Bei dem Stück „Das Publikum“ verschmelzen Zuschauer und Darsteller im Theater Rampe zu einer Masse. Auf dem fiktiven Marktplatz einer ebenso erfundenen Stadt konnten die Zuschauer selbst Teil der Inszenierung werden, bei der sich – neben dem Repair Café Stuttgart – zahlreiche Initiativen und Vereine vorgestellt und das Gespräch mit den Bürgern gesucht haben.

S-Süd - Für gewöhnlich ist ein Theatersaal nicht der richtige Ort, um sich Gedanken über die Reparatur eines Toasters zu machen. Bei der Vorstellung „Das Publikum“ von Melanie Mohren und Bernhard Herbordt im Theater Rampe am Samstag waren hingegen lädierte Geräte willkommen. Auf dem fiktiven Marktplatz einer ebenso erfundenen Stadt konnten die Zuschauer selbst Teil der Inszenierung werden, bei der sich – neben dem Repair Café Stuttgart – zahlreiche Initiativen und Vereine vorgestellt und das Gespräch mit den Bürgern gesucht haben.

 

Plätze in der ersten Reihe sind besonders bei Kabarett- und Comedy-Vorstellungen alles andere als heiß begehrt. Auch im Theater sind schwitzige Hände meist die erste Reaktion eines Publikums, wenn es erfährt, dass es am Theaterstück teilhaben soll. Als sich die Türen zum Saal am Samstagabend öffnen, ahnt noch keiner, wie ungezwungen ein Abend mit solch einer Ankündigung enden kann. Lediglich von einem Marktplatz, von Straßenzügen, von einer Stadt zum Betreten war die Rede in der Ansprache der Schauspieler Michael Kleine und Armin Wieser. „Wir werden eine Gemeinschaft auf Zeit sein“, sagt Armin Wieser bevor er den Theatersaal öffnet. Der Abriss der Eintrittskarte ist der letzte Akt in der Wirklichkeit, bevor man die Inszenierung betritt, um ein Teil davon zu werden.

Ein Marktplatz mit Theater und Repair-Café

Im Saal verteilt stehen Tische, an denen zahlreiche Initiativen ihre alternativen Angebote zu denen der kommunalen und staatlichen Einrichtungen präsentieren. Neben dem Repair Café findet man die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, in der anderen Ecke des Saals informiert der selbstverwaltete Bioladen Plattsalat über Verein und Ziele. Inmitten des Saales – der sowohl wegen der Geräuschkulisse als auch aufgrund des regen Treibens von Beginn an einen Marktplatz erinnert – steht ein Märchenerzähler in einem altertümlichen Kostüm und erzählt das Rätselmärchen der Gebrüder Grimm. Von der Tribüne, von der man dem Schauspiel aus sicherer Entfernung zusehen kann, sendet das Freie Radio Stuttgart live in die anbrechende Nacht. Das Flötenensemble der Volkshochschule Stuttgart und der Stuttgarter Musikschule sorgt – vermutlich beabsichtigt – eher für einen eindrucksvollen Großstadtlärm als für eine musikalische Untermalung.

Im Repair Café wird derweil der mitgebrachte Toaster untersucht. Nachdem die Verzichtserklärung unterschrieben ist, werden die Schrauben gelöst. Auf den ersten Blick lässt sich das Problem nicht finden. Also wird im eingestecktem Zustand geprüft, bis wohin der Strom noch fließt. Michael Kleine schaut zwischendurch mit einem Kameramann vorbei und interviewt die Bastler. „Wir wissen noch nicht, was kaputt ist“, sagt Martin Langlinderer vom Repair Café. Das Kamerabild wird in Echtzeit auf die Tribüne übertragen, wo die Zuschauer mit Kopfhörern und Bildschirmen ausgestattet den Gesprächen und Diskussionen folgen können – eine fiktive Dokumentation entsteht. Auch die Lichtstimmung im Saal wechselt regelmäßig, sodass jede Initiative im Laufe der Vorstellung einmal im Mittelpunkt steht.

Nur der Toaster bleibt am Ende kaputt

Nach eineinhalb Stunden bitten die Darsteller alle Zuschauer auf der Tribüne Platz zu nehmen. „Heißt das, die Stadt wird jetzt geschlossen?“, fragt ein Zuschauer. Der Markt verstummt bis auf die Blockflöten. Ausschnitte aus dem vorangegangenen Markttreiben flimmern über eine Leinwand, der Zuschauer sieht sich selbst in Aktion. Die Kamera gewährt einen Einblick in die entstandene Gegenöffentlichkeit, in der Darsteller und Zuschauer die Bühne füllten. Den Toaster hat auch diese energische Performance leider nicht wieder zum Leben erweckt.