Frauen und Männer, die seit Kurzem im Ruhestand sind, wollen mit einer Initiative Kontakte knüpfen.

Stuttgart-Möhringen - Roswitha Lachnit lebt seit 40 Jahren in Möhringen. „Als ich in Rente gegangen bin, haben wir begonnen zu renovieren“, erzählt sie. Absichtlich, damit sie nach all der Arbeit nicht plötzlich in ein Loch falle. „Die Arbeiten sind nun vorbei und ich habe ein wenig die Zeit für mich genossen“, berichtet sie. Jetzt aber wolle sie sich im Stadtbezirk engagieren. Einen Anfang hat sie mit ihrer Mitarbeit bei der Veranstaltungsreihe „Donnerstags im Bürgerhaus“ vom Bürgerverein gemacht. Dabei soll es nicht bleiben. „Das Projekt „Leseohren aufgeklappt“ würde mir sehr gut gefallen“, sagt sie. Es sei ihr wichtig, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, Kontakte zu knüpfen und neue Aufgaben zu wagen.

 

Damit ist die junge Rentnerin nicht allein. Zehn Frauen und ein Mann haben sich am Dienstag zum ersten Mal im Café Monese getroffen. Das Ziel: ein Netzwerk von Bürgern für Bürger zu gründen, die seit Kurzem im Ruhestand sind. Ein Netzwerk, das sich auf lange Sicht selbst organisieren soll. Die Idee zu dem Experiment hatte Brigitte Reiser. Reiser engagiert sich ehrenamtlich beim Projekt Generationenhaus Möhringen – Gemeinsam leben im Stadtbezirk. Im Internet war sie im vergangenen Jahr zufällig auf Initiativen dieser Art aufmerksam geworden und hatte unter dem Dach des Generationenhauses ein erstes Treffen für Interessierte organisiert (wir berichteten). „Das Netzwerk soll es den Bürgern ermöglichen, sich im Stadtbezirk zu verankern“, sagt Reiser. Und sie sollen Anregungen bekommen, wie und wo sie sich in Möhringen einbringen können – wenn sie wollen.

Leihgroßeltern werden immer gebraucht

Aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, bedeute, so Reiser, einen enormen Einschnitt im Alltag. Viele würden sich fragen, was sie die kommenden Jahrzehnte mit ihrer Zeit anfangen wollen. „Ruhestand – das ist mehr als Rasen mähen und Fenster putzen“, sagt sie und hält eine Postkarte mit der Aufschrift „Viel Spaß im Ruhestand“ und dem Motiv eines alten Ehepaars, das auf einer Bank sitzt, in die Höhe. „Die Karte habe ich beim Einkaufen entdeckt“, sagt sie.

Mehr als auf einer Bank sitzen, das erwarten auch Doris Zetzsche und Else Storhas. Erstere gibt unter anderem Qigong-Kurse, geht gern wandern, schwimmen, ins Theater oder in Ausstellungen. Sie sei es leid, allein durch den Wald zu spazieren. Für Ausstellungen könne man sich zudem zusammenschließen und sich für Gruppenführungen anmelden. „Außerdem hätte ich Interesse, Kindern mit Migrationshintergrund Unterricht zu geben“, sagt sie. Else Storhas könnte es sich vorstellen, als Leihoma aktiv zu werden. „Wobei ich mich mit dem Begriff Oma etwas schwer tue“, sagt die Rentnerin und lacht.

Leihgroßeltern würden immer gebraucht, versichert Inge Diehl, die Vorsitzende der Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (Ilm). Auch sie war beim Treffen dabei, um die Projekte des Vereins vorzustellen – darunter die Nachtwanderer, das Einkaufsmobil und den Besucherbus Bethanien.

„Ich sehe, Sie sind voller Ideen“, fasst Reiser die erste Sitzung zusammen. Von der ersten Resonanz ist die Initiatorin begeistert. „Natürlich freuen wir uns aber auch noch über weitere Interessenten“, sagt sie. Ein nächstes Treffen, dafür haben sich jedenfalls die Teilnehmer ausgesprochen, findet in vier Wochen statt.