Beim LKZ-Talk kommen alle Kandidaten zu Wort und stellen sich den Fragen des Publikums.

Renningen - Wenn die Renninger über ihr neues Stadtoberhaupt befinden sollen, dann rennen sie schon mal Wände ein. Am Mittwochabend jedenfalls reichen die gut 120 Stühle im Bürgerhaus lange nicht aus, all die neugierigen Menschen unterzubringen. Schließlich ist das LKZ-Gespräch das erste Zusammentreffen der fünf Bewerber um den Chefsessel im Rathaus der 17 000-Einwohner-Stadt.

 

Dabei stellen sich die Kandidaten nicht nur den Fragen der Redakteure Kathrin Klette und Thomas K. Slotwinski, sondern auch denen der Gäste. Für die geht es bei der Wahl am 9. Oktober schließlich um die Zukunft ihrer Heimat. „Lärm“ ist ein Stichwort, das viele Renninger umtreibt, nicht nur beim LKZ-Talk. „Der gesamte Hummelbaum wird beschallt, seit die B 295 ausgebaut wurde“, beklagt sich ein Zuschauer.

Nicht nur beim Straßenbau, auch durch die Bosch-Ansiedlung und die großen Baugebiete: Renningen hat sich verändert, seit Wolfgang Faißt Bürgermeister ist. 16 Jahre amtiert er jetzt. „Wir konnten viel bewegen“, sagt er auf dem Podium. „Vor allem Renningen hat gewonnen – deshalb freue ich mich auf weitere acht Dienstjahre.“

Der Amtsinhaber verweist auf seine Bilanz

Mit dem Verweis auf seine Bilanz versucht der Amtsinhaber, das Publikum zu überzeugen. Renningen investiere schließlich jedes Jahr Millionen in die Kinderbetreuung, habe mehrmals die Bürger beteiligt – unter anderem etwa mit dem Lärm-Aktionsplan und sei „Wohnungsbauschwerpunkt in der Region Stuttgart“.

Genau da zieht aber der junge Mann am anderen Ende der Diskussionsrunde die Augenbrauen nach oben. Dennis Metzulat ist 35 Jahre alt, kommt aus Renningen, wohnt in Malmsheim und versucht auf dem Podium, diesen Heimatbonus auch auszuspielen. „Ich blicke hier in viele bekannte Gesichter“, sagt er, „wir alle kommen aus dieser schönen Umgebung“. Die wolle er auch seinen drei Söhnen hinterlassen, „denn es kann nicht sein, dass die sich das irgendwann nicht mehr leisten können“.

Gerade weil er von hier komme, könne er besser „auf Augenhöhe“ mit seinen Mitbürgern reden und sie auf allen multimedialen, modernen Kanälen beteiligen. Themen wie die Bürgerbeteiligung beim Lärmaktionsplan oder beim Verkehrskonzept seien ein guter Anfang in Renningen. „Aber wer kennt das schon“, fragt er ins Publikum. Das müsse wesentlich breiter diskutiert werden.

Dennis Metzulat will moderieren

Und das will Dennis Metzulat als Bürgermeister moderieren. Für dieses Amt sieht er sich gewachsen. „Ich führe momentan bei der Allianz 38 Mitarbeiter, und in die Themen im Rathaus werde ich mich in kurzer Zeit reinfuchsen.“

Die Bürgermeisterkandidaten haben pro Frage eine Minute Zeit, um zu antworten. Der Lärmschutz brennt den Bürgern besonders unter den Nägeln, nicht nur den Anwohnern neben der B 295. „Da will ich beim Regierungspräsidenten vorsprechen“, kündigt der amtierende Bürgermeister Wolfgang Faißt an. „Es kann nicht sein, dass der Lückenschluss so lange auf sich warten lässt.“

Der direkte Kontrahent Dennis Metzulat gibt sich auch hier als Renninger. „Ich hab’ selber im Hummelbaum gewohnt“, erzählt er. „Ich kenne das Problem, die Menschen leiden wirklich.“ Allerdings wisse er aus großen Unternehmen, dass man auch mit kleinen Schritten weiterkomme. Etwa einem Lärmschutzwall, wie er in Richtung Perouse umgesetzt wurde.

Viele Fragen – und viele Kandidaten. Beim LKZ-Talk kommen sie alle zu Wort, denn die Zuschauer interessieren sich für sie. „Von wem wurden Sie eigentlich gerufen?“, will eine LKZ-Leserin vom Weissacher Kandidaten Helmut Epple wissen.

Und bekommt nur „Datenschutz“ zur Antwort. Ob er mit Pfefferspray zu regieren gedenke? „In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung“, klärt der Kandidat auf. Und wann endlich eine Brücke über die Nordrandstraße komme? Diese Frage geht allerdings wiederum an Wolfgang Faißt. Der Amtsinhaber sagt, dass eine Unterführung zu überlegen sei.

Viel ist nach eineinhalb Stunden geredet worden, viele Argumente wurden ausgetauscht. Alfred Wilhelm von der Partei „Nein-Idee“ stellt sich zwar auf, will das Amt aber nicht antreten. „Sie müssen am Ende ihren Wunschkandidaten wählen“, sagt er – und hat damit Recht.

Der erfahrene Amtsinhaber: Wolfgang Faißt (54)

Seit 16 Jahren ist er im Amt. Wolfgang Faißt setzt darauf, dass die Renninger diese Kontinuität schätzen. „Ich kenne Sie alle, ich freue mich deshalb auf weitere acht Jahre mit Ihnen“, erklärt er seine erneute Kandidatur. Schließlich habe Renningen unter ihm eine Erfolgsgeschichte aufgeschlagen – vor allem mit einem Projekt. „Die Ansiedlung der Grundlagenforschung des Weltkonzerns Bosch vor unserer Haustür war sicherlich das Ereignis meiner Amtszeit“, meint er.

Dass damit die Wohnpreise immer mehr steigen, glaubt er nicht. „Wir sind keine Preistreiber – das ist die Europäische Zentralbank mit ihrer Niedrigzinspolitik.“ Dennoch wolle er in den nächsten Jahren mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren. Ebenso wie in die Kinderbetreuung. „Wenn etwas gut ist, muss es aber auch etwas wert sein“, sagt er mit Blick auf die hohen Gebühren. Engagieren will er sich zudem für den Lückenschluss der B 295. „Da habe ich schon einen Termin beim neuen Regierungspräsidenten.“

Der Gegenkandidat: Dennis Metzulat

Neue Ideen, mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung – das sind die Stichworte, die dem Wirtschaftsinformatiker wichtig sind. „Wir brauchen mehr Lust, neu zu denken“, sagt er. „Wenn Sie das wollen, freue ich mich, Sie zu begleiten.“

Seit zwei Jahren engagiert sich Dennis Metzulat in der Lokalpolitik, ist in Kontakt mit Gemeinderäten. Seines Erachtens hat Renningen nicht überall eine gute Entwicklung genommen. „Um 50 Prozent hat sich unser Wohnraum in drei Jahren verteuert. Und das in unserem schönen, beschaulichen Renningen und Malmsheim!“ Dem will er entgegenwirken mit einer wesentlich stärkeren Innenentwicklung und mit kleineren Baugebieten. „Die Hesse-Bahn wird Entspannung bringen, weil die Leute dann auch in Ostelsheim oder Althengstett wohnen können.“ Bei der Kinderbetreuung müssten vor allem berufstätige, alleinerziehende Eltern entlastet werden. „Da müssen wir mehr auf die Menschen schauen.

Der Nein-Sager: Alfred Wilhelm

Der Rentner Alfred Wilhelm aus Neuweiler ist ein Vertreter der Nein-Idee. Damit tritt er zwar als Bürgermeister-Kandidat an, würde aber im Falle einer Wahl das Amt ablehnen. „Wir wollen, dass Sie bei der Wahl eine Alternative haben, wenn Ihnen die Kandidaten nicht gefallen.“

Denn die Möglichkeit, mit Nein zu stimmen, habe man im baden-württembergischen Kommunalwahlrecht nicht. „Wenn Sie nein sagen wollen, dann müssen Sie mich wählen“, ruft er dem LKZ-Publikum zu. Denn dann lehne er das Amt ab, die Wahl müsse wiederholt werden – „und Sie bekommen bei der Neuwahl den Kandidaten, der Ihnen gefällt“. Dieses Prozedere erklärt Alfred Wilhelm den Zuhörern, muss bei konkreten Fragen allerdings ausweichen. „Die Nein-Idee kümmert sich nie um die jeweiligen Sachfragen, die die Leute vor Ort bewegen“, sagt er. Dementsprechend verabschiedet sich der Programmierer denn auch nach dem ersten Drittel der Diskussion.

Der Pädagoge: Ulrich Raisch (55)

Bürgermeister werden nicht für die Vergangenheit gewählt, sondern für die Zukunft – und die Zukunft seien Kinder. „Und dafür setze ich mich als Pädagoge ein“, sagt der Musiklehrer Ulrich Raisch. Und wer mit 30 pubertierenden Kindern klar komme, der könne erst recht eine Verwaltung führen. Und natürlich sei er auch qualifiziert, einen städtischen Haushalt vorzulegen. „Ich mache ja auch regelmäßig meine Steuererklärung“, erklärt er. „Und Verwaltungsrecht ist wirklich ein Hobby von mir.“

Renningen ist die insgesamt 28. Kandidatur als Bürgermeister. Dass er es hier versuche, sei für ihn logisch. „Schließlich habe ich hier bei meiner ersten Kandidatur vor acht Jahren mein bisher bestes Ergebnis erzielt“, sagt Ulrich Raisch. Vor der Stadt habe er sehr viel Hochachtung. „Allerdings mit so Themen wie Baugebieten habe ich mich nicht näher auseinandergesetzt.“ Bei allem, was geplant wird, will er aber die Nachhaltigkeit und die Folgen für die Umwelt bedenken.

Der Querdenker: Helmut Epple (59)

Er sei der Macher, der den Bürgerwillen akzeptiert, kündigt der Weissacher Helmut Epple an. In Renningen kandidiere er, weil „ich von Leuten gerufen wurde“. Schließlich kümmere er sich um alles und jeden. „Ich bin Kontrolleur, das wissen die Leute.“ Das habe er 2007 in Weissach bei einem Bürgerentscheid gezeigt.

Er kenne sich aus, betont Epple immer wieder. Etwa beim Thema Baugebiete. Wo solche entstehen dürfen, entscheide die Region Stuttgart anhand der Regionalplanung. Wer sich teure Wohnungen nicht leisten könne, „für den muss man eben das Wohngeld erhöhen“. Oder beim Thema Kinderbetreuung, wo er sich die Gebührenfreiheit von Rheinland-Pfalz zum Vorbild nehmen will. Ansonsten handelt Helmut Epple nach dem Motto „viel Feind, viel Ehr“, gibt er bekannt. „Der Minister Blüm hat auch jede Woche zwei Anzeigen bekommen.“ Seine Fans, die er nicht namentlich nennen will, goutierten, dass er den Datenschutz sehr ernst nehme.