Der katholische Pfarrer Franz Pitzal war im Nordirak unterwegs. Dort besuchte er Flüchtlingslager und sprach mit IS-Opfern.

Renningen - Na, als Tourist bestimmt nicht!“, sagt Franz Pitzal, gefragt nach dem Grund für seinen Abstecher in den Irak. Die Frage darf schon erlaubt sein, war doch der Pfarrer ausgerechnet in einem Krisengebiet unterwegs. Eine Woche lang bereiste er die Autonome Region Kurdistan rund um das schwer umkämpfte Mossul, wo die Peschmerga und die irakische Armee den IS-Schergen den Garaus machen. Also im Ernst – warum? „Wir sammeln seit langer Zeit mit der Krippe für das Land“, erklärt der Renninger, der sich selbst ein Bild machen und erfahren wollte, wo Hilfe nötig ist. Denn der Mann war fast schon überall, aber noch nicht im Irak.

 

Der Pfarrer war in kirchlicher und quasi in geheimer Mission unterwegs. Nur in seinem Büro habe man gewusst, dass er auf Reisen geht. „Der Rest erfährt es über die Zeitung“, sagt Pitzal, der über Istanbul nach Sulaimaniyya geflogen war. „Eine Stadt mit einer Million Einwohner, die durch die Flüchtlinge auf zwei Millionen angewachsen ist“, erklärt er. Dort besuchte er mit einem Pater und einer deutschen Schwester aus dem chaldäischen Kloster mehrere Flüchtlingslager, die mitten in einer öden Wüstensteppe liegen. Unter der Hoheit des UNHCR, des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, sind dort „kleine Städte“ entstanden.

Im Lager gebe es Schulen, kleine Geschäfte, Backstuben, medizinische Einrichtungen und auch Sportplätze. „Die Geflüchteten leben in Containern, aber die Regierung hat gemauerte Toiletten errichtet, damit die Bewohner eigene Häuser daraus bauen können“, berichtet der 81-Jährige. Auch bei Erbil, der Hauptstadt Kurdistans, hat der Renninger ein Lager für mehrere Tausend Christen besucht. Diese sind aus Karakosch geflohen – die einst größte christliche Stadt des Landes – nachdem die IS-Miliz einen Großteil der Häuser niedergebrannt hatte.

„Die Situation ist trostlos“

In den Lagern sei zwar eine gewisse Grundversorgung sichergestellt. „Doch die Situation ist trostlos. Mir wurde gesagt, dass die Leute so verzweifelt sind, dass sie Selbstmord begehen“, erzählt er. Denn die Aussichten auf eine Rückkehr in die alten Dörfer und Städte seien schlecht. „Selbst wenn es gelingen sollte, den IS zu vertreiben, dann verschwindet er nicht einfach von der Bildfläche, sondern zieht sich in den Untergrund zurück“, ist er überzeugt. „Das macht die ganze Sache fast noch gefährlicher!“

Am meisten beeindruckt habe ihn die Begegnung mit einem syrischen Pater aus einem Kloster bei Homs, der vom IS entführt und nach Rakka verschleppt wurde. „Ständig wurde er damit bedroht, dass man ihm den Kopf abhackt“, berichtet er. Später sei er nach Palmyra gebracht worden, wo er mit den Christen seiner Gemeinde zusammengekommen sei, was ihm aber großen Auftrieb gegeben habe. „Wenn wir sterben, dann sterben wir gemeinsam, sagte er sich“, erzählt er. Am Ende seien alle auf Anordnung des Kalifen frei gelassen worden. „Der Grund war, dass sie es abgelehnt hatten, gegen den IS zu kämpfen“, so Pitzal.

Vor Ort anpacken, nicht in Europa

In Sulaimaniyya besuchte er auch eine Theateraufführung des Berliner Regisseurs Stefan Otteni, der ein persisches Stück mit Flüchtlingen inszeniert hatte. Das Projekt wurde vom Kloster Maryam al-Adhra initiiert, das sich um die Aussöhnung zwischen Christen und Muslimen bemüht. Der Renninger war so begeistert, dass er den Machern gleich eine kleine Spende in die Hand drückte. Unterstützen möchte er in der Zukunft auch einen Pfarrer in Kirkuk, der Häuser für Studenten angemietet hat. Das Gespräch nutzte er auch für einen Appell. „Ich sagte ihnen, dass sie Hoffnungsträger sind und mithelfen sollten, das Land aufzubauen, statt nach Europa zu gehen“, erzählt er.

Obwohl der Pfarrer die Lage im Irak für viel gefährlicher hält als in Syrien, das er im letzten Jahr bereist hatte, ist ihm zufolge zumindest in den kurdischen Gebieten nicht viel von einem Krieg zu merken. „Die Infrastruktur ist gut, die Geschäfte voll, und es gibt moderne Häuser, die auch in Stuttgart stehen könnten“, sagt Pitzal. Sorgen machte ihm viel mehr die Verständigung, wenn er mal auf eigene Faust los zog. „Mein Englisch ist nicht wirklich gut“, gesteht er. Aber er sei gut durchgekommen – auch trotz der weit mehr als 40 Grad. „Da würden andere schlapp machen!“