Rent-A-Pastor Der Miet-Pastor erteilt den Segen

Über eine Internetseite können Paare, die nicht in der Kirche sind, Theologen für die Hochzeit mieten. So auch Olaf Stratmann. Ein ganz normales Geschäft?
Stuttgart - Sein Hemd mit Priesterkragen trägt Olaf Stratmann nur noch selten beruflich. Es reicht seinen heutigen Kunden meist zu wissen, dass er Pastor ist. Olaf Stratmann hilft denen, die nicht mehr in der Kirche sind, sich den Traum von der klassischen Hochzeit zu erfüllen: Über die Internetseite www.rent-a-pastor.com kann man den ehemaligen Pastor einer Stuttgarter Freikirche buchen.
Zwischen 450 und 600 Euro kostet eine Hochzeit – die Trauungszeremonie samt Segen inklusive. Beerdigungen sind günstiger. Stratmann findet nicht, dass das ein fragwürdiges Geschäft ist. „Mit der Hochzeit machen wir das Geschäft, aber wir vermarkten nicht den Glauben“, betont er.
Pro Woche zehn Buchungsanfragen
Dass sich freie Redner auf Hochzeiten und Beerdigungen spezialisieren, ist nicht neu. Ungewöhnlich ist, dass sich Theologen über eine Agentur vernetzen: Mehr als 20 Pastoren, Theologen und ehemalige Pfarrer aus Deutschland sind auf Rent-a-Pastor vertreten. Pro Woche gebe es zehn Buchungsanfragen, so der Gründer der Seite, Samuel Diekmann. Dabei soll es nicht bleiben. „Die Kirchenaustritte machen deutlich, dass die Seite Potenzial hat“, sagt der Pastor einer freien Gemeinde im hessischen Dietzenbach. Österreich und die Schweiz hat er bereits im Programm. Großbritannien und die USA sollen folgen.
In der Kirche wird das Angebot nicht als echte Konkurrenz gesehen. „Was unsere Pastoren machen, hat eine ganz andere Qualität in puncto Begleitung“, sagt der Sprecher der evangelischen Landeskirche, Oliver Hoesch. Über die Seite werde nur eine „einzelne Event-Dienstleistung“, geboten, kritisiert er. Das stehe eigentlich im Widerspruch zum Anspruch eines Pastors: einen kontinuierlich zu begleiten und auf Dauer ansprechbar zu sein.
Kritik an Haltung der Kunden
Natürlich könne man niemandem verbieten, Theologie zu studieren und sich als Redner selbstständig zu machen, sagt der Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Uwe Renz. Katholischen Pfarrern sei eine Trauung von Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, aber nicht erlaubt – und Kirchenmitglieder müssten für eine Trauung zudem nichts zahlen. Bei einer Trauung gehe es um mehr als um eine schöne Feier und Äußerlichkeiten wie ein weißes Kleid, betont Renz und übt damit indirekt Kritik an der Haltung der Kunden. „Es sind Glaubensinhalte damit verbunden, das Paar wird angebunden an die Gemeinde“, sagt er. Auch Oliver Hoesch fragt sich, warum die Leute überhaupt aus der Kirche ausgetreten sind, wenn sie auf ihrer Hochzeit doch einen Pfarrer hören wollten?
Olaf Stratmann sieht das erwartungsgemäß etwas anders. Nicht jeder, der keine Kirchensteuer mehr zahlt, sei wegen des Geldes ausgetreten,sagt er. Ihnen habe die Institution Kirche, die Verpackung des Glaubens, nicht mehr gepasst. Das Christentum sei selten wirklich abgehakt, ist sein Eindruck. Die Dienstleistung könne die Leute sogar wieder in die Nähe der Kirche führen, argumentiert er. Noch ist Stratmann nicht über Rent-A-Pastor gebucht worden. Aber er ist auch erst seit knapp drei Wochen auf der Seite vertreten, nachdem er seine Dienstleistung zuvor lange als Einzelkämpfer vermarktet hat. „Ich habe jetzt eine breitere Basis“, sagt er.
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