Seit einem Jahr demonstrieren Fahrradfahrer jeden Freitag für einen Radweg zwischen Malmsheim und Perouse. Der Landkreis würde ihn zwar bauen und bezahlen – darf das aber nicht, weil Renningen dagegen ist. Wie lange noch?

Verkehr - Einmal von Malmsheim nach Perouse und zurück – samt Polizeibegleitung. Das ist seit einem Jahr an jedem Freitag zwischen Malmsheim und Perouse zu beobachten. Die Radfahrer aus Renningen, Rutesheim und der Umgebung werden nicht müde, sich mit ihrem Protestradeln für einen neuen Radweg dort einzusetzen. Bislang zwar noch ohne Erfolg. Doch die Fronten sind alles andere als verhärtet. Jetzt hat sich der ADFC-Kreisverband mit einem Schreiben an den neu gewählten Renninger Gemeinderat gewendet. Der Wunsch: Das Thema soll erneut auf die Tagesordnung kommen.

 

Die Kreisstraße zwischen Malmsheim und Perouse wurde bereits 2008 und 2009 vom Landkreis ausgebaut – allerdings ohne einen Radweg. Später dann, 2014, entschied sich der Böblinger Kreistag doch, einen solchen zu bauen. Das letzte Wort haben dabei allerdings Rutesheim und Renningen, da städtische Flächen davon betroffen sind. Der Rutesheimer Rat stimmte direkt zu, in Renningen war die Mehrheit jedoch gegen den Ausbau. Ein Argument waren die hohen Kosten und die Notwendigkeit, für den Ausbau zahlreiche neu gepflanzte Bäume zu fällen. Ein anderes, dass sich im Wald bereits Wege befinden.

Schon mehr als 40 Demo-Touren

Seit dem Sommer 2018 treffen sich nun jeden Freitag ambitionierte Radfahrer zu einem Demo-Radeln auf der Strecke zwischen Malmsheim und Perouse – am vergangenen Freitag zum 41. Mal – um damit die Renninger Politiker zu einem Umdenken zu bewegen. Immer in Begleitung eines Polizeifahrzeugs. „Ohne das wäre die Sache viel zu gefährlich“, sagt Lothar Braun vom ADFC. Die Sicherheit ist auch einer der Gründe, warum sich der Renninger so für einen Radweg begleitend zur Kreisstraße einsetzt.

Bislang argumentierte die Renninger Verwaltung, dass es im Wald entlang der Straße zahlreiche Waldwege gebe, die auch von Radfahrern genutzt werden könnten. Das sieht man im Rutesheimer Rathaus anders. „Es muss zwischen Freizeitradlern und Alltagsradlern unterschieden werden. Hier geht es vor allem um die Alltagsradler, sprich Berufspendler“, sagt der Beigeordnete Martin Killinger. Nur, wenn es attraktive Radwege gebe, könne man den Anteil des Radverkehrs erhöhen. „Der bloße Verweis auf Waldwege hilft da sicherlich nicht“, ist Killinger überzeugt.

ADFC: Ein straßenbegleitender Weg ist sicherer

Lothar Braun vom ADFC stimmt dem zu: „Ein Radweg für den Alltagsverkehr muss asphaltiert sein, komfortabel, ausreichend breit auch für höhere Geschwindigkeiten, umwegfrei und arm an Höhendifferenzen.“ Viele Pendler seien ja auch mit einem Rennrad unterwegs. Einen vorhandenen Waldweg zu asphaltieren, mache keinen Sinn, das sähen auch die beiden Stadtverwaltungen so. Bei schlechtem Wetter und Dunkelheit sei ein straßenbegleitender Radweg sicherer.

Als die Kreisstraße 2009 ausgebaut wurde, sei vieles in der Planung nicht bedacht worden, meint Braun. Etwa der neue Autobahnanschluss in Rutesheim, der mehr Verkehr mit sich bringt, gerade auch Schwerlastverkehr. Oder die spätere Ansiedlung von Bosch in Malmsheim. „Nicht zuletzt dadurch ist die Nachfrage nach gut befahrbaren Radwegen deutlich gestiegen“, berichtet Peter Grotz, der Vorsitzende des ADFC-Kreisverbandes. Zahlreiche Bosch-Mitarbeiter hätten dies kürzlich bei einem Mobilitätstag des Unternehmens, bei dem auch der ADFC vertreten war, sehr deutlich artikuliert.

Das unterstreicht der Rutesheimer Beigeordnete Martin Killinger, der sehr deutlich für den Bau des Radwegs eintritt. „Die Größe der Firma Bosch in Malmsheim entspricht verkehrlich einem Stadtteil mit weit über 10 000 Einwohnern.“ Schon allein deshalb sei der Radweg zwingend erforderlich.

Die Einsicht nimmt zu

Zwar habe sich der Renninger Gemeinderat im Februar zum Klimaschutz bekannt. „Und die Einsicht, den Radverkehr beim Thema Mobilität erheblich stärker zu berücksichtigen, nimmt seit Jahren auf allen politischen Ebenen zu“, sagt Lothar Braun von den Demo-Radlern. Doch sieht er diese Erkenntnis noch nicht beim Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt angekommen. „Die Kinder, die jeden Freitag auf die Straße gehen, haben mehr kapiert als Herr Faißt“, sagt Braun. Er hofft nun, dass der neu gewählte Renninger Gemeinderat durch die veränderte Zusammensetzung auch zu einer neuen Beurteilung in Sachen Radweg kommt.

Auch die Stadt Rutesheim bleibt beim überzeugten „Ja“ zum Radweg. Das Radwegekonzept sei vom Kreistag einstimmig beschlossen, der Kreis sei bereit zu bauen. Als „wichtiges Projekt mit großem Nachfragepotenzial“ hatte der Kreis den Weg eingestuft. Der Beigeordnete Martin Killinger ist guter Dinge: „Bürgermeister Faißt hat uns in einem persönlichen Gespräch zugesagt, dass er mit dem neu gewählten Gemeinderat von Renningen über das Projekt im Herbst 2019 neu sprechen wird.“ Soweit Eingriffe im Wald unvermeidbar sind, müssten diese ausgeglichen werden.

Schreiben an den Renninger Rat

Seit Juli sitzt ein neu gewähltes Gremium am Renninger Ratstisch. Anlass für den ADFC, sich noch einmal ganz offiziell an die Politiker zu wenden: „Im Radverkehrskonzept des Landkreises Böblingen ist das Ziel formuliert, bis zum Jahr 2025 einen Radverkehrsanteil von 20 Prozent zu erreichen. Hierzu ist eine gute Infrastruktur zwingend erforderlich. Wir setzen uns mit den Aktiven vor Ort dafür ein, dass diese Entscheidung durch den neu gewählten Gemeinderat nochmals überprüft wird“, heißt es in dem Brief.

Im Ergebnis sind die ersten Reaktionen aus dem Gremium zwar unterschiedlich, für eine Diskussion sind aber alle offen. Diese könnte auf der Basis von aktuellen Daten geführt werden, zum Beispiel darüber, wie hoch die zu erwartenden Kosten sind und wie hoch der Bedarf mittlerweile ist. Auch möchten sich die neu zusammengesetzten Fraktionen erst noch untereinander abstimmen.

So zum Beispiel die CDU-Fraktion, in der von vier Mitgliedern drei neu hinzugekommen sind. Jedoch setze sich die CDU explizit für Radverkehr ein, betont der neue Vorsitzende Ralph Geyer. Das Thema „wird uns auch in den nächsten Jahren mehr und mehr beschäftigen“. Jan Hambach, Fraktionsvorsitzender der SPD, regt beispielsweise an, ob sich der bestehende Weg zwischen Malmsheim und Perouse nicht kostengünstiger ausbauen ließe. Für das geforderte Projekt war bisher von rund 600 000 Euro die Rede. „Nach wie vor halten wir es nicht für besonders ökologisch, für einen asphaltierten, fahrbahnbegleitenden Radweg einen neu eingepflanzten Wald abzuholzen, mehr Fläche zu versiegeln und eventuell noch eine Beleuchtung mitten im Wald anzubringen.“

Jochen Breutner-Menschick (Grüne) war schon von vornherein für den Radweg. Dieser sei „eine wichtige Maßnahme“. Er erinnert daran, dass der Renninger Rat sich erst jüngst den Pariser Klimazielen verpflichtet hat. „Unserer Auffassung nach ist der Ausbau des Radwegenetzes ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahmen, um die Ziele im Verkehrssektor zu erreichen.“