Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit füllt sich das große Forschungszentrum von Bosch jeden Tag mit mehr Leben. Mehr als die Hälfte der geplanten 1700 Mitarbeiter ist schon an ihren Arbeitsplätzen. Der Konzern bündelt hier seine weltweite Forschung.

Renningen - Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit füllt sich das große Forschungszentrum jeden Tag mit mehr Leben. Mehr als die Hälfte der geplanten 1700 Mitarbeiter ist schon an ihren Arbeitsplätzen. Wo noch vor wenigen Monaten geschraubt und gehämmert wurde, stehen jetzt PCs auf den höhenverstellbaren Schreibtischen. Mitten im Wald zwischen Malmsheim und Perouse bündelt der Technologiekonzern seine weltweite Forschung. Und in Renningen spricht man ehrfürchtig von einem Leuchtturm, der Bürgermeister Wolfgang Faißt nennt den Campus gar eine „Visitenkarte“.

 

Die kann sich sehen lassen. Das bemerkt der Besucher schon, wenn er das großzügige Foyer im 60 Meter hohen Hochhaus betritt. Vor einem Jahr war die imposante Stahltreppe, die aus einem Guss gefertigt wurde, noch pechschwarz, jetzt ist sie weiß gestrichen. Weiß ist überhaupt die dominierende Farbe in diesem lichtdurchfluteten Entrée.

Alexandra Albrecht, die für den Standort Renningen zuständige Sprecherin, führt die Besucher zu einem riesigen Touch-Screen im Empfangsbereich. Der Gast kann hier Zeitungen lesen auf den braunen Sitzmöbeln, und virtuell über dieses riesige Forschungsareal fliegen, das in drei Jahren entstanden ist.

„Dieser Bereich ist für die Öffentlichkeit“, erklärt Albrecht. Das unterstreicht auch Klaus Georg Bürger, der Projektmanager für den Umzug. „In dem Auditorium können auch Veranstaltungen stattfinden“, erzählt er, und betritt einen ebenfalls lichtdurchfluteten Hörsaal. Anders als das hermetisch abgeschirmte Entwicklungszentrum von Porsche in Weissach setzt Bosch also auf Offenheit. Was natürlich nicht heißt, dass der eigentliche Forschungscampus ungesichert ist. Schließlich sollen hier 20 Patente am Tag entwickelt werden.

Stolz zeigt Bürger den Grundstein, der einen Stockwerk tiefer zu sehen ist. Eine Zeitkapsel ist in ihm versenkt– mit der Zeitung, Dokumenten und Bildern. Damals, beim Spatenstich im Juni 2012, war der Ministerpräsident da, im Herbst wird sogar Bundesprominenz erwartet. Der Vorstands-Chef Volkmar Denner wird hier regelmäßig ein und aus gehen – denn die Forschung in Renningen wird direkt dem obersten Boschianer zugeordnet.

So legt der Konzern zusammen, was bisher auf die Standorte Schwieberdingen und Gerlingen verteilt war. „Schon die Tatsache, dass nicht mehr zehn oder 20 Kilometer zwischen den Abteilungen liegen, wird eine enorme Erleichterung bringen“, sagt Klaus Georg Bürger – der für den Umzug der 1700 Mitarbeiter extra seinen Ruhestand hinaus geschoben hat.

Vor allem aber soll Renningen ein Inkubator werden für ungewöhnliche, ja vielleicht sogar spinnerte Ideen. Eine Brutstätte für kreative Einfälle ist zum Beispiel eine Fertigungslinie in einem Labor. Früher hätte man dazu „Fließband“ gesagt, aber das beschreibt nur unzureichend diesen hoch komplexen Arbeitsplatz. Kleine Schiffchen fahren über einer Schiene im Kreis herum, an Kabeln, Stangen und Kästen vorbei. Hier kann einmal eine Kaffeemaschine zusammen geschraubt werden, oder ein Tacho. Joachim Frangen und Sven Hamann stehen fasziniert vor dem Laufband. Hier soll getestet werden, was unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ die totale Vernetzung in den Fabriken bringt. Jedes Gerät der Linie soll mit der Software der anderen kommunizieren. Am Ende wird alles schneller, effektiver, aufeinander besser abgestimmt.

„Das wenden wir bei unserer eigenen Produktion an, können es aber auch anderen verkaufen“, sagt Sven Hamann. Er ist einer der sechs Abteilungsleiter im Forschungszentrum, steht also in der Hierarchie ziemlich weit oben. Daher hat er auch ein eigenes Büro – und ist dennoch auf seinem Stockwerk ganz nah bei den Kollegen.

Zum Beispiel bei Joachim Frangen, einem Physiker, der in einem der Großraumbüros arbeitet. Wobei das Wort nicht ganz passt. „Gegliederte Räume“, sagt der Umzugs-Organisator Klaus Georg Bürger lieber. Das klingt zwar technisch, trifft aber den Punkt – alles ist offen, aber unterteilt. Kein Mitarbeiter soll mehr als eine Minute zum anderen brauchen.

Und überall gibt es kleine Besprechungsräume, Waben für Kreativität, für ein Brainstorming, oder um in Ruhe ein Projekt zu vollenden. Zum Beispiel haben Sven Hamann und Joachim Frangen den Apas entwickelt, einen kleinen Roboter, der in einer Fabrik mitten unter den Menschen arbeiten kann. „Sobald ihm jemand zu nahe kommt, weicht er zurück“, strahlt Frangen über diese Erfindung.

Dieser kleine Kerl, dessen Prototyp sie auf ihrem Schreibtisch stehen haben, ist der gute Geist einer Produktion. Er kann mit seinem Greifarm mit drei Fingern stupide Schrauben eindrehen, oder auch mal was zusammenschrauben. Es sind viele solcher kleiner Ideen, die hier entwickelt werden. Vielleicht sogar beim Gespräch bei Mittagessen. Die ebenfalls lichtdurchflutete Mensa hat einen herrlichen Blick auf den Malmsheimer Flugplatz, hier sieht man das riesige Neubaugebiet Schnallenäcker – in dem einmal ein großer Teil der Bosch-Mitarbeiter wohnen sollen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Rein rechnerisch sind während des Rundgangs schon wieder zwei Patente angemeldet worden – die dann von Renningen hinaus gehen in die ganze Welt.