Was Alkohol alles anrichten kann, das zeigt das englische Theaterstück „One for the Road“, das die Schauspielerinnen aus Großbritannien vom „Flying Fish Theatre“ gestern im Renninger Schulzentrum auf die Bühne gebracht haben.

Renningen - Es ist mitten in der Nacht, an einer Zugstrecke irgendwo in England. Vier Jugendliche liegen auf den Gleisen, warten darauf, dass ein Zug heran rast. Es ist eine Mutprobe: wer zuletzt wegspringt, wenn der Zug kommt, der hat gewonnen. Doch dann kommt alles anders. Die vier Jungs sind betrunken, ihre Reaktionsfähigkeit ist eingeschränkt. Der Zugfahrer kann nicht mehr bremsen, überrollt sie. Alle vier sterben bei dem Unfall. Zurück bleiben ihre Freundinnen Lisa und Lucy, die fortan von Albträumen und Vorwürfen geplagt werden. „Wenn wir das nur alles ungeschehen machen könnten“, sagen sie. Denn sie haben von der Mutprobe gewusst. Und auch sie waren an diesem Abend ziemlich betrunken.

 

„One for the road“ (ein Absacker) heißt das Theaterstück, in dem es um den Alkoholkonsum von Jugendlichen geht und darum, welche Folgen die Trinkerei haben kann. Es dient der Suchtprävention und zeigt, wie leicht junge Leute an Alkohol herankommen und wie selbstverständlich es für einige geworden ist, dass sie sich regelmäßig betrinken. Ausgedacht haben sich die realistische und zugleich auch schockierende Geschichte die Macher des „Flying Fish Theatre“ aus Krefeld. Mit diesem und anderen englischen Stücken sind sie in ganz Deutschland unterwegs und bringen Schülern verschiedener Altersgruppen englisches Theater näher.

Gespielt werden Lisa und Lucy von den beiden britischen Schauspielerinnen Rebecca Newman und Mairi Jack. Eine halbe Stunde lang erzählen sie den 180 Realschülern in der Aula im Renninger Schulzentrum, wie aus einem Abend in einer Diskothek, der harmlos beginnt, ein Albtraum wird. Das Besondere: das Stück wird auf Englisch gespielt. Das Bühnenbild besteht nur aus einer Wand, ein paar großen Holzklötzen, einer Leiter und vielen Flaschen.

Lucy und Lisa sind 15 Jahre alt und beste Freundinnen. Lucy hat schon Erfahrung mit Alkohol, er gehört zu ihrem Alltag. Denn Lucys Eltern trinken jeden Abend, im Wohnzimmer haben sie eine gut gefüllte Bar, die niemals abgeschlossen ist. „Ein Smirnoff auf Eis ist das, was du nach einem harten Tag brauchst“, erklärt Lucy, als sei es das normalste der Welt. Sie trinkt schon lange, ihre Eltern interessieren sich nicht für sie oder für das, was sie macht. Sie ist überzeugt: Ohne Alkohol macht das Leben nur halb so viel Spaß.

Lisa hingegen kann das gar nicht verstehen. Sie versucht, ihrer Freundin zu erklären, warum Alkohol schädlich sein kann. „Wenn du zu viel trinkst, ruinierst du die Bikinifigur und bekommst einen fetten Hintern“, sagt sie. Doch Lucy ist das egal. Stattdessen überredet sie Lisa aufs Neue, an der Bar in der Disco neuen Alkohol zu kaufen. Immer wieder versucht Lisa, Lucy vom Trinken abzuhalten. „Wie kannst du das Zeug nur trinken? Es schmeckt widerlich“, schimpft sie. „Und wie willst du jemals einen Jungen kennen lernen, wenn du so gestochen redest wie ein Buch?“, entgegnet Lucy. Mit Alkohol geht doch alles leichter. Im Laufe des Abends werden die Mädchen immer betrunkener, tanzen wild, singen laut und haben viel Spaß.

Doch der Spaß spielt sich nur in ihren Köpfen ab. Dass sie zunehmend abstoßender auf andere wirken, nehmen sie gar nicht wahr, ihre Köpfe sind so vom Alkohol benebelt. Schließlich wollen sie sich mit den Jungs treffen. Darunter ist auch Jack, in den Lucy heimlich verknallt ist. Sie will es ihm sagen, weiß aber nicht wie. Und trinkt sich Mut an. Irgendwann torkeln die beiden Mädchen aus der Disco. Lucy reißt die Arme hoch: „Wir sind Superhelden und nichts und niemand kann uns was“, brüllt sie in die Nacht. Lisa robbt über den Boden und kichert vor sich hin. Sie ist total betrunken und zieht trotzdem los, neuen Alkohol zu besorgen. Übers Handy erfahren sie, dass die Jungs inzwischen bei den Bahngleisen sind, um ihre Mutprobe zu machen. Die Mädchen stolpern hin, wollen dabei sein. Doch sie kommen nicht so recht voran, der Alkohol betäubt ihre Körper.

Plötzlich hallt das laute Horn eines Zuges durch die Nacht. Der Zugfahrer versucht zu bremsen, aber er schafft es nicht. Er überfährt die vier Jungs. „Plötzlich war überall Blut, wir konnten nichts tun“, erzählt Lucy. Von jetzt auf gleich ist alles anders. Ihre Freunde sind tot, weil sie sich im Alkoholrausch nicht mehr kontrollieren und rechtzeitig reagieren konnten. Der Zugfahrer hat Albträume, Jacks Schwester hat ihren großen Bruder verloren.

Mit dieser Geschichte zeigen Rebecca Newman und Mairi Jack vom „Flying Fish Theatre“ den Renninger Schülern, was Alkohol alles anrichten kann. „Wir wollen damit eine Botschaft rüberbringen“, erklärt Mairi Jack aus Schottland. „Die Jugendlichen müssen wissen, was passieren kann.“ Das findet auch Silke Fohler. Sie ist Englischlehrerin an der Realschule. „Alkohol ist ein aktuelles Thema, darüber muss man mit den Jugendlichen sprechen“, erklärt sie. Ihr hat „One for the road“ gut gefallen. Das Stück kläre die Schüler auf. „Aber ganz ohne mahnenden Zeigefinger“, sagt Silke Fohler. Vielmehr rege es die Schüler zum Nachdenken an. „Und sie lernen noch etwas Englisch.“

Auch den Achtklässlerinnen Paula, Frederike, Olivia, Maja, Hannah, Fabienne und Ann-Kathrin hat das Theater gefallen. „Es ist gut, dass am Ende etwas Schlimmes passiert, das schreckt ab“, sagt Paula. Außerdem haben die Schauspielerinnen das Thema verständlich rüber gebracht und sich gut in die Rollen reinversetzt, findet Fabienne. Auch wenn sie erst 13 oder 14 Jahre alt sind, Alkohol ist auch bei ihnen ein Thema. „Wir reden zu Hause schon darüber, was da passieren kann“, erzählt Maja.