Die Rentenversicherung feiert ihr 125-jähriges Jubiläum. Die Rente ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte, kommentiert die StZ-Redakteurin Barbara Thurner-Fromm. Allerdings eine mit gehörigen Makeln.

Stuttgart - Angela Merkel hat schon recht: Die soziale Rentenversicherung ist eine Erfolgsgeschichte. Begründet vom damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck, der die soziale Not der Arbeiterschaft als sozialen Sprengstoff erkannt hatte, sicherte die Rentenversicherung seit 1889 nicht nur den Lebensabend von zig Millionen Menschen materiell ab. Sie überstand in den bisher 125 Jahren ihres Bestehens auch zwei Weltkriege und Massenarbeitslosigkeit. Zudem bestand sie die Herausforderungen der Wiedervereinigung Deutschlands. Es gibt im politischen Bereich wenig, das sich als vergleichbar stabil erwiesen hätte. Man mag immer noch lächeln über die Werbeaktion des früheren CDU-Sozialministers Norbert Blüm, der 1986 eigenhändig Plakate klebte mit dem Slogan „Denn eins ist sicher: Die Rente.“ Aber 28 Jahre danach muss man zumindest eingestehen: Der legendäre Herz-Jesu-Sozialist der Union hat recht behalten. Kein alter Mensch muss sich sorgen, dass seine Rente nicht pünktlich auf dem Konto ist.

 

Immer mehr Menschen befürchten allerdings, dass ihnen das Alterseinkommen nicht mehr zum Leben reichen wird. Und auch Blüm meldet sich just zum Jubiläum wieder zu Wort und warnt, die Rente laufe Gefahr, ihren guten Ruf und ihre soziale Sicherungsfunktion zu verlieren. Die Sorgen sind berechtigt, denn das Rentenniveau ist erheblich niedriger als vor einigen Jahren und wird weiter sinken. Immer deutlicher zeichnet sich in den Statistiken ab, dass Altersarmut, die in Deutschland in den zurückliegenden Jahren – glücklicherweise – nur ein Randphänomen war, zu einem wachsenden Problem wird.

Die Reformen waren und sind richtig

Ein Teil davon ist den Rentenreformen geschuldet, mit denen die Politik dem zweifach wirkenden demografischen Wandel begegnete: Wegen der wachsenden Lebenserwartung wurde das Rentenalter auf 67 Jahre angehoben. Und weil weniger junge Menschen nachwachsen, die den Generationenvertrag aufrechterhalten, wurde in die Rentenformel ein Nachhaltigkeitsfaktor eingefügt, der das Verhältnis von Jungen und Alten austariert. Darüber hinaus bekam die Altersversorgung mit der privaten Riester-Rente ein zweites Standbein. Diese Reformen waren und sind richtig. Und sie wirken: viele Menschen arbeiten länger, viele sorgen zudem privat vor.

Inzwischen kristallisieren sich aber auch die problematischen Folgen heraus: Wer dauerhaft wenig verdient, wer lange arbeitslos oder nur in Teilzeit erwerbstätig ist, der ist doppelt bestraft. Er erhält nur wenig gesetzliche Rente und hat auch nicht die finanziellen Mittel, um diese aufzubessern. Hinzu kommt: wenn man ein Leben lang arbeitet, aber trotzdem im Alter nur knapp über dem Sozialhilfeniveau liegt, schwindet das Vertrauen in die gesetzliche Rente. Das ist gefährlich.

Rentenpolitik ist keine Wohlfühlpolitik

Um die Jahrtausendwende herum wurde schon einmal der Krieg der Jungen gegen die Altern heraufbeschworen – er ist ausgeblieben. Ohne das verbreitete Gefühl, dass die Lasten gerecht verteilt werden und die Gewissheit, dass man im Alter nicht in Armut fällt, werden die Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft aber nicht zu meistern sein. Dabei gibt es durchaus positive Signale: Die stabile Konjunktur, niedrige Arbeitslosigkeit und vor allem die wachsende Zahl junger – anders als früher vielfach sehr qualifizierter – Zuwanderer. All das stabilisiert die Rentenkasse.

Dass Angela Merkel beim Festakt sagte, parteiübergreifende Rentenpolitik habe sich bewährt, kann man dagegen so pauschal nicht unterschreiben. Union und SPD haben dieses Jahr mit ihren Lieblingsprojekten Rente mit 63 und Mütterrente gemeinsam reinste Klientelpolitik betrieben, die alle anderen Rentner und Arbeitnehmer noch teuer zu stehen kommt. Nirgendwo ist Nachhaltigkeit so wichtig wie bei der generationenübergreifenden Rente. Großkoalitionäre Wohlfühlpolitik gefährdet sie.