Mit einer Onlineplattform, auf der Rentner nach Arbeit suchen können, will die Wernauerin Silke Kiesgen einen Schritt gegen Altersarmut tun. Die Nutzerzahlen und die Reaktionen der Firmen zeigen, dass sie damit einen Nerv getroffen hat.

Wernau - Dass der Ruhestand aus Geldmangel gar nicht so ruhig wird wie gedacht, müssen immer mehr Rentner erfahren. Um die trotz jahrzehntelanger Arbeit mickrige Rente aufzubessern, suchen sie Nebenjobs oder sogar Möglichkeiten, ihre Erfahrungen in einer Vollzeitstelle weiterzugeben. Auf einer Jobbörse im Internet können Rentner und Firmen nun zueinander kommen.

 

Die Wernauer Grafikdesignerin Silke Kiesgen hat das kostenlose Angebot vor zwei Monaten eingerichtet. Seit dem ersten Medienbericht über die Rentner-Börse kurz vor Weihnachten schnellen die Zugriffszahlen in die Höhe. Knapp 3000 Menschen haben sich seitdem auf den Seiten schon umgesehen.

Die Internetseite hat Silke Kiesgen ehrenamtlich aufgebaut

Arthur Heine aus Plochingen etwa bietet auf der Seite seine Dienste als Baugutachter an. Er ist 67 und „nicht der Typ, der zuhause herumsitzt und Däumchen dreht“, sagt er. Er suche nach einer Möglichkeit, sein Wissen sinnvoll anzubringen. Da sei das Angebot der Rentner-Börse „eine hervorragende Idee“. Er könne zwar von seiner Rente leben, „aber ein paar Mark mehr kann man immer gebrauchen“.

Silke Kiesgen kann sich wortreich ärgern über die Ungerechtigkeiten im deutschen Rentensystem. In ihrem Bekanntenkreis sieht sie, wie wenig Geld manche im Alter zur Verfügung haben. Aber: „Ich darf nicht schimpfen, wenn ich mich nicht wehre“, sagt die 56-Jährige. In ihrer Freizeit baute sie die Internetseite auf, investierte rund 4000 Euro. Die Navigation hat sie einfach gehalten, um es Internet-Unkundigen nicht zu schwer zu machen. Für die Inserenten ist der Eintrag kostenlos. Mit Anzeigen Geld auf der Plattform zu verdienen, erwartet Kiesgen vorerst nicht.

Manche Unternehmen werden geradezu überrannt

Noch beschränken sich die Gesuche und Angebote vor allem auf die Region Stuttgart. Silke Kiesgens längerfristiges Ziel ist ein bundesweites Netzwerk. Denn nicht nur hier müssen Rentner von teils sehr niedrigen Bezügen leben.

Wie drängend das Problem ist, zeigt die Erfahrung von Ulrich Wörner. Er hatte von der Börse im Radio gehört und kurz vor Weihnachten inseriert. Er suchte einen Lageristen für sein Denkendorfer Elektrotechnik-Unternehmen. „Ehrlich gesagt, ich habe da nicht dran geglaubt“, sagt er. Zunächst kam auch keine Rückmeldung. Nach ein paar Tagen und einem Medienbericht über die Rentner-Börse konnte er sich dann vor Anrufen kaum retten. „Zwölf Bewerber hatten wir innerhalb weniger Tage - ein Volltreffer“, sagt Wörner. „Vom Handwerker über den Polizisten bis zum Lehrer waren alle möglichen Berufsgruppen dabei.“

Senioren punkten durch Erfahrung

Auch für anspruchsvollere Tätigkeiten könnte Wörner sich einen Rentner vorstellen. „Wenn Sie einen Elektroingenieur für mich haben, nehme ich den sofort“, sagt der Firmenchef. Gerade kleinere Unternehmen täten sich schwer, gute Auszubildende zu finden. „Die großen Namen wie Daimler und Bosch ziehen die Jugend stärker an“, beklagt er. Abgesehen von dem Mangel an Nachwuchs weiß Wörner eine Qualität der Älteren zu schätzen: „Die Erfahrung ist Gold wert! Selbst wenn ein Rentner etwas langsamer arbeitet als ein Jugendlicher: sein Wissen macht das wett.“ Wenn er wieder einen Job zu vergeben habe, werde er auf die Rentner-Börse zurückgreifen, sagt Ulrich Wörner.

Ob die Arbeitsverhältnisse, die sie vermittelt, versteuert und angemeldet werden, kann und will Silke Kiesgen nicht kontrollieren. „Ich biete die Plattform. Alles andere muss zwischen den Partnern laufen“, sagt sie. Sie kontrolliere aber die Einträge und lösche sie bei Bedarf. „Es geht um Rentner. Wer eindeutig zu jung ist, hat auf der Seite nichts zu suchen.“ Auch anstößige Angebote lässt sie nicht stehen. Eine dauerhafte Betreuung kann sie aber neben dem Job in ihrer Werbeagentur nicht leisten. Die Inserate werden nach einer gewissen Zeit von selbst gelöscht.