu dem 60 bis 80 Fahrer erwartet werden, steht weitestgehend. 500 Altreifen zur Streckensicherung stehen bereit, auch die 1000 Meter Veranstaltungszaun zur Absperrung der Fanmeile sind geliefert. Rund 120 Helfer werden an den zwei Tagen im Einsatz sein. Einige werden zuvor noch eine Sonderaufgabe erledigen müssen. Noch so ein kaum vorhersehbares Hindernis: Der Verein musste feststellen, dass jene rechteckigen Strohballen, die zur Dämpfung etwaiger Ausflüge jenseits der Piste ausgelegt werden sollen, bei den Landwirten in der Region gar nicht mehr geordert werden können. Per Zufall stieß man in einem landwirtschaftlichen Museum auf eine historische Presse, mit der die rund 1000 benötigten Strohballen nun selbst hergestellt werden können. „Wir warten nur noch auf den Zuruf eines Landwirts aus Waldhausen, dass der wieder Heu macht“, sagt Meitinger.

100 Stundenkilometer sind das Traumziel beim Bobbycar-Rennen

Noch nicht abschließend geklärt hingegen ist, ob man das Geschwindigkeitsmessgerät der Gemeinde so programmieren kann, dass es auf seinem Display bei 100 Stundenkilometern einen Smiley zeigt. Denn die bisher bei regulären Bobbycar-Rennen noch nicht erreichte Höchstgeschwindigkeit ist das Ziel der „Profis“, die sich mit spezieller Lederkluft möglichst flach auf ihren für sie eigentlich deutlich zu kleinen Gefährten den Hang hinab stürzen. Matthias Meitinger ist überzeugt, dass die magische Marke geknackt wird. Er selbst hat bei einem internen Trainingsduell mit dem amtierenden Weltmeister bereits 88 Stundenkilometer erreicht – „und das quasi noch mit angezogener Handbremse“.

Sein Bruder Benjamin stellt derweil klar, dass sich einige im Verein – inklusive er selbst – durchaus vom Bobbycar-Rennfieber haben anstecken lassen und in dem Zweitverein mittlerweile elf Kinder und etliche Erwachsene aktiv in Rennserien mitfahren. Die Schatzkiste indes sei ganz gewiss nicht der Förderverein, mit dem man sich selbst ein verrücktes Hobby ermögliche. Ganz im Gegenteil: Das selbst finanzierte Racingteam trage mit dazu bei, dass Geld für soziale Projekte zusammenkomme. Das wird auch am kommenden Wochenende der Fall sein. Alles, was unter dem Strich übrig bleibt, soll einer alleinerziehenden Mutter aus Fellbach zugute kommen, um ihr für den Transport ihres schwerstbehinderten Sohns ein geeignetes Transportmittel zu ermöglichen. Das Motto: „Viele kleine Autos für ein Großes“.