Die Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) zwingt Regierung und Partei wieder einmal ein Thema auf. Sie will sich nicht vertrösten lassen.

Berlin - Es ist die Ministerin, die das Kommando gibt. Ursula von der Leyen ist eine zierliche Frau, was in diesem Moment besonders auffällt, als vier jüngere Unionsabgeordnete mit großer Statur neben ihr stehen. Die Arbeitsministerin macht bei einer Pressekonferenz trotz Größenunterschiede deutlich, wer den Ton angibt. „Kommen sie an meine Seite“, ruft Frau von der Leyen dem baden-württembergischen CDU-Abgeordneten Thomas Bareiß zu. Die Ministerin hat Kritiker aus den eigenen Reihen zum Gespräch ins Ministerium gebeten. Freundlich im Ton macht sie klar, dass sie ihre Pläne nicht zurücknehmen will. Philipp Mißfelder, der als Chef der Jungen Union ebenfalls ins Ministerium gekommen ist, versucht den Streit herunterzuspielen. Es gehe nicht um einen Konflikt, sondern um Streit in der Sache. „Wir wissen, was wir an Frau von der Leyen haben“, beschwichtigt Mißfelder.

 

Die jungen Abgeordneten aus der Unionsfraktion sind nicht die einzigen, die Zweifel am Kurs in der Rentenpolitik äußern. Es gibt in der Union und der FDP viele Einwände gegen Ursula von der Leyens (CDU) Pläne. Die Sozialministerin will die Renten von Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen in Zukunft aufstocken. Auch die Bundeskanzlerin ist von dem Lieblingsprojekt ihrer Ministerin nicht überzeugt. Doch Ursula von der Leyen ist entschlossen, die Zweifel auszuräumen. Ihr Haus hat Daten und Grafiken zusammengestellt, die zeigen sollen: Es muss gehandelt werden. Schon oft stand die Politikerin vor unüberwindlbaren Hindernissen. Es ist nicht das erste Mal, dass die resolute Ministerin ihrer Partei unbequeme Debatten aufzwingt. Jetzt sagen viele, die Sozialpolitikerin habe zu hoch gepokert.

Übel nehmen ihr die eigenen Leute, dass die Ministerin die Rente schlechtredet. Das bringt auch diejenigen auf die Palme, die sonst treu zu Frau von der Leyen stehen. Seitdem die Ministerin fragwürdige Berechnungen öffentlich machte, wonach Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen in zwanzig Jahren mit Armutsrenten rechnen müssen wird erbittert gestritten. In der Unionsfraktion findet sich kaum jemand, der das Verhalten der Ministerin gutheißt. Nach außen hin, heißt es in der Fraktion zwar, die Ministerin habe eine mutige Debatte angestoßen. Mißfelder spricht von Tabubruch. Intern klingt das anders: Das Vertrauen in die Rente dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden, sagen viele Koalitionäre. Auch die Deutsche Rentenversicherung ist auf Distanz gegangen.

Die harsche Kritik ficht von der Leyen nicht an. Dass die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht vor Widerständen nicht zurückschreckt, hat sie bewiesen. Gegen heftige Kritik in den eigenen Reihen setze sie einst als Familienministerin das Erziehungsgeld und den Ausbau der Kinderbetreuung durch. Ihre Durchsetzungsfähigkeit stellte von der Leyen damit unter Beweis. Doch dieses Mal könnte es anders kommen. Der Unionsfraktionschef Volker Kauder, ohnehin kein Freund der Ministerin, hat bereits deutlich gemacht, dass es so nicht geht. Auch Gewerkschaften, Arbeitgeber und Sozialverbände erheben Einwände. Nicht zum ersten Mal könnte ein Vorzeigeprojekt der CDU-Politikerin scheitern. Als sie sich vor einiger Zeit für eine Frauenquote im Management der Unternehmen aussprach, wurde sie von der Kanzlerin zurückgepfiffen. Seitdem ist klar, dass auch Frau von der Leyen nicht über Wasser laufen kann.

In der Unionsfraktion gibt es nicht wenige, die es der Ministerin einen Misserfolg gönnen würden. Unbeliebt ist die forsche Streiterin, weil sie sich als Einzelkämpferin versteht. Sie kenne nur sich selbst und es komme ihr darauf an, die eigene Person in Szene setzen zu können, ist von Unionsabgeordneten zu hören. Oft ist auch die Klage zu hören, die Ministerin presche in den Medien mit Ideen voran, ohne sich vorher mit den eigenen Leuten abzustimmen. Vor eineinhalb Jahren startete das Ministerium mit Vertretern von Verbänden und Gewerkschaften einen Rentendialog. Heute sehen viele Beteiligte diesen Runden Tisch als PR-Aktion an, denn es stand vorher fest, was herauskommen soll.

Immer wieder ist es der Fraktionschef Volker Kauder, der von der Leyen ausbremst. Als die Ministerin den Vorschlag machte, die notleidenden Euroländer sollten ihren Goldschatz als Sicherheit hinterlegen, versuchte der Finanzminister Wolfgang Schäuble vergeblich, seiner Kabinettskollegen den Einfall auszureden. Kauder übernahm schließlich die Aufgabe, die Debatte für beendet zu erklären.

In der Union wird überlegt, wie die Ministerin aus der Sackgasse findet. „Niemand will sie beschädigen“, sagt ein Koalitionär. „Wir müssen ihr helfen, aus der Sache heil herauszukommen.“ Nachgedacht wird darüber, das Rentenpaket aufzuschnüren und nach der Wahl über Maßnahmen gegen Altersarmut zu entscheiden. Das will von der Leyen, die stellvertretende CDU-Vorsitzende ist, verhindern. Ihre Beharrlichkeit ist nicht zu unterschätzen.