Seit 40 Jahren ist Franz Pitzal der oberste Hirte der Katholiken in der Rankbachstadt. Mit der legendären Krippe, den rekord-verdächtigen Sternsingeraktionen und Reisen in 70 Länder lässt der 77-Jährige den Stern der Gemeinde hell leuchten.

Renningen - Wie kann man ein ganzes Pfarrerleben in anderthalb Stunden besprechen? Franz Pitzal sitzt im grauen Pullover auf seinem Sofa. Auf seinem Schreibtisch stehen afrikanische Figuren, das Bücherregal quillt beinahe über vor lauter Aufzeichnungen, Korrespondenzen, Chroniken und Heften, die Pitzal selbst herausgegeben hat. Der 77-Jährige war schon in Nordkorea, im Iran und bei Guantanamo, kennt Bischöfe und Kardinäle in aller Welt, ist per Du mit Ratzinger. Und ist doch immer den 4000 Renninger Seelen treu geblieben, deren Bonifatiuskirche er zu einem Leuchtturm des gelebten Glaubens hat erstrahlen lassen.

 

Nein, eigentlich ist es ihm nicht recht, dass so viel Aufhebens um seine Person gemacht hat. Andererseits wäre er vermutlich auch ziemlich enttäuscht, wenn gar kein Aufhebens gemacht würde. So ist er, bescheiden einerseits, und dennoch immer bedacht, dass seine Mission ins rechte Licht gestellt wird. Denn darum geht es ihm, das Evangelium mit Freude zu leben, mit Leidenschaft in die Welt zu tragen, und so Gemeinschaft zu schaffen. „Wir kommen immer weniger zueinander in unserer Gesellschaft“, findet Pitzal.

Bescheidene Verhältnisse

Er kommt aus kleinen Verhältnissen. Die Familie wurde aus Tschechien vertrieben, als Pitzal neun Jahre alt war. Ohne große Besitztümer kam er in dem Dörfchen Leinzell im Ostalbkreis an, dort ist er aufgewachsen. Noch heute hat er Verbindungen dorthin, spricht gelegentlich dort in Kirchen. Zunächst hat er sieben Jahre in Schwäbisch Gmünd beim Uhrenhersteller Billingmaier gearbeitet.

Doch damit war sein Leben nicht ausgefüllt. Er meldete sich bei der katholischen Diözese, wurde dort „Jugendführer“ für das ganze Bundesland, reiste von Friedrichshafen bis Bad Mergentheim. Dann hat er in Stuttgart-Bad Cannstatt ein humanistisches Abitur nachgemacht. „Das waren fünf harte Jahre, wir mussten Latein, Griechisch und Hebräisch lernen.“ Nun musste Franz Pitzal eine folgenschwere Entscheidung treffen. „Ich wollte mit Menschen zusammen sein, dafür war der Pfarrberuf ideal“, erzählt er.

Doch das bedeutete, den Zölibat zu leben, auf eine Frau und auf Kinder zu verzichten. „Das hat mich schon umgetrieben“, sagt er. Und erklärt, der lehne diese Regelung ab, habe sie akzeptiert, und seine Entscheidung nie bedauert. Pitzal wandte sich ganz der geistigen Welt zu und begann 1965 in Tübingen Theologie zu studieren. Seine Lehrmeister waren Hans Küng und Joseph Ratzinger. „Wir gingen lieber zum Ratzinger, der Küng war uns zu streng“, sagt der Geistliche schmunzelnd. Als Theologensprecher hatte Pitzal viel mit Ratzinger zu tun, gemeinsam haben sie ökumenische Messen gefeiert. Als Pitzal den damaligen Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz in Rom getroffen hat, erinnerte sich dieser noch an eine Weihnachtsfeier auf der Wurmlinger Kapelle. Pitzal brachte dem Papst Maultaschen und Spätzle nach Rom – bodenständig, wie er ist.

Pitzal nimmt die Lehren der Kirche nicht immer todernst

Mitten in die 68er-Bewegung kam der junge Mann, mit der er wenig anfangen konnte. Sozialistische Theorien und Vietnamproteste waren seine Sache nicht, obgleich er den Schah-Besuch in München hautnah miterlebte. Franz Pitzal zog sich eher aus Versammlungen zurück, wenn bis in die Nacht über Unistreiks debattiert wurde. „Mir ging es um die katholische Soziallehre“, erzählt der Pfarrer. Ein Wissenschaftler sei er nicht, eher ein Praktiker. Er nimmt die strengen Lehren der Kirche nicht immer todernst. „Als ich den ersten Satz meiner zweiten Dienstprüfung geschrieben habe, musste ich lachen“, sagt der 77-Jährige und schmunzelt.

Nach dem Studium wurde Pitzal in Aalen zum Priester geweiht, war in Kornwestheim erst Diakon und dann Vikar. Und dann war der erste Advent 1973, an den Sonntagen herrschte wegen der Ölkrise Fahrverbot. Aber nicht für Pfarrer, Pitzal wurde nach Göppingen geschickt – und nach Renningen. Nur für ein paar Wochen. Daraus wurden dann 40 Jahre. Obwohl er nie eingesetzt wurde, offiziell ist er in den Büchern immer noch als „Pfarrverweser“ geführt, auch wenn er ausreichend Urkunden hat, sich Pfarrer zu nennen. Doch das zählte von diesem Zeitpunkt an nicht mehr. Franz Pitzal wurde zum Menschenfischer, der jedem ein offenes Ohr schenkte. Etwa zwei Jugendlichen, die in der Nacht bei einem Autounfall ihre Eltern verloren hatten. Pitzal musste zu ihnen fahren und die furchtbare Nachricht überbringen, stand als Seelsorger zur Seite. Einmal musste er einen widerspenstigen Senior besuchen. „Er hat gerufen: Ich erschieß’ dich! Da habe ich gesagt: Das ist mir egal, ich komme jetzt rein.“

Dieser unerschütterliche Optimismus zeichnet Pitzal aus, genauso wie Unerschrockenheit, Begeisterung und schier unerschöpfliche Kreativität. „Ich will nie zwei Mal das Gleiche tun“, sagt er. Und so hat er aus einfachen Krippenausstellungen in den 70er-Jahren eine landesweit beachtete Schau gemacht. Mit Schloss Sanssouci in Potsdam, mit allen Bundesländern, mit historischen Bauten, am provokantesten 2006 zur Fußball-WM. Gut 80 Meter Krippe immer wieder mit neuen Figuren zu gestalten, und das seit 34 Jahren, ist beeindruckend. In einem Nebenzimmer des Pfarrhauses hat er mehrere Hundert Figuren. „Das sind nur die übrigen“, murmelt Pitzal. Dass auch Promis kommen, von Manfred Rommel bis Ministerpräsidenten wie Lothar Späth oder Günther Oettinger, ist ihm einerseits nicht wichtig, aber irgendwie wieder doch. „Ich mag das Wort Promis nicht“, sagt er. Und doch wäre er enttäuscht, wenn sie nicht kämen.

Ein Porträt von Franz Pitzal wäre nicht komplett, ohne seine unzähligen Auslandsreisen aufzuzählen. Zu Bischöfen in aller Welt hält er Kontakt, seine Sternsingeraktionen haben 1,7 Millionen Euro eingespielt. „In Nordkorea sind wir nachts über die Grenze, das war gespenstisch“, erinnert er sich. Obwohl es nicht vorgesehen war, kam er in die katholische Kirche in Pjöngjang. In Papua Neuguinea wäre er bei einem Tsunami fast ums Leben gekommen. In Tschernobyl, in vielen Ländern Afrikas – überall hat er geholfen.

Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Das gilt für die 40 Jahre fast ebenso wie für das Gespräch mit Franz Pitzal. „Und, wann kommen Sie zur Krippe?“, fragt er freundlich. Da ist er wieder, der Menschenfischer, dem man sich nicht entziehen kann. Ja, der Autor geht auch zur Renninger Krippe.

Dorthin, wo Menschen zusammenkommen, und wo Franz Pitzal ist.