Lückenschluss: Streit zwischen Kreis und Land bahnt sich an.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Renningen - Die Akten sind schon Teil der jüngeren Geschichte und belegen vor allem: „Wir brauchen in Deutschland dringend kürzere Planungsabläufe.“ So sieht es jedenfalls der CDU-Kreisrat Helmut Noë (Leonberg). Die immer neuen Verzögerungen beim Ausbau der A 81 seien „nicht mehr zumutbar“. Den aktuellen Unterlagen liegen alte aus den Jahren 2013 und 2009 bei. In Ersteren ist zu lesen, dass der Ausbau 2017 beginnen werde. Letztere belegen, dass das Vorhaben erstmals 1984 beschlossen wurde – einschließlich der Lärmschutzwände und des Deckels über der Straße.

 

Um ihn ging es bei der jüngsten Sitzung des Kreistages in Böblingen einmal mehr. Der Kreistag soll die ebenfalls einmal mehr gestiegenen Kosten genehmigen und künftige Steigerungen vorab abnicken. So geschieht es, gleichsam in Notwehr, denn niemand im Saal, nicht einmal die Grünen, hält die sechsspurige A 81 für verzichtbar. Nach aktuellem Stand beginnen die Arbeiten 2020 und werden sechs Jahre dauern.

Wirtschaft ist das Hauptargument

Das Hauptargument für den Ausbau sind nicht die Pendler, die Tag für Tag im Stau stehen, sondern die Wirtschaft. „Wir können uns keine ideologische Debatte leisten, sonst ziehen uns die Unternehmen weg.“ So hatte der Landrat Roland Bernhard gemahnt; allerdings nicht bei der Debatte über die Autobahn, sondern über ein anderes Straßenprojekt, das zumindest aus Sicht der Kreisräte mit dem A 81-Ausbau eng verknüpft ist. Und dessen Planung sich ähnlich lange hinzuziehen droht.

Das Projekt ist der Lückenschluss der Bundesstraßen 464 und 295 zwischen Renningen und Sindelfingen. Dieses Vorhaben hält die große Mehrheit der Kreisräte ebenfalls für dringlich. Weshalb sich ein Streit zwischen dem Landkreis und dem Land anbahnt. Das Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) hatte mitgeteilt, ein zeitgleicher Ausbau der Autobahn und der Bundesstraßen sei nicht möglich. Letztere könnten erst nach 2026 erweitert werden.

Womit womöglich neue Unternehmen mit einem Wegzug wegen des Dauerstaus drohen. Das Straßenstück ist die kürzeste Verbindung zwischen Böblingen und Leonberg. Bei Stau wegen der Autobahnbaustelle erwarten die RP-Planer, dass entsprechend viele Autofahrer diesen Weg wählen. Bauarbeiten seien mit der Funktion als Umleitung unvereinbar.

Schlimmste Träume

Diese Grundannahme des RP teilt der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt, nicht aber den Schluss. „Wir malen uns in unseren schlimmsten Träumen nicht aus, was passiert, wenn der Verkehr wegen des A 81-Ausbaus zunimmt“, sagt er. Schon in den vergangenen Jahren habe sich allein der Lkw-Verkehr mehr als verdoppelt.

Der Bürgermeister hat einen Schuldigen für die Misere ausgemacht. „Seit 2012 hatten wir Konsens über den Ausbau“, sagt er, „dann kam der Verkehrsminister nach Leonberg und wurde von unseren Grünen geimpft.“ Gemeint ist Winfried Hermann, Landesverkehrsminister mit grünem Parteibuch. Faißt ist nicht der Einzige, der argwöhnt, dass die Pläne mit deutlich mehr Druck vorangetrieben werden könnten.

Während der Kreistagsdebatte zum Thema warfen mehrere Redner dem Land Verzögerungstaktik vor. „Wir versuchen, zu retten, was andere hätten erledigen müssen“, sagte der Sozialdemokrat Tobias Brenner.

Ob die Rettung gelingt, scheint indes fraglich. Das Landratsamt will prüfen lassen, ob zumindest einige Engpässe der Bundesstraßen vorab beseitigt werden könnten. Und selbst wenn das Land dazu bereit wäre, könnte der Teilausbau frühestens 2023 beginnen – der Planungsabläufe in Deutschland wegen. Sechs Jahre sind rechnerisch die kürzest mögliche Zeit, die eine Behörde vom Plan bis zum Asphaltieren einer Straße braucht.