Archäologen haben die Funde im Gewerbegebiet Raite weiter untersucht.

Renningen - Viele haben vielleicht nur müde mit den Schultern gezuckt, als es hieß, dass unter der Erde in Renningen zwei alte Brunnen entdeckt wurden. Für Archäologen, Historiker und alle, die sich nur ein wenig für die Geschichte ihrer Heimat interessieren, waren die Ausgrabungen in der Raite im Jahr 2017 eine echte Sensation. Seit damals wurden die Funde noch weiter untersucht, inzwischen haben sie es in das Sammelwerk „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2017“ geschafft, das vor Kurzem herausgegeben wurde. Sobald die Untersuchungen vollständig abgeschlossen sind, könnten die geborgenen Fundstücke in ein Museum. Doch das kann noch dauern.

 

Unter der Erde fanden sich unter anderem die Reste von mindestens 17 Gebäuden aus der Zeit um das 1. und 2. Jahrhundert vor Christus, dazu zwei Brunnen mit mehr als fünf Metern Tiefe – ein archäologischer Glücksgriff. Doch inwiefern? Viele der Funde in der Raite brachten vor allem für die Geschichte Renningens neue Erkenntnisse, für die Wissenschaft bestätigten sie in erster Linie das Bild, das es von der damaligen Zeit bereits gab.

Die Siedlung ist einzigartig

Dennoch hat der Fund in Renningen die Archäologen vor Ort in Staunen versetzt. Denn die Siedlung ist aus einem ganz bestimmten Grund einzigartig: „Wir kennen große, stadtähnliche Siedlungen einerseits und ein Milieu von bäuerlichen Kleinsiedlungen andererseits, die nie lange Bestand hatten“, berichtet Christian Bollacher vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen. „In Renningen haben wir eine Mischform: Es gab große Gebäude und sogar die Brunnen, obwohl die Siedlung unbefestigt war. Brunnen kannten wir vorher nur von befestigten Siedlungen, erklärt der Archäologe.“ Im Südwesten ließen sich solche wohlhabenden Siedlungen mit dörflichen Strukturen bislang kaum nachweisen.

Unabhängig davon bot die Entdeckung in dem heutigen Gewerbegebiet noch weitere spannende Einblicke. „Die Brunnen sind vor allem interessant, weil sie in den feuchten Boden hinabreichen“, erklärt Christian Bollacher. „Die Grundwassersituation hat sich seit damals nicht viel verändert, sodass organische Materialien wie Pflanzen und Holz erhalten geblieben sind.“ Hölzer und Feuchtbodenfunde, die in der Trockenheit zerfallen würden, kamen zum Teil nach Esslingen in die Restaurierungsstätte, so Bollacher.

„Dort werden sie so bearbeitet, dass sie irgendwann in einem Museum ausgestellt werden können.“ Dazu gehören zum Beispiel Gerätschaften wie ein Holztrog, „die man einem landwirtschaftlichen Betrieb zuordnen könnte“, ebenso weitere Funktionshölzer. „Man hat auch Pflanzenreste gefunden, kleinste Faser- und Stängelreste. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Pflanzen zu Leinen verarbeitet wurden.“

Und was haben die Menschen in Renningen damals auf ihren Feldern angebaut? Auch das lässt sich aus den Pflanzenfunden mittlerweile schließen. „Hauptsächlich Dinkel, das war relativ üblich, aber auch Emmer und Nacktweizen“, berichtet Christian Bollacher. „Dinkel war eine der Lieblingsgetreidesorten der Kelten.“ Die Landschaft um die Siedlung herum war wohl mosaikartig aufgebaut. „Wald und offene Felder und Gärten haben sich abgewechselt, das war früher etwas durchmischter als heute. Der Wald wurde in kleinen Beständen gepflegt.“

Faszinierende Erkenntnisse

Alle diese Funde und Erkenntnisse sind für sich genommen schon sehr faszinierend. Allein die Kuhschädel, die am Grund der Brunnen gefunden wurden. Warum sie dort versenkt wurden, bleibt letztlich ein Geheimnis. Bekannt ist nur, dass die Kelten ihre Siedlungen einst gezielt geräumt und ihre Häuser hinter sich niedergebrannt oder zerstört haben.Entsprechend wurden dann auch die Brunnen unbrauchbar gemacht.

„Der nächste Schritt wäre es nun, das Ganze in einen größeren Zusammenhang zu bringen“, sagt Bollacher. Zum Beispiel, die Häuser zu rekonstruieren, Fragen nachzugehen wie: Haben die Brunnen zeitgleich existiert? Wie lange bestanden die Häuser? „Erst dann ist das Thema erschöpfend aufgearbeitet. Das ist allerdings etwas, das wir hier im Amt leider nicht leisten können.“ Man hoffe deshalb auf eine Zusammenarbeit mit den Universitäten. „So etwas kann ein gutes Thema für eine Abschlussarbeit sein.“ Wie schnell sich dafür jemand findet, kann Bollacher nicht sagen. „Es bleibt leider nicht aus, dass sich so etwas über ein paar Jahre hinzieht“, bedauert er. „Aber wir haben im Amt extra eine neue Stelle geschaffen, damit wir enger mit den Universitäten zusammenarbeiten können.“